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Behinderung durch Arbeit vergessen

Auf einem Landgut finden Menschen nach schweren Unfällen behutsam zurück ins Berufsleben – so wie Kamil Kubis.

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© Andreas Weihs

Von Fee Rülke

Kreischa. Viel schöner kann ein Arbeitsplatz nicht sein: ein Landgut in der Nähe von Kreischa, zwischen Himbeersträuchern und Apfelbäumen, Getreidefeldern und viel grüner Wiese. Kamil Kubis kümmert sich hier um die Reinigung der Küche, der Umkleide- und Speiseräume. Die Tätigkeit hilft ihm, nach einem Unfall vor sieben Jahren zurück ins Berufsleben zu finden.

Im Jahr 2008 war der gebürtige Pole auf dem Weg von der Arbeit in Deutschland zurück in seine Heimat. Bei dem Autounfall zog er sich eine Hirnverletzung zu, kam auf die Intensivstation eines polnischen Krankenhauses. Ein tragischer Schicksalsschlag, der sein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat. An den Unfall kann sich Kubis nicht mehr erinnern. Denn der hat das Kurzzeitgedächtnis des gelernten Kochs stark geschädigt. 2010 kam Kubis in die Bavariaklinik in Kreischa. Über die Klinik fand er letztendlich auch zur Helene-Maier-Stiftung.

Die wurde 1996 von Rudolf Presl, dem Leiter der Bavariaklinik gegründet. Durch die Arbeit auf dem Hof in Theisewitz sollen Menschen mit unfallbedingten Hirnschädigungen wieder zurück ins Berufsleben geführt werden.

Arbeitspläne zum Abhaken

„Bei uns wurden zu Beginn einige Arbeits- und Belastungsproben durchgeführt“, erklärt Sabine Schoof, die Neuropsychologin und Betreuerin von Kubis. „Zuerst war ich in der Eingangs- und Holzwerkstatt eingesetzt“, sagt Kubis. Dort wurden beispielsweise seine Durchhalte- und Konzentrationsfähigkeit getestet. Mittlerweile ist aus der Probe ein Dauerarbeitsplatz geworden, an dem sich Kubis sehr wohl fühlt. „Am meisten mag ich, dass es immer etwas zu tun gibt und man nie Langeweile hat.“ Für ihn bedeutet die Arbeit in erster Linie auch Ablenkung. „Ich will nicht immer an die Behinderung denken“, sagt er. Sechs Stunden arbeitet er ungefähr am Tag, zwischendurch legt Kubis Pausen ein. Die sind wichtig, denn er darf sich nicht überanstrengen. Darum gibt es auf dem Hof keinen Zeit- und Leistungsdruck. Sein Kurzzeitgedächtnis kommt ihm jedoch auch bei der Arbeit immer wieder in die Quere. „Manchmal vergesse ich etwas zu erledigen, oder mache etwas doppelt“, erklärt Kubis. Deshalb gibt es für ihn Arbeitspläne, auf denen er erledigte Aufgaben abhaken kann.

„Wenn ich gar nicht mehr weiter weiß und verwirrt bin, gibt mir meine Arbeitstrainerin Hinweise, sodass ich das Problem selbst lösen kann“, so Kubis. Manchmal überschätze er sich jedoch. Arbeiten, die noch so leicht erscheinen, können zu einer echten Herausforderung werden. Dass er immer wieder Hilfe brauche, ärgere ihn ein bisschen, sagt der ehrgeizige 28-Jährige. Doch es sporne ihn auch an, weiter an sich zu arbeiten. Die Tätigkeit gibt ihm das Gefühl, gebraucht zu werden und sinnvolle Arbeit zu verrichten. Dass er viel in der Küche eingesetzt ist, freut ihn. Zwar sagt er, aus dem gelernten Koch, sei mittlerweile ein Hobbykoch geworden, doch zu gegebenen Anlässen steht er auch bei der Helene-Maier-Stiftung in der Küche und bäckt zum Beispiel Plätzchen für Weihnachten.

Noch lange nicht am Ziel

Die Zeit auf dem Gutshof der Helene-Maier-Stiftung hat Kubis bis jetzt schon sehr viel gebracht. Heute lebt er in einer Wohngemeinschaft in Dresden-Plauen und nicht mehr bei seinen Eltern. Ganz ohne Betreuungspersonen kommt der 28-Jährige zurecht. Die sind aber jederzeit erreichbar – im Notfall. „Ich bin schon viel selbstständiger geworden“, erzählt er. Mittlerweile kann er wieder alleine einkaufen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Am Ziel ist Kubis allerdings noch lange nicht: „Ich will nicht mehr auf die Hilfe von Pflegepersonal angewiesen sein. Ich habe den Traum von der eigenen Familie , wie so viele gesunde Menschen auch.“