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Anwaltsrobe oder jüdischer Umhang?

Wegen Abzeichenmissbrauchs musste sich gestern ein Mann am Amtsgericht verantworten. Seine Erklärung überraschte.

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Von Stefan Schramm

Im Sommer 2013 verhandelt das Landwirtschaftsgericht am Amtsgericht Bautzen unter Vorsitz von Katrin Herzog. Es gibt Streit um einen Pachtvertrag. An diesem Zivilprozess beteiligt ist auch Thomas S. aus Chemnitz. Allerdings weder als Staats- oder als Rechtsanwalt noch als Richter, sondern als Kläger. Dennoch trägt er eine Robe. Zwei Monate zuvor hatte er dies schon mal bei einer Verhandlung getan – als Zuschauer.

Gestern musste er deshalb erneut im Amtsgericht Bautzen Platz nehmen – diesmal als Angeklagter wegen des möglichen Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, zum Tragen einer solchen Amtstracht gar nicht befugt zu sein. Denn wer unbefugt in- oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, wird laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft. Zunächst hatte Thomas S. einen Strafbefehl in Höhe von 800 Euro erhalten, gegen den er jedoch Einspruch einlegte, weshalb es nun zur öffentlichen Verhandlung des Falls kam.

„Das ist alles eine Summe verschiedener Irrtümer“, verteidigte sich der 45-jährige Chemnitzer. Sein Kleidungsstück habe einen religiösen Hintergrund, sei eine typische Form eines Judenumhangs. Er selbst sei jüdischen Glaubens. Die Kleidung zu den beiden Gerichtsterminen im Juni und August 2013 zu tragen, habe sich angeboten. Er sei jeweils auf dem Weg zu einer allmonatlichen Veranstaltung in Polen gewesen, um sich mit Glaubensbrüdern zu treffen. In Größe und Gestaltung ähnele der Umhang allerdings einer Anwaltsrobe.

Der Rechtsanwalt der Gegenpartei der damaligen Verhandlung sagte gestern als Zeuge aus. Er habe gegenüber von Thomas S. gesessen und ihn im Verlauf der Hauptverhandlung gefragt, ob er Anwalt sei. Dies habe er verneint und gesagt, ein solches Kleidungsstück könne jeder tragen. Dass dies Ausdruck seines religiösen Glaubens sei, habe er damals nicht erzählt. Die Richterin sei darauf nicht näher eingegangen und habe die Verhandlung fortgesetzt.

Reichsbürger schreibt dem Gericht

Die Zurückhaltung der Richterin habe einen Grund gehabt: Im Raum stand die Problematik rund um sogenannte Reichsbürger. Das sind Anhänger von Verschwörungstheorien, die der Bundesrepublik, ihren Organen sowie deren Regelungen die Existenzberechtigung absprechen und behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort. Richter Ralph Nimphius verlas auszugsweise einen 15-seitigen Brief eines Anwalts ans Gericht, in dem unter anderem Polizei und Justiz der Bundesrepublik als „Firmen“ und ihre Behördenmitarbeiter als „Kriegsgefangene“ bezeichnet werden. Die Amtsbekleidung könne demnach nicht geschützt sein.

Warum dieser Brief, der seiner Verteidigung dienen sollte, ans Gericht geschickt wurde, konnte sich der Angeklagte nur so erklären, dass er mal „jemanden um Hilfe gebeten“ habe. Um beweisen zu können, dass die Geschichte vom jüdischen Umhang stimme, bot das Gericht ihm an, den Polen, mit dem das Treffen geplant gewesen sein soll, als Zeugen zu laden – und bei diesem Fortsetzungstermin das Kleidungsstück in Augenschein zu nehmen, das Thomas S. gestern leider nicht trug.

Der Angeklagte, ein Elektroniker, Astrologe und Landwirt, der nach eigenen Angaben als Wissenschaftler in der Krebsforschung arbeitet, ging auf das Angebot allerdings nicht ein, sondern suchte die Einigung mit der Staatsanwaltschaft. Und die erzielte er auch. Gegen die Zahlung von 300 Euro zugunsten des Fördervereins Tierpark Bischofswerda stellte das Gericht das Verfahren vorläufig ein. Schließlich sei durch die Handlung kein Schaden entstanden, zudem ist Thomas S. nicht vorbestraft. Zusammen mit den Anwaltskosten von rund 1 000 Euro hat er nun jedoch eine höhere Rechnung zu begleichen, als seinen ursprünglichen Strafbefehl.