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Auf dem Tandem die Bautzner hoch

Neben dem Markt beteiligt sich Kamenz auch mit einem Kiez-Projekt am Wettbewerb „Ab in die Mitte“. Worum geht es?

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Die Stadt Kamenz hat sich in der sächsischen City-Offensive „Ab in die Mitte!“ bereits einige Meriten erworben. Zweimal wurden Projekte aus der Bürgerschaft mit Anerkennungspreisen geehrt – einmal ging er an den Verein „Metamorphose – Kunst in Kamenz“, einmal an die Genossenschaft „Neue Altstadt Kamenz“ (die SZ berichtete ausführlich). Das hat die Macher der Stadt zu weiteren Bewerbungen angestachelt. So soll für den aktuellen Wettbewerb die Neugestaltung des Marktplatzes eingereicht werden – sinnvoll ergänzt durch eine bürgerschaftliche Initiative zur Wiederbelebung (man könnte auch Rettung sagen) der oberen Bautzner Straße. Die beiden Vorhaben bilden gewissermaßen ein „Tandem“, das auf der Bautzner nicht nur sinnbildlich in Projekten seine Konkretisierung finden soll.

Dabei kam die Initialzündung sogar eher aus der Luxemburgstraße, die den Markt ja von der oberen Seite berührt. Carola Scholz vom kleinen, aber feinen Schmuckgeschäft brachte die Idee des geschäftigen Doppels in einer von City-Managerin Anne Hasselbach angeregten Beratung auf. „Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken – egal, ob auf der Luxemburgstraße oder auf der Bautzner Straße. Und wenn sich immer zwei zusammentun, geht es halt leichter.“ Damit war die Tandem-Idee geboren, die nun noch weiter ausgebaut werden soll. Dabei weiß jeder, der schon mal auf dem zweisitzigen Rad gesessen hat, dass mit dem größeren Gefährt Widerstand deutlich leichter überwunden werden kann. Vier Beine sorgen nicht nur für höheres Tempo, sondern helfen auch bergan. Und auf der Bautzner türmen sich nicht nur im übertragenen Sinn wirklich hohe Hindernisse. Die Topografie ist und bleibt eine Schwachstelle der früheren Haupteinkaufsstraße in Kamenz.

Eine schwierige Problemlage

Diese Zeiten sind leider vorbei. Leerstand und Strukturwandel sind die derzeit meistbenutzten Wörter, wenn es um die Bautzner Straße geht. Deshalb könnte das Motto der aktuelle City-Offensive im Freistaat nun genau greifen: „Die Stadt sind wir – gemeinsam aktiv!“ Anne Hasselbach jüngst im Ratssaal: „Wir wollen Einzelhändler, Dienstleister, Akteure, Eigentümer und Bürger auf der Straße zusammenführen. Die besondere Problemlage ist nur gemeinsam wirkungsvoll zu bewältigen.“

Ziel ist es, die im Wettbewerbsentwurf von 2014 entwickelte, allerdings nicht wie angedacht umgesetzte „Spielzone Marktplatz“ quasi auf die Bautzner Straße zu übernehmen. Es gehe um eine zeit- oder teilweise Gemeinschaftsnutzung von Räumen, von Technik, von Ausstattung zur Präsentation von Dienstleistungen und Fertigkeiten oder zur Förderung von Neuansiedlungen, so die City-Managerin. Mit dem „Eck-Geflüster“ kürzlich in der Martini-Lounge wurde das Tandem-Prinzip schon mal getestet. Die Familie Förster/Herzog hatte sich mit der Künstlerin Moni West, die neuerdings schräg gegenüber ein kleines Atelier betreibt, zu „Musik, Wein und Quatschen“ verabredet und dazu Interessenten eingeladen. Das Haus war voll. Das Tandem erreichte ein ganz erstaunliches Tempo, und die damit verbundene Dynamik soll weiter ausstrahlen. Hasselbach: „Das Prinzip könnte zum Marketinginstrument für die Revitalisierung der Bautzner Straße ausgebaut werden.“

Auch das Frühlingsfest am verkaufsoffenen Sonntag mit seinem Fokus auf der oberen Bautzner Straße hatte Impulse gebracht. Plötzlich gab es im Kiez eine Art „Flaniermeile“, die natürlich im Wochenalltag nicht so leicht realisiert werden kann. Aber es wurde deutlich, dass auch leer stehende Gebäude und Ladengeschäfte mit Ideen und Privateinsatz zu neuem Leben erweckt werden können. Das ist letztlich auch ein Hauptziel des Kamenzer Wettbewerbsbeitrages: Nicht genutzte Erdgeschosszonen oder öffentliche Stadträume sollen zu Inseln des geistigen Austausches und kulinarischer und künstlerischer Genüsse werden und damit Gelegenheiten bieten, weitere Marketing-Tandems loszuschicken. Unter einem bestimmten Titel, wie womöglich „Tschaikowsky“, wenn sich Teekontor und Bücherstube zusammentäten. Oder „Reise-Kosten“, wenn die Suppenküche und das Tui-Reisecenter gemeinsam „Viva la Mexico“ interpretieren. An solchen Tandems wird derzeit intensiv gearbeitet, zunächst gedanklich und konzeptionell – aber immer mit dem Blick auf die Realisierbarkeit, wie es die Wettbewerbsausschreibung für „Ab in die Mitte!“ nicht ganz zufällig vorgibt.

Auftanken im Accu-Laden

Für das Marketing-Tandem soll also auch das Leerstandsmanagement aktiviert werden. In den betroffenen Geschäften braucht es auch eine Infrastruktur, die es den Akteuren erlaubt, eine Zwischennutzung zu etablieren. „Dort entstünden gewissermaßen eine Art von Acculäden“, so Anne Hasselbach. Das meint das Aufladen in mehrfacher Hinsicht – und gewiss auch mit Blick auf den neuen, in Kamenz entwickelten stationären Energiespeicher der Accumotive beziehungsweise der Mercedes-Benz Energy.