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Auf die Eltern kommt es an

Der neue Vorsitzende des Landeselternrates Peter Lorenz über Schulwege, Fachkräftemangel und Leistungsvergleiche.

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Herr Lorenz, der Landeselternrat will einheitliche Regelungen im Schülerverkehr und kostenfreie Schülertickets in ganz Sachsen. Warum brennt Ihnen die Angelegenheit so auf den Nägeln?

Peter Lorenz ist 52 Jahre alt und Unternehmer. Er lebt in Penig und hat fünf Töchter, zwei davon sind schulpflichtig. Foto: Robert Michael
Peter Lorenz ist 52 Jahre alt und Unternehmer. Er lebt in Penig und hat fünf Töchter, zwei davon sind schulpflichtig. Foto: Robert Michael

Weil wir uns einen Überblick verschafft haben, der uns sehr überrascht hat. Eltern in Sachsen müssen null bis 288 Euro im Jahr aufbringen, damit ihre Kinder am Schülerverkehr teilnehmen können. Das geht doch nicht! Inakzeptabel ist für uns auch, dass jeder Landkreis mit seinem Regionalverkehr eine andere Satzung hat. Für viele Eltern, vor allem in ländlichen Regionen, heißt das nämlich, nicht das Programm und pädagogische Profil einer Schule ist maßgeblich für ihre Wahl, sondern der Schulweg. Und der Fahrplan.

Sie wollen die politischen Entscheidungsträger in die Pflicht nehmen. Kommen Sie gut voran?

Über die Kreiselternräte haben wir die Landräte bzw. Oberbürgermeister aufgefordert, gegenüber der Regierung und dem Landtag aktiv zu werden. Einige Landräte haben Zustimmung signalisiert, andere lehnen es ab. Im Januar ziehen wir Bilanz. Notfalls initiieren wir einen Volksantrag.

Dafür müssen Sie aber sehr viele Eltern mobilisieren …

Das ist richtig. Das Problem betrifft ja aber auch sehr viele. Ich sehe uns in der Pflicht, das Thema gut zu kommunizieren. Und vielleicht einmal ganz anders. Sehen Sie, ich habe einen guten Überblick über das Handwerk und den Mittelstand in Sachsen. Dort gibt es große Sorgen hinsichtlich des Nachwuchses. Vor diesem Hintergrund dürfte es keinen Schulabbrecher mehr geben, keinen, der seine Lehre abbricht. Es werden alle gebraucht. Mein Eindruck ist, diesbezüglich muss mehr an die Verantwortung der Eltern appelliert werden. Ja, auf uns Eltern kommt es an. Vielleicht ist es ein unprätentiöser Weg, aber man kann es doch versuchen. Sachsen übernimmt die Kosten für den Schülerverkehr, und die Eltern werden mehr in die Pflicht genommen, damit der Filius einen guten Schul- und Ausbildungsabschluss macht.

Stichwort Nachwuchsgewinnung. Sehen Sie Sachsen dabei schon auf einem guten Weg?

Ja und nein. Ein Beispiel: In Sachsen gibt es 3.871 Innungsbetriebe im Bereich Heizung und Sanitär. Wissen Sie, wie viele Lehrlinge es da gibt? 110. Und die Abbrecherquote liegt bei 42 Prozent. In manch anderen Gewerken sieht es ähnlich aus. Hier appelliere ich wieder zuerst an die Eltern. Sie können ihre Kinder nicht an der Schule abgeben und sagen: Macht mal. Aber ich nehme auch den Staat und die Wirtschaft nicht aus der Verantwortung. Praktika, Ferientätigkeiten, all das ist wichtig, um jungen Leuten einen Vorgeschmack zu vermitteln, hier bin ich richtig, hier nicht. Ich plädiere für lokale Verantwortungsgemeinschaften von Schule, Eltern und Wirtschaft – ohne Berührungsängste und auf Augenhöhe. Ich begrüße es, dass es in Sachsen seit 2012 regionale Koordinierungsstellen für Berufs- und Studienorientierung gibt, die mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert werden. Ich habe jedoch kein Verständnis, dass deren Finanzierung ungeklärt ist, wenn die Förderung ausläuft.

Herr Lorenz, Sachsen ist bei diversen Schülerleistungsvergleichen immer wieder „Klassenbester“. Das muss doch Eltern sehr freuen.

Zweifellos. Nur gibt es da immer auch eine andere Seite. Unsere Kinder sind offenbar sehr gut im Auswendiglernen. Der jüngste Ländervergleich, bei dem die Sachsen so hervorragend in Mathematik und Naturwissenschaften abschnitten, wies auch aus, dass Motivation, Lernfreude und soziale Kompetenz hier nicht so ausgeprägt sind wie etwa im Nachbarland Thüringen. Wir als Landeselternrat sind der Auffassung, dass es diesbezüglich hier noch einiges zu tun gibt. Wir meinen, dass mehr Projekte, mehr Praxisluft unseren Schülern guttäte. Das würde ihre Lust am Lernen anregen.

Seit zwei Monaten stehen Sie als Vorsitzender dem Landeselternrat vor. Warum haben Sie sich auf dieses aufwendige Ehrenamt eingelassen?

Bleibt einem als Vater von fünf Töchtern etwas anderes übrig? Nein, im Ernst. Als ich merkte, worüber man sich alles aufregen kann, hielt ich es für besser, mich einzubringen. Seit 2010 bin ich in der Elternarbeit aktiv und denke, das ist das Beste, was man für unsere Kinder und für die Zukunft unseres Landes tun kann. Und es wäre gut, wenn sich zahlreiche Eltern anschlössen.

Das Gespräch führte Carola Lauterbach