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Bekommt Reick seine Kult-Bar zurück?

Dresdner Studenten haben das Hotel in der Hülßestraße unter die Lupe genommen – und verrückte Ideen entwickelt.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Die meisten Dresdner nennen das Reicker Hotel auch heute noch einfach „Coventry“. So hieß das Haus an der Ecke von Hülße- und Tornaer Straße Anfang der 1990er-Jahre. Warum nun gerade dieser Name hängen geblieben ist, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht, weil schon Jahre vorher die Reicker Wohngebietsgaststätte diesen Namen trug. Als 2006 eine österreichische Kette das Hotel nach Jahren des Leerstands kaufte, hieß es „Belmondo“. Seit sechs Jahren steht an der Fassade nun in großen Lettern „Azimut“. Die größte internationale Hotelkette Russlands übernahm das Reicker Traditionshaus damals – nun soll dessen Name in Dresden bekannter werden.

Dafür hat sich Hotelchefin Manja Schumann 39 Studenten der Dresdner SRH-Hotel-Akademie ins Boot geholt. In acht Projektgruppen untersuchten die angehenden Hotelmanager im Rahmen ihres Praxissemesters verschiedene Bereiche des Hauses. Wie bewerten Gäste den Service auf der Homepage, wie werden soziale Netzwerke genutzt, um auf das Reicker Azimut aufmerksam zu machen, wie kann der Außenbereich ansprechender gestaltet werden? Einige Studenten beschäftigten sich auch mit der Frage, wie das Hotel etwa mit Straßenschildern beworben werden kann oder ob es eine Möglichkeit gibt, die seit Jahren geschlossene Kellerbar wieder zu eröffnen.

Schumanns klares Fazit: „Für die Dresdner ist die Bar natürlich am interessantesten.“ Auch, weil sie einst sehr beliebt war, als die Künstler der Leubener Staatsoperette regelmäßig im „Brimborium“ feierten, die Kabarettisten zum „Frühstück der besonderen Art“ einluden. Daran erinnert sich auch Siegfried Paulick, der seit 2006 als Hausmeister im Hotel für Ordnung sorgt. Das Kellergewölbe selbst ist aber schon viel älter. Ein Stein zeigt die Jahreszahl 1895. Paulick schätzt, dass der alte Gebäudeteil des heutigen Hotels aus jener Zeit stammt. „Damals wurden die Kellerboxen für Kartoffeln und Kohlen genutzt.“ Wann genau das Gewölbe zur Gaststube wurde, kann aber auch der 62-Jährige nicht mit Sicherheit beantworten. Fest steht, dass der Altbau kurz nach der Wende rekonstruiert wurde und 1992 der neue Anbau dazukam. „Ich denke, in dieser Zeit wurde auch die Kellerbar eingerichtet.“ Bis 2007 gab es im Altbau sogar noch fünf Wohnungen. Weil das Hotel damals erweitert wurde, mussten die Mieter ausziehen. Heute gibt es insgesamt 64 Zimmer.

Damit diese in einem Hotel an der Dresdner Peripherie stets ausgebucht sind, muss sich die 33-jährige Direktorin etwas einfallen lassen. „Das Problem sind die Zimmerpreise im Stadtzentrum“, erklärt Manja Schumann. Sie seien zu niedrig, das könne man am Stadtrand nur mit noch niedrigeren Preisen schlagen.

Ein Fall für den Trödelmarkt

Deshalb ist nun eine Idee, das Hotel mit der Wiederbelebung der Kellerbar bekannter zu machen, sodass die Dresdner das Haus weiterempfehlen. Großer Knackpunkt ist allerdings die Lage. 2011 wagte es ein Gastronom erneut, die Kneipe zu eröffnen. Ohne Erfolg, denn die Gäste blieben aus. Die Studenten schlagen deshalb vor, zahlungskräftiges Publikum wie etwa Topmanager und Politiker in den Dresdner Süden zu locken – mit einem exklusiven Klub wie dem China Club in Berlin. Wer dort hinein will, muss mehrere Tausend Euro pro Jahr für die Mitgliedschaft bezahlen. Eine zweite, völlig andere Idee: Eine Art Chillout-Bar für Schüler und Lehrer des benachbarten Hülße-Gymnasiums. Auch die Möglichkeit, eine Szenebar oder einen Raum zur Vermietung für Privatpartys einzurichten, haben die Studenten eingehend untersucht.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Die russische Hotelkette müsste vorab viel Geld in die Hand nehmen, um das Kellergewölbe in puncto Brandschutz, Heizung und Toiletten an die aktuellen Anforderungen anzupassen. Damit sich das Geschäft lohnt, müssten im Falle einer Kellerbar am Abend mindestens 30 Getränke verkauft werden. Auch das haben die Studenten errechnet. Zu viel für den Standort Reick, sagt Manja Schumann.

Derzeit lässt die Hotelchefin das als Lager genutzte Gewölbe erst einmal aufräumen, die Deko, wie alte Werbeschilder, Tongefäße, Schränkchen und allerlei Nippes, soll an Trödler verkauft werden. „Sollte es irgendwann doch einen Pächter geben, der es noch einmal mit Gastronomie wagt, sind wir gern dazu bereit“, sagt Schumann. So gibt es doch noch ein Fünkchen Hoffnung, dass die Kult-Bar zurückkommt.