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Mission Existenzsicherung geglückt

Arbeitslose erhielten in der Corona-Krise schnell Geld. Firmen rechnen zudem weniger Kurzarbeit ab, als erwartet. So lief der Arbeitsmarkt im Juli.

Von Gunnar Klehm
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Marion Piéc berät Kunden des Jobcenters jetzt in umgebauten Beratungsräumen.
Marion Piéc berät Kunden des Jobcenters jetzt in umgebauten Beratungsräumen. © Egbert Kamprath

Die Technik macht zwar vieles möglich. "Doch für ein erfolgreiches Beratungsgespräch gibt es in manchen Fällen keine Alternative zu einer persönlichen Begegnung", sagt Marion Piéc. Die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt des Jobcenters Pirna nennt beispielsweise Menschen mit Sprachproblemen oder Analphabeten.

Die Arbeitsagentur und das Jobcenter hatten sich wegen der Corona-Pandemie monatelang abgeschottet. Alles musste von Kunden online oder per Telefon erledigt werden. "Das hat sich schnell eingespielt, weil es von Kunden besser angenommen wurde, als wir befürchtet hatten", sagt Gerlinde Hildebrand, die Chefin der Arbeitsagentur Pirna. Diese Praxis habe zu keiner einzigen Beschwerde geführt.

Ab Ende März hatte die Existenz-Sicherung Priorität. Etwa 50 Prozent des Personals aus Beratung und Vermittlung wurde zur Bearbeitung von Leistungen abgestellt. In der Regel hatte jeder innerhalb von drei Wochen das Geld auf seinem Konto, erklärt Sten Langer vom Jobcenter. "Das war unsere Aufgabe: Den sozialen Frieden abzusichern", sagt er. Nur Anfang Mai waren die drei Wochen nicht ganz einzuhalten, weil die Zahl der Fälle derart sprunghaft angestiegen war.

Weniger Kurzarbeit als angezeigt

Erstmals hat die Arbeitsagentur Pirna jetzt Zahlen vorgelegt, wie viele Menschen im März tatsächlich in Kurzarbeit waren. Rund 1.200 Betriebe hatten vorsorglich für rund 13.000 Beschäftigte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Kurzarbeit angemeldet. Die Höhe variierte von Kurzarbeit null, es war also gar keine Arbeit mehr für die Beschäftigten da, bis Kurzarbeit 80 oder 90 Prozent.

Drei Monate hatten die Betriebe Zeit, die Arbeitszeit abzurechnen, die tatsächlich wegen der Corona-Maßnahmen weggefallen war. Für März wurde für knapp 7.000 Beschäftigte im Landkreis Kurzarbeit abgerechnet. Am häufigsten betroffen waren Beschäftigte im Gastgewerbe (82 Betriebe), im verarbeitenden Gewerbe (68 Betriebe) und bei sonstigen Dienstleistungen (62 Betriebe).

Aus dem letzteren Bereich kommen zumeist auch jene 60 Personen aus dem Landkreis, die in der Corona-Zeit ihre Selbstständigkeit aufgeben mussten und sich arbeitslos gemeldet haben.

Wieder mehr Jobs in Zeitarbeitsfirmen

Leistungen wie alle anderen frisch arbeitslos Gewordenen erhalten sie aber nur, wenn sie eine freiwillige Weiterversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit hatten. Darauf verzichten allerdings viele Selbstständige. "Für die Weiterversicherung kann ich nur werben, zumal Verbesserungen dazu beschlossen wurden", sagt Hildebrand.

Vermittelt werden diese Personen aber genauso wie alle anderen. Bei der Arbeitsagentur in Pirna sind aktuell etwa 1.800 unbesetzte Stellen aufgelistet. Die Neuzugänge kamen im Juli insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe, in Handel/Kfz und im Gastgewerbe hinzu. Urlaub in Deutschland sorgt für einen Aufschwung.

Aber auch die Zeitarbeit erlebt eine kleine Renaissance. Offensichtlich sind Arbeitgeber immer noch verunsichert, was die zukünftige Entwicklung angeht. Statt gleich fest einzustellen, versuchen sie es erst mal mit Beschäftigten aus Zeitarbeitsfirmen. "Manche Unternehmen haben feste Partner aus der Vergangenheit. Da gibt es an der Seriosität nicht zu zweifeln", sagt Hildebrand.

Viele unvermittelte Jugendliche

Noch viel Arbeit hat die Arbeitsagentur in den nächsten Tagen und Wochen, wenn es um den Ausbildungsmarkt geht. Von den bisher registrierten 1.201 Bewerberinnen und Bewerbern um einen Ausbildungsplatz sind mehr als ein Drittel noch unversorgt. Viele Arbeitgeber hätten zwar versichert, dass sie noch Ausbildungsverträge mit jungen Menschen unterschreiben werden. "Sie zögern das derzeit aber länger hinaus als früher", sagt Hildebrand. Auch das sei Auswirkung "unsicherer Zeiten".

Die meisten freien Lehrstellen gibt es noch für die Berufe Kauffrau oder Kaufmann im Einzelhandel (26) sowie Verkäuferin/Verkäufer (21). Seinen Wunschberuf wird hierbei trotzdem nicht jeder finden. Denn dem stehen zusammen 77 Bewerberinnen und Bewerber für diese Berufe gegenüber.

Rein rechnerisch würde es für alle Jugendlichen aufgehen. 420 Unversorgte gibt es noch und 423 unbesetzte Ausbildungsstellen. Allerdings passen Anforderungsprofil und Bewerber nicht immer zusammen. "Erschwerend kam bei der Vermittlung hinzu, dass wir erst spät wieder in den Schulen beraten konnten und jetzt Ferien sind", so Hildebrand.

Persönliche Beratung wieder möglich

Der wieder angelaufene Tourismus hat dafür gesorgt, dass die Arbeitslosenquote im Landkreis im Juli im Vergleich zum Vormonat leicht gesunken ist. 6.330 Menschen sind arbeitslos gemeldet, was eine Quote von 5,0 entspricht. Im Juni waren es 81 Personen mehr.

Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt um zwei Jahre zurückgeworfen. Im Juli 2018 waren im Landkreis 6.241 Arbeitslose gemeldet. Ein Jahr davor waren es mit 6.924 allerdings mehr als heute. Die Jahre vor 2017 sowieso.

Die Arbeitsagentur fährt die Beratungstätigkeit wieder hoch. Um die Hygiene- und Abstandsgebote einzuhalten, wurden extra Zimmer für Beratungsgespräche eingerichtet. Eine Anmeldung ist weiterhin nötig. 

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