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Ansturm auf die Schneekoppe

Der höchste Berg im Riesengebirge wird überrannt. Die Nationalparkverwaltung ist besorgt, heizt den Ansturm aber an.

Von Irmela Hennig & Klaus-Peter Längert & Maria Marciniak
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Schlange stehen in Pec an der Gipfelstation der Schneekoppe – eine Stunde Wartezeit für die Fahrt mit der Seilbahn ist im Sommer normal.
Schlange stehen in Pec an der Gipfelstation der Schneekoppe – eine Stunde Wartezeit für die Fahrt mit der Seilbahn ist im Sommer normal. © Maria Marciniak

Es sind Bilder wie vom Mount Everest. Im Frühling bildeten sich lange Menschenschlangen am höchsten Gipfel der Welt. Einen ähnlichen Ansturm erlebt der höchste Berg des Riesengebirges – die Schneekoppe. Bis zu 10.000 Menschen gelangen bei schönem Wetter täglich auf die 1.603 Meter hohe Erhebung. Von polnischer und tschechischer Seite kommen die mitunter schlecht ausgerüsteten Ausflügler nicht nur zu Fuß, sondern auch mit einer Seilbahn nach oben beziehungsweise bis zur etwas niedrigeren Kleinen Koppe. Wartezeit an der Bahn im böhmischen Pec pod Snìèkou (Petzer) eine Stunde und länger, wie die SZ vor Ort erlebt hat.

Längst schlagen Umweltschützer Alarm und auch die hauptamtlichen Hüter der Gebirgslandschaft sorgen sich. Dariusz Kuœ, Naturschützer beim polnischen Nationalpark Riesengebirge, warnt: „Manche Wege verwandeln sich in Morastpisten. Tier- und Pflanzenwelt leiden.“ Um die Touristenströme zu kanalisieren, wurde für die Schneekoppe bis Ende August zwar eine Art Einbahnstraßen-Regelung geschaffen. Bestimmte Wege waren nur für den Auf- beziehungsweise Abstieg freigegeben.

Wie die SZ vor Ort gesehen hat, hielten sich viele Wanderer aber nicht an die Auflagen. Der Nationalpark hat aber nicht genug Personal, um dauerhafte Kontrollen einzurichten. Besucherlimits gab es nicht. Die seien auch jetzt – in der kühleren und sehr beliebten Spätsommer- und Herbstsaison – nicht geplant. Wandervereine und Kommunen fürchten, dass dann einige Hotelketten und Reiseanbieter die Schneekoppe-Tickets in großem Maß aufkaufen. Außerdem könne es zu Schwarzmarkthandel mit den Karten kommen.

Sieht ganz ruhig aus – aber auch auf dem Gipfel an der Laurentiuskapelle und der Wetterstation ist viel Andrang.
Sieht ganz ruhig aus – aber auch auf dem Gipfel an der Laurentiuskapelle und der Wetterstation ist viel Andrang. © Maria Marciniak

2,5 Millionen Gäste besuchen jährlich den polnischen Teil des Riesengebirges, auf tschechischer Seite sind es drei bis vier Millionen. „Und die Zahl wächst“, sagt Zoologe Artur Palucki. Er arbeitet im wissenschaftlichen Bereich der Nationalparkverwaltung in Polen. Allein Polen biete 140 Wanderrouten, bei den Tschechen seien es mehr. Das locke Gäste – nicht nur Wanderer, auch Radfahrer und, teilweise illegal, Quad- und Motorradfans.

„Dass sich bei diesen Massen alle gut verhalten, ist unmöglich“, bedauert Artur Palucki. Müll ist ein großes Problem. Ausflügler nur in Turn- oder Straßenschuhen, ohne ausreichend Verpflegung oder Kartenmaterial ein weiteres. Das sorgt für mehr Arbeit bei der Riesengebirgswacht. In Polen kam sie allein im Juli auf 80 Einsätze. 30 mehr als im vergangenen Jahr. Ganz unschuldig ist die Parkverwaltung nicht an diesem Berg-Boom. 

In Zeiten, in denen soziale Medien für Trends sorgen, stellt sie täglich Naturfotos und Videos von Tieren, Pflanzen, Aussichten und Wasserfällen der Gebirgsregion ins Netz. Berggipfel im Abendsonnenschein, der Große Perlmuttfalter, die im Riesengebirge fast verschwundene Vogelart des Mornellregenpfeifers, dazu Pilze, die man im Nationalpark nicht sammeln soll – all das gibt es auf der Facebookseite des Parks. Hinzu kommen Hunderte Bilder auf Plattformen wie Instagram, die Ausflügler veröffentlichen.

Neue Gäste wollen die Natur

Auf polnischer Seite konzentriert sich der Massentourismus vor allem auf Szklarska Poręba (Schreiberhau) und Karpacz (Krummhübel). Darauf weisen Touristiker wie der Pensionsbetreiber Krzysztof Rozpêdowski aus Dobków (Kleinhelmsdorf), nordöstlich von Jelenia Góra (Hirschberg) hin. Er betreibt in Niederschlesien eine der informativsten Webseiten auf Deutsch. Er weiß aber, die Region ist auf die neuen Wanderer angewiesen. Denn die Heimatvertriebenen, die lange für Umsätze sorgten, leben oft nicht mehr, oder sind zum Reisen zu alt. Man setze auf Familien – und die wollen gern raus in die Natur.

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