Von Friedrich Krohn
Langsam gehen Großmutter und Enkelin den Weg entlang. Da vorn sehen sie Opas Grabstein. Die Enkelin saust voraus. Oma kommt langsam nach. Die Beine wollen nicht mehr so recht. „Ist hier der Opa?“, fragt die Kleine und fasst nach Großmutters Hand. Auf dem Grab liegt Laub. Ein heftiger Wind lässt die beiden frösteln und die Blätter tanzen. Großmutter sagt nichts. Sie denkt an die vielen gemeinsamen Jahre bis fast zur goldenen Hochzeit. „Oma, sag doch!“, drängelt das Mädchen. „Was soll ich sagen?“ Oma hat nicht zugehört. „Wo ist der Opa? Hier?“ „Ja, das Grab ist hier. Der Sarg liegt tief in der Erde.“ „Und Opa? Was ist mit ihm?“ Das Mädchen lässt sich nicht abbringen. „Opa, ja ich glaube, der ist im Himmel.“ „Dort oben? Guckt er zu uns runter?“ Die Enkelin fast die warme Hand fester und blickt hinauf. Nebel und Wolken treibt der Wind und feine Regentropfen weht er ins Gesicht. Bei Oma sieht es aus wie Tränen. „Weinst du? Ich denke im Himmel sind alle fröhlich?“ „Ja schon, doch bis dahin ist der Weg weit, bis wir alle fröhlich sein können.“Großmutter hat die Harke mitgebracht und lässt es doch sein. Bei dem Wind hat es keinen Sinn. „Wie ist der Opa dort hinaufgekommen, und warum kann ich ihn nicht sehen?“ „Ach Kind, du wirst es später verstehen, wenn du älter bist.“ „Wie alt muss ich sein, damit ich es verstehe? Zu welchem Geburtstag bin ich so weit?“ Oma lächelt und streicht der Fünfjährigen über die feuchten Haare. „Du verstehst schon jetzt viel, und du weißt vom Himmel. Und der ist gar nicht so weit oben. Wenn ich bete, ist der Himmel ganz nahe, bestimmt.“ Das Mädchen sieht die alte Frau fragend an. „Ich bete auch manchmal, einfach so.“ „Ja, wir sind zusammen unterwegs. Bis zum Friedhof – das ist nur ein ganz kleines Stück von unserem Weg. Bis zum Himmel, bis in die Ewigkeit, bis zu Gott geht unser Weg.“ Das Kind blickt skeptisch: „Wie lange muss man da laufen?“ „Das ganze Leben lang. Und du darfst glauben, dass dein Weg wirklich zu Gott führt.“Wieder blickt die Enkelin sehr zweifelnd: „Stimmt das?“ „Ja, so ist es“, sagt Oma mit fester Stimme und denkt an Lieder, die sie sang, und an Bibelworte, die sie las und hörte, und vor allem an Menschen, die mit ihr glauben. Meinen Glauben möchte ich gern weiterschenken, denkt sie und schaut auf ihre Enkelin.
Unser Autor ist Pfarrer in Löbau.