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Bahn lässt Reisende in Hermsdorf stehen

Der Schienenersatzverkehr der Mitteldeutschen Regiobahn zwischen Dresden und Königsbrück sorgt für großen Frust.

Von Rainer Könen
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Eigentlich sollte auf der Strecke zwischen Dresden und Königsbrück die Bahn fahren. Aber derzeit befördern Busse die Reisenden. Oder Großraumtaxen, die aber aus Platzgründen nicht immer alle Fahrgäste mitnehmen können.
Eigentlich sollte auf der Strecke zwischen Dresden und Königsbrück die Bahn fahren. Aber derzeit befördern Busse die Reisenden. Oder Großraumtaxen, die aber aus Platzgründen nicht immer alle Fahrgäste mitnehmen können. © René Plaul

Morgens um 5.30 Uhr ist für Maria Stoll-Wolff die Welt nicht mehr in Ordnung. Und das seit einigen Monaten.

Wenn die Hermsdorferin sich auf dem Weg zur Haltestelle der Regiobahn RB 33 macht „frage ich mich jedes Mal, was wieder Überraschendes auf uns Fahrgäste zukommen wird“. Mit der Regionalbahn RB 33 fährt sie seit Jahren nach Dresden, wo die Verwaltungsangestellte arbeitet. Sie ist auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen, hat keinen Führerschein. Auf dieser von der Mitteldeutschen Regiobahn (MRB) betriebenen Strecke fallen seit Wochen immer wieder Züge aus. 

Schienersatzverkehr (SEV) wird auf diesem Streckenabschnitt seither ziemlich groß geschrieben. Die RB 33 habe sich seither zu einer Art „Überraschungsei“ wie Maria Stoll-Wolff das beschreibt, entwickelt. Kommt ein Zug? Oder gar ein Bus? Oder kommt vielleicht nichts? Eigentlich sei das ein unhaltbarer Zustand, findet die 36-jährige Hermsdorferin, schließlich bezahle sie eine Menge Geld für ihre Monatskarte. Aber sie hat sich, wie übrigens viele der hiesigen Pendler, nolens volens mit diesen Verhältnissen arrangiert. Doch in der vergangenen Woche platzte ihr der Kragen. „So was hatte ich bis dato bei der Bahn noch nicht erlebt“, erzählt die Hermsdorferin.

Gemeinsam mit anderen Fahrgästen habe sie frühmorgens bei bitterer Kälte am Haltepunkt in Hermsdorf gestanden. Wieder bangend, ob sie pünktlich zu Dienstbeginn (6.15 Uhr) in Dresden sein würde. Der Zug kam nicht, hatte man irgendwie erwartet, von einem Bus auch keine Spur. Dann sei ein von der MRB bestelltes Großraumtaxi an der Haltestelle aufgetaucht, schildert sie. Ein Zugbegleiter saß mit ihm Taxi, der die vier wartenden Fahrgäste darauf hinwies, das man nur eine Person mitnehmen könne. „Da mussten wir doch tatsächlich noch eine weitere halbe Stunde in der Kälte auf den SEV warten“, regt sich die 36-Jährige immer noch auf. Natürlich habe sie sich beschwert, beim Verkehrsverbund Oberelbe (VVO), bei der MRB, überall sei sie mit freundlichen Worten abgewimmelt worden.

Keine Triebwagen, kaum Personal

Beim Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) weiß man um die Probleme auf dieser Strecke, weist man darauf hin, das man die Startschwierigkeiten der MRB kenne, gemeinsam an Lösungen arbeite. Ein wesentliches Problem sind geringe Werkstattkapazitäten und fehlende Triebwagen. Die MRB als neuer Betreiber des Streckennetzes könne die ehemalige Werkstatt der Städtebahn in Laußnitz nicht nutzen, so VVO-Pressesprecher Christian Schlemper, der davon spricht, dass es auf der Strecke zwischen Dresden und Königsbrück „gewaltig knirscht“.

Auf den Zugstrecken der ehemaligen Städtebahn läuft nach wie vor vieles nicht rund. Der neue Betreiber, die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB), kann noch immer nicht sagen, wann es auf allen Strecken wieder Normalbetrieb gibt. „Wir wissen, dass die Situation für die Fahrgäste alles andere als zufriedenstellend ist“, räumt ein Mitarbeiter der MRB-Pressestelle ein. Aber man tue alles, um auf den übernommenen Streckenabschnitten baldmöglichst zur Normalität zu kommen. Allerdings dürfte sich das noch etwas in die Länge ziehen.

Keine Bahnen wegen Wartungsstau

Die MRB hatte die VVO-Diesel-Strecken per Notvergabe im September 2019 übernommen. Denn die Städtebahn hatte ja ihren Betrieb ohne Ankündigung Monate zuvor, im Juli, von einem Tag auf den anderen eingestellt, Insolvenz angemeldet. Das nur wenige Züge fahren, hängt auch mit einem Wartungsstau in der Werkstatt zusammen, bedingt durch die Insolvenz. sowie einemRechtsstreit.

Daher kann die MRB derzeit nicht auf die Lagerbestände der Städtebahn in der Werkstatt zurückgreifen. „Wir bemühen uns intensiv um alternative Beschaffungswege für die benötigten Ersatzteile“, erfährt man bei der MRB. Doch es sind nicht nur die fehlenden Fahrzeuge, die der MRB Kummer bereiten, es herrscht auch Personalmangel. So sei es derzeit schwer, ausreichend Busse für den SEV zu bekommen, erfährt man weiter. Den Vorfall in Hermsdorf bedauere man. Da habe man, als man ein Großraumtaxi dorthin schickte, den Bedarf an diesem Haltepunkt wohl falsch eingeschätzt, so ein MRB-Sprecher.

Die Hermsdorferin Maria Stoll-Wolff zieht jedenfalls Konsequenzen aus diesem Vorfall. Ihr reicht es nun mit der Bahn. Sie wird sich demnächst ein E-Bike kaufen, damit künftig bis Weixdorf radeln und von dort mit der Straßenbahn, der Linie 7, zur Arbeit fahren. „Ich habe dann zeitlich zwar einen längeren Arbeitsweg“, so die Hermsdorferin. Aber so könne sie ihren ohnedies recht eng getakteten Arbeitstag wieder besser planen, sei sie nicht mehr auf diese unsichere Zugverbindung angewiesen. Habe ja im Übrigen auch Vorteile, meint sie: Sie spare so Geld, tue was für ihre Gesundheit und obendrein auch noch etwas fürs Klima.

Zugfahren ist vorerst für die 36-jährige Hermsdorferin kein Thema mehr.