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Auf Esel-Tour in die Böhmische Schweiz

Ein Tscheche hat die Idee aus Frankreich nach Děčín importiert.

Von Steffen Neumann
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Unterwegs mit Sára (links) und Vlasta: Eselverleiher Radim Štross.
Unterwegs mit Sára (links) und Vlasta: Eselverleiher Radim Štross. © Steffen Neumann

Nun ist es doch passiert. Sára gibt den störrischen Esel oder besser, die störrische Eselin. Radim Štross möchte sie dazu bewegen, in einen Autoanhänger einzusteigen. Er lockt mit altbackenem Brot und spricht ihr gut zu. 

Doch im Moment geht es eher zurück als vorwärts. „Man braucht viel Geduld. Meist klappt es nicht, wenn man es eilig hat. Dann wollen sie erst recht nicht“, erklärt Štross, der sich von dem Unwillen seiner Eselin nicht beirren lässt. Es dauert keine Minute, und was wie ein Dickkopf aussah, ist vorbei. Sára setzt behutsam einen Huf nach dem anderen auf die schräge Ebene, knabbert an dem Brot und kurze Zeit später ist sie in ihrer Koje angekommen und festgebunden. Nun noch den zweiten Esel Vlasta hineinbugsiert, und schon kann die Fahrt losgehen.

„Den Eseln wird ja alles Mögliche nachgesagt. Sie seien dumm, störrisch oder faul, aber das stimmt nicht“, widerspricht Štross gleich zu Beginn allen Klischees, die über die grauen Lasttiere kursieren. Štross, dessen Liebe zu den Eseln begann, als er fünf Jahre in Frankreich arbeitete, kennt die Tiere als sensibel und einfühlsam. „Es ist eher so, dass sie klüger als ihre Besitzer sind, wie schon die biblische Geschichte über den Propheten Bileam erzählt“, fährt Štross fort. In der Geschichte sieht die Eselin einen Engel mit Schwert und schreckt zurück. Bileam, der den Engel zu sehen nicht imstande ist, will die Eselin dagegen mit Schlägen zum Weitergehen bewegen, was ihm nicht gelingt.

Kinder dürfen auch mal reiten

Wie Esel wirklich sind, kann man nun dank Radim Štross und seiner zwei Esel ganz unmittelbar erleben. Denn er verleiht sie. „Wir bieten geführte Touren an. Wer will, kann aber auch allein mit ihnen los“, sagt Štross. Das Schauspiel, wie die Esel in den Anhänger befördert werden, ist aber nicht Teil der Tour. „Wir bringen die Esel an einen vorher vereinbarten Ort und bereiten sie so vor, dass es gleich losgehen kann.“ Das bedeutet, dass die Esel ausreichend gegrast haben und mit einem Kinder- oder einem Gepäcksattel ausgerüstet sind. Denn tatsächlich geht es bei dem Erlebnis nicht nur darum, mal auszuprobieren, wie es ist, mit einem Esel zu wandern. Sie haben auch den praktischen Nutzen, Kinder oder Gepäck bis 30 Kilogramm zu tragen.

Die Touren beginnen alle in Bynovec (Binsdorf) unweit von Děčín (Tetschen) in der Böhmischen Schweiz. „Mit unseren Eseln kann man zur Rosenkammaussicht, zum Belvedere oder sogar zum neuen Aussichtsturm Růženka bei Růžová (Rosendorf) wandern“, zählt Štross auf. Alle Touren ist er mit den Eseln schon einmal abgelaufen und hat sie als eseltauglich befunden. „Es können aber auch individuelle Touren vereinbart werden. Dann muss man allerdings damit rechnen, an einen Punkt zu kommen, wo die Esel scheuen und man umplanen muss“, so Štross weiter. Aber auch bei einer getesteten Tour gibt es einiges zu beachten.

„Auch wenn Esel regelrecht stoisch sein können; schnelle Bewegungen oder Geschrei sollte man vermeiden. Geht es bergab, können die Tiere ganz schön Tempo aufnehmen, das sollte man rechtzeitig drosseln“, zählt Štross nur zwei Regeln auf. Trotzdem ziehen die meisten ohne Begleitung mit den Eseln los. „Ich weiß nicht warum, vielleicht ist es das Abenteuer. Aber bisher sind alle gut damit klar gekommen.“

Zu zweit geht es besser

Das Ziel an diesem Tag ist die Rosenkammaussicht, die kleinste Strecke, die in drei Stunden bequem absolviert werden kann. Gleich am Anfang des Weges queren Abflussrinnen den Weg. Mit kurzem Zögern und gut Zureden wird diese Hürde genommen. Mit einem Esel an der Leine durch den Wald zu laufen, ist ein besonderes Gefühl und für andere Touristen ist man ein Hingucker. Man kann beobachten, wie unglaublich beweglich die Eselsohren sind und manchmal beißen die beiden ins saftige Gras am Wegesrand.

Meist zottelt der bräunliche Vlasta voraus und die graue nur drei Tage ältere Sára hinterher. „Man kann sich aussuchen, ob man beide oder nur einen Esel mietet. Aber Esel suchen die Gesellschaft, und zu zweit harmonieren sie einfach besser, weshalb ich immer empfehle, beide zu leihen“, erzählt Štross auf dem Weg zu der beeindruckenden Aussicht ins Elbtal.

Auch wenn er den Verleih schon eine Weile betreibt, ist es für ihn immer noch ein komisches Gefühl, die Esel für eine Zeit einfach wegzugeben. Seine Frau und er hatten sich immer Esel gewünscht. „Zur Hochzeit schenkten uns dann Freunde Vlasta, später kauften wir noch Sára hinzu.“ Sie fanden eine Koppel im Stadtteil Křešice und bauten einen Stall. Esel hält man nicht nebenbei. „Wir sind täglich ein, zwei Stunden mit ihnen zusammen. Aber das ist eine gut verbrachte Zeit“, so Štross.

Eine der Esel-Touren führt zur Rosenkammaussicht.
Eine der Esel-Touren führt zur Rosenkammaussicht. © Steffen Neumann

Vor einem Jahr hatte er die Idee mit den Eseltouren, die er schon aus Frankreich kannte. Er hängte seinen Job in einer Logistikfirma an den Nagel und gründete sein eigenes Unternehmen Asinara, benannt nach der Eselsinsel bei Sardinien.

Nur 50 Meter bevor das Auto mit dem Anhänger erreicht ist, gibt es doch noch eine Kostprobe vom störrischen Esel. Das Auto muss extra hergeholt werden, weil trotz Zureden nichts mehr geht. „Anders als sonst hatten sie heute nicht genug gefressen“, hat Štross eine schlüssige Erklärung. Auf den Anhänger lassen sie sich wieder mit Brot locken. Ein I-A gab es übrigens den ganzen Ausflug über nicht zu hören.

Mehr Informationen auf Englisch und bald auch auf Deutsch