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Aus Posthalterei wird Seifensiederei

Die Geschichte der Zwingerstraße 20 in Kamenz ist eine ausgesprochen wechselvolle. Teil II einer Hauschronik.

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Von Norbert Portmann

Kamenz. Das Haus Zwingerstraße 20 in Kamenz war mehrere Jahrzehnte Posthalterei. Diese Nutzungsgeschichte endete im Jahr 1810. Aber das Haus blieb eine heutige Fundgrube für Chronisten. Vermutlich bereits um 1812 wurde es nämlich eine Seifensiederei.

Erstmalig trat in diesem Jahr der Name des Seidensieders Carl Ehrenfried Kuring in Erscheinung. Kuring stammte aus Pulsnitz. Aus den vorhandenen Akten geht hervor, dass es schon vorher Seifensieder in Kamenz gab. Derzeitig sind die Namen, die Anzahl und die Standorte hiesiger Seifensieder nicht vollständig bekannt. Nach Bönisch sollen es 1824 vier Seifensieder gewesen sein. Aus den wenig vorhandenen Dokumenten ist bekannt, dass es 1660 den Seifensieder Christian Reichel, 1714 die Seifensiedermeister Christian Knüfel, Johann Christoph Feller und Christian Gottlob Feller, den Seifensiedergesellen Christian Gottlob Brückner aus dem Jahre 1787 und Seifensieder Johann Jakob Nitschmann, gest. 1816, gab. Dass in Kamenz das Handwerk der Seifensieder und Wachszieher in dieser Zeit ansässig war, wird durch den Untersteuereinnehmer Carl Friedrich Berggold in den Ein- und Ausgabenbüchern der Innung bestätigt.

Oberältester der Seifensiederinnung
Im Jahre 1796 kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Zünften der Seifensieder- und Wachszieher von Bautzen und Kamenz. Kuring war im Laufe der Zeit zum Oberältesten der Innung der Seifensieder avanciert. In den 1830er-Jahren war Kuring auch Stadtverordneter. Nach der Einführung der neuen Städteordnung und der Wahl des Bürgermeisters 1831 erscheint der Name des Seidensieders Karl Ehrenfried Kuring als Stadtgerichtsbeisitzer auf Zeit und ohne Gehalt. Kuring hatte vermutlich jene gesellschaftliche Funktion auch schon Jahre davor bekleidet. Kuring wurde am 30. Januar 1787 in Pulsnitz geboren und starb am 30. August 1855 in Kamenz. Kurings Frau Juliane Friederike starb im Oktober 1838 im Alter von 51 Jahren und acht Monaten.

Nachfolger von Kuring war dann der Seifensieder Carl Traugott Lange, der aus der Ortschaft Kalisch im Großherzogtum Posen stammte. Dieser wurde am 27. September 1844 vor offener Innungslade zum Meister gesprochen. Lange übernahm im September 1855 die Seifensiederei von Kuring, die beide seit geraumer Zeit schon gemeinsam geleitet hatten. Lange war Schwiegersohn von Kuring und ein gesellschaftlich aktiver Bürger der Stadt Kamenz. Bereits 1861 war er Mitglied im Bürgerausschuss. Im Jahre 1864 gehörte er dem 15-köpfigen Hutbergturmbau-Komitee an und war zu dieser Zeit auch Stadtverordneter. Die Familie muss sehr sozial eingestellt gewesen sein, da festgelegt war, dass aus dem Legat von Carl Traugott Lange und seiner Emilie Auguste eine Verteilung der Gelder zum Besten der Armen erfolgt.

Um 1844 gab es neben Kuring und Lange noch den Seifensieder Koark und Henack. Beide befanden sich auf der damaligen Schützenstraße, heute Güterbahnhofstraße. Aus der Seifensiederei Koark wurde später die Seifensiederei Niegel und aus Henack die Niegelsche Tuchfabrik.

Nach der Firma Lange begann dann die über Jahrzehnte währende Seifensiederära der Familie Berger. Schon zu Kurings Zeiten gab es in der Firma einen aus Panschwitz stammenden Seifensiederllehrling Joseph Bernhardt Berger, dem 1819 ein Lehrbrief ausgestellt wurde. Eine verwandtschaftliche Beziehung zur späteren Seifensiedlerfamilie Berger bestand nicht.

Im März 1868 kam es zur Verlobung von Langes Tochter Meta mit dem aus Sinkwitz bei Bautzen stammenden Kaufmann Ernst August Berger, später dann zur Heirat. Inwieweit C. T. Lange und sein Schwiegersohn E.A. Berger gemeinsam die Firma führten, ist derzeitig nicht bekannt. Im Adressbuch von 1897 wird C. T. Lange als Rentier und Ernst August Berger als Seifensieder angegeben. Carl Paul Alfred Berger, der Sohn von Ernst August Berger, war Seifensiedermeister und führte seit Beginn der 1900er-Jahre die Seifensiederfirma von C. T. Lange, seinem Großvater, weiter. Im August 1900 kam es zur Heirat von Carl August Berger mit Auguste Clara Ida geb. Lesche. Clara Ida war die Tochter des Tuchfabrikanten August Lesche. Nach dem Ableben von Alfred Berger 1926 war seine Frau Ida die Hausbesitzerin und wohl auch Firmeninhaberin. Frau Auguste Klara Ida Berger starb im Juli 1931. Gesetzliche Erben waren die Söhne Alfred Fritz Berger, Musiklehrer, und Ernst August Rudolf Berger, Kaufmann. Durch seinen Sohn Rudolf Berger wurde die Firma weitergeführt. In den 1930er-Jahren firmierte die Firma dann unter dem Namen „Seifenfabrik und Parfümerie Alfred Berger, Inh. Diplom-Kaufmann Rudolf Berger“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren alle Betriebe oder Geschäfte der Überprüfung auf aktive Mitgliedschaft in faschistischen Organisationen durch den antifaschistischen Arbeits- und Verwaltungsausschuss unterworfen. Im August 1945 stellte Hertha Berger, geb. Rodig, die Ehefrau, einen Antrag zur Genehmigung der Weiterführung der Firma Alfred Berger. Im November 1945 wurde diese vorläufig erteilt. Der bestehende Firmenname wurde beibehalten.

Bescheidene Adventsangebote
Ältere Kamenzer Bürger können sich erinnern, dass zunächst Hertha Berger und später dann wieder ihr Ehemann das Geschäft weiterführten. Im Gedächtnis hat man noch die DDR-typischen Seifen- und Waschmittelprodukte, später dann auch an die Geschenkartikel aus dem Erzgebirge. Nach der Schließung der Firma Berger eröffnete im Erdgeschoss der Zwingerstraße 20 die HO 1976 ein Kunstgewerbegeschäft. Das Angebot zur Adventszeit waren damals fünf Räuchermännchen, fünf Pyramiden und fünf Nussknacker, das war es. Befand man sich unter den ersten 15 Käufern, besaß man jedenfalls die Chance ein Produkt zu erstehen, denn der Kunde durfte nur eins kaufen. Mit der Wende war auch die HO Geschichte. Eine Zeit lang war noch ein Geschäft „Antik & Trödel“ dort. Über Jahre stand das Haus dann leer, ehe ein Privatinvestor sein Glück versuchte, bevor er aufgeben musste. Am 24. November hat die Eigentümerfamilie das teilsanierte Haus der Öffentlichkeit präsentiert.

Quellen: Akten des Stadtarchives Kamenz, Felix Günther „Die Geschichte des Postwesens der Stadt Kamenz“, Kamenzer Kulturspiegel 1961, Privatarchiv Portmann

Bilder: Stadthistorisches Museum (Malzhaus), Stadtarchiv Kamenz, Privatarchiv Portmann