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Aus Klingenberg in den Himmel

Werkzeugbau Winkelmühle produziert für renommierte Partner. Trotzdem ist die Suche nach Lehrlingen für die Firma mühsam.

Von Gunnar Klehm
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Azubi Nadine Falke, Prokurist Tom Berthold bei der Werkzeugbau Winkelmühle GmbH. Klar macht man sich die Hände auch mal dreckig.
Azubi Nadine Falke, Prokurist Tom Berthold bei der Werkzeugbau Winkelmühle GmbH. Klar macht man sich die Hände auch mal dreckig. © Egbert Kamprath

Es war eine der spektakulärsten Live-Übertragungen des Jahrhunderts, als der Extremsportler Felix Baumgartner aus rund 38.900 Metern Höhe mit einem Fallschirm der Erde entgegen sprang. Dass alles gut ausging, dazu hatte auch die Werkzeugbau Winkelmühle GmbH einen kleinen Beitrag geleistet. Ein Teil flog mit, das nahe Dresden und Freital produziert wurde.

"Bei uns werden Kabel für genau die Geräte für die Höhenmessung hergestellt, von denen Felix Baumgartner bei seinem Sprung eines dabei hatte", sagt Tom Berthold, der Prokurist des Unternehmens. Auch dank der der Klingenberger wurde der Höhenweltrekord anerkannt.

Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner am 14. Oktober 2012 kurz vor dem finalen Absprung. Ein Bauteil aus Klingenberg ist mit dabei.
Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner am 14. Oktober 2012 kurz vor dem finalen Absprung. Ein Bauteil aus Klingenberg ist mit dabei. © Red Bull Stratos/dpa

Für die Sensorik in vielen Autos - unter anderem für die E-Autos von Tesla - produziert das Unternehmen ebenfalls Teile. Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Geschäft der Fahrzeugzulieferer wegen Corona schwer. Es wurden weltweit kaum noch Autos verkauft. Der Betrieb in Klingenberg hat aber auch diese Flaute gut überstanden. "Wir produzieren ja für verschiedene Branchen. Da kam uns zugute, dass wir uns schon vorher breiter aufgestellt haben", sagt Berthold.

Kaum Bewerber für Lehrstellen

Die 65 Arbeitsplätze sind gesichert. Es könnten noch ein, zwei mehr sein. Doch die Suche nach Lehrlingen gestaltet sich immer schwieriger. Jedes Jahr bildet das Unternehmen Werkzeugmechaniker aus. Es könnte sofort noch jemand anfangen. Im nächsten Jahr soll auch noch ein Verfahrensmechaniker ausgebildet werden. Aber es gibt keine geeigneten Bewerber oder Bewerberinnen. Einen guten Oberschulabschluss und etwas geschickte Hände, mehr Voraussetzungen brauche es eigentlich nicht, sagt Berthold.

Auch für Frauen kann das ein Beruf mit Zukunft sein. Nadine Falke ist im dritten Lehrjahr. Sie war damals über einen Tag des offenen Unternehmens erst auf den Beruf und dann auf den Werkzeugbau in Klingenberg aufmerksam geworden. "Klar, man macht sich in einer Werkstatt auch mal dreckig, aber das hält sich im Rahmen", sagt sie. 

Für körperlich schwere Arbeit gibt es Maschinen. Ihr war es wichtig, etwas zu produzieren. "So vielseitig wie die Aufträge ist auch die Arbeit", ergänzt Nick Kästner, der bereits ausgelernt hat. Die Übernahme-Quote von Lehrlingen ist hoch. Kästner mag das familiäre Arbeitsklima im Betrieb.

Corona macht es Firmen schwerer

Doch mit gutem Leumund allein kommt die Firma nicht weiter. Seit einigen Jahren präsentiert sie sich bei der Ausbildungsmesse des Landkreises in Pirna. Die Oberschüler aus Klingenberg kommen regelmäßig zu einem Schnuppertag vorbei. Doch das fiel in diesem Jahr Corona zum Opfer. "Das fehlt uns jetzt auch", sagt Berthold.

Dafür bietet der Betrieb Ferienarbeit an oder ein Praktikum. "Das hatte ich auch gemacht und das hat mich letztendlich überzeugt, hier anzufangen", sagt Falke. Inzwischen redet sie mit ihrem Chef schon darüber, wie es für sie im Betrieb weitergehen kann. "Bei Weiterbildungen unterstützen wir unsere Beschäftigten", sagt Berthold.

Der Beruf des Werkzeugmechanikers stand jedoch noch nie auf der Hitliste der Lieblingsberufe von Jugendlichen. Das sind dann eher die, die entfernt etwas mit dem positiv besetzten Begriff des Shoppings zu tun haben. Shoppen geht Nadine Falke auch. Nur selbst den ganzen Tag verkaufen, wäre wohl nichts für sie.

Jugendliche drängen in den Handel

Die Arbeitsagentur listet in ihrem Ranking der Wunschberufe der Jugendlichen schon seit Längerem die Verkäuferin beziehungsweise den Verkäufer ganz vorn auf. Auch Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel steht hoch im Kurs. Insbesondere bei Jungs auch der Kfz-Mechaniker.

© SZ Grafik

Dass dann schon der Fachlagerist kommt, kann zum einen die Arbeitsagentur selbst für sich verbuchen. Gibt sie doch Unterstützung für Bewerber mit Beeinträchtigungen. Zum anderen beinhaltet der Beruf relativ viele Facetten, von der programmierten Steuerung der Prozesse bis zum Stapler-Fahren.

Die Jugendlichen können sich auch mehr darunter vorstellen, als etwa beim Verfahrensmechaniker, wie ihn demnächst auch Werkzeugbau Winkelmühle anbietet. Das Unternehmen könnte sich vorstellen, für Gruppen einzelne Berufe auch mal praktisch vorzustellen.

Koch-Beruf wieder beliebter

Worum es beim Koch geht, ist schon immer ziemlich eindeutig. Dennoch fanden Firmen in der Vergangenheit nicht genügend Bewerber. Das hat sich noch nicht komplett gewandelt, doch die Zahl derjenigen Jugendlichen, die den Beruf ergreifen wollen, hat sich im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im aktuellen Ausbildungsjahr von 12 auf 26 mehr als verdoppelt. Die Marketing-Aktionen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zahlen sich offenbar aus. 

Die Zahl der Bewerber passt fast genau auf die Zahl der gemeldeten Lehrstellen. Das dürfte man gerade in Urlaubsregionen wie der Sächsischen Schweiz wohlwollend registrieren.

Im Gegenzug hat der Verkäufer-Beruf im Vergleich zum Vorjahr erheblich an Zauber verloren. Damals wollten noch 141 Jugendliche den Beruf erlernen. Dieses Jahr sind es noch 107. Da könnten aktuell die Dramen um Karstadt oder der Corona-Lockdown eine Rolle fürs sinkende Image gespielt haben.

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