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Bernd Rößner geht

Die Gemeinde verabschiedet heute ihren langjährigen Bürgermeister. Seit der Gemeindefusion 1994 hat er Mittelherwigsdorf gelenkt.

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Von Thomas Zenker

Bernd Rößner geht, weil er das so will. Das sagt er genau so und es sagt auch einiges über ihn aus. Der untersetzte Mann, der hinter vorgehaltener Hand schon mal „der Monarch“ genannt wird, hat in seinen 21 Jahren als Bürgermeister vieles erreicht, das er erst durchsetzen musste. Jetzt verabschiedet er sich aus der Kommunalpolitik noch nicht ganz, denn Kreisrat will er noch bleiben. Aber in Mittelherwigsdorf überlässt er das Heft „der jüngeren Generation“.

Dass Rößner gerade jetzt in den Ruhestand geht, hat er sich so ausgesucht. „Ich will ja nicht bis zu dem Tag arbeiten, an dem ich aus Altersgründen den Chefsessel aufgeben muss“, sagt er. Bis dahin wären noch 15 Monate Zeit, aber Rößner hat auch noch andere Gründe. Bis 2013 müssen die Gemeinden die doppische Haushaltsführung einführen, eine riesige Umstellung für deren Verwaltungen. „Das sollte mein Nachfolger besser von Anfang an mitmachen, sonst hat er ja keine Chance, sich einzuarbeiten“, erklärt Rößner.

Er selbst hatte es in den Neunzigern auch nicht leicht mit dem Einarbeiten. Damals war er als Kfz-Meister in die Politik gegangen. Eine seiner politischen Wegbegleiterinnen, Katrin Zwahr von den Freien Wählern, erinnert sich: „Wir haben zum ersten Mal die Chance gesehen, selbst etwas zu erreichen. Die DDR war ja gerade Geschichte.“

Die „wilden“ Neunziger, wie sie Rößner selbst nennt, bringen ihn aber heute noch zum Schwärmen: „Damals war soviel möglich. Man hat das mit den entsprechenden Partnern besprochen und dann wurde es gemacht.“ Aber auch lachen muss er: „Wir hatten doch damals keine Ahnung. Da kamen jede Menge Glücksritter, die sich als Berater aufspielten. Da musste man schon aufpassen.“

Doch nicht nur mit denjenigen, die ihr Glück auf Kosten der noch unerfahrenen Ostdeutschen machen wollten, geriet Rößner in Konflikte. „Wir haben auch richtige Kämpfe mit der Stadt Zittau gefochten. Die haben uns nichts geschenkt.“ Auch Hermann Funke aus Eckartsberg, von Anfang an bei den Freien Wählern dabei und bis zur Wahl des neuen Bürgermeisters auch Rößners Stellvertreter, erinnert sich mit gemischten Gefühlen daran: „Das waren harte Verhandlungen mit den Zittauern. Vieles war möglich, aber viel wurde auch verhindert.“

Rößner wurde noch als Bürgermeister der kleinen Gemeinde Oberseifersdorf die Lage am direkten Rand der Stadt Zittau zum Problem: Das Gewerbegebiet, das damals an der B178 entstehen sollte, hatte starke Gegner in der Stadtverwaltung. Noch heute ärgert sich Rößner darüber, dass damals durch den Zittauer Einfluss auf die Entscheidungsträger im Landratsamt vieles blockiert wurde. Ein wenig Verständnis hat er inzwischen zwar: „Die wollten das natürlich selbst.“ Aber die Chance, Rößner als Verbündeten der Stadt zu gewinnen, die habe Zittaus Bürgermeister Jürgen Kloß damals vertan. „Ich war sogar bereit, mit Oberseifersdorf nach Zittau zu gehen – hätte damals ja auch Sinn gemacht.“

Als sich dann die vier heutigen Ortsteile von Mittelherwigsdorf doch recht schnell einig waren, eine Einheitsgemeinde zu bilden – im Grunde mussten nur die Eckartsberger überzeugt werden – da profilierte sich der junge Oberseifersdorfer mit dem Widerstand gegen die geplante Sondermülldeponie direkt gegenüber seines Dorfes. Viele Menschen waren dagegen, die Dörfler protestierten gemeinsam mit den Städtern gegen das Vorhaben – und Rößner wurde bekannt, schlug dann seinen CDU-Gegenkandidaten Gerd Kamionka, bis dahin Bürgermeister von Mittelherwigsdorf.

Damals begann in der Gemeinde, worauf Rößner heute sehr stolz ist: Er kümmerte sich darum, eine gut funktionierende, weil gut ausgebildete Gemeindeverwaltung aufzubauen. Parallel dazu wurde damals sogar noch gesponnen. Rößner, dem man heute nicht unbedingt Visionen nachsagt, hatte Ideen, mit denen er gegen Wände im eigenen Dorf rannte. Er wollte den ehemaligen Oberseifersdorfer Agrarflugplatz erhalten. Im Wirtschaftswunderdenken der Neunziger sicher folgerichtig für die neuen Gewerbegebiete, für die alten Leute im Dorf jedoch eine schreckliche Vorstellung. „Die dachten, da kommen Jumbojets nach Mittelherwigsdorf“, amüsiert sich Rößner heute.

Nicht weit vom Flugplatz entfernt sollte eine Strohheizung für die Gemeinde entstehen. Mit der Miku, einer neu gegründeten GmbH von LPG-Bauern war schon alles abgesprochen, ein Ingenieurbüro berechnete das Projekt. „Aber viele sanierten gerade ihre Häuser und wollten lieber eine eigene Heizung einbauen. Wir waren zu früh“, sagt Rößner bedauernd angesichts heutiger Heizungsvarianten.

Dafür seien andere heute zu spät, denn was von den Neunzigern bis zum Anfang des neuen Jahrtausends möglich war, das habe man in Mittelherwigsdorf genutzt. Rößners Lieblingsbeispiel ist der Kanalbau: „Da konnten wir damals in einem Zug Straßen erneuern, Trinkwasserleitungen und Kabel für die Straßenbeleuchtung legen“, berichtet er stolz. „Damals gab es noch richtig hohe Fördersätze. Wer das heute erst macht, wird sich ganz schön ärgern“, sagt er.

Dass er sich mit den teuren Anschlussgebühren in seiner Gemeinde nicht nur Freunde machte, weiß der Bürgermeister: „Da reden heute noch manche nicht mit mir.“ Die großen Grundstücke in der Landgemeinde verursachten hohe Kosten. „Aber wir haben alles, was bei Stundungen und Ratenzahlungen legal war, möglich gemacht“, betont Rößner.

Das ist ein wichtiges Stichwort für den „Macher“: etwas möglich machen. „Es ist heute viel schwieriger geworden“, sagt er. Die allumfassende Bürokratie erdrücke die Gemeinden. Zu viel Aufwand sei mit zu wenig Nutzen verbunden. „Eins meiner schlimmsten Erlebnisse ist der Umgang mit der Flut gewesen“, beginnt Rößner zu schimpfen. „Da wurden uns regelrecht Steine in den Weg gelegt“, ärgert er sich. Hinter diesem Ärger über den Papierkram vermuten manche auch einen gewichtigen Grund für Rößners Rückzug. Das bestätigt er nicht, aber diesen Frust hat er im letzten Jahr seiner Amtszeit oft geäußert.

Einen großen Teil seiner Erfolge führt Bernd Rößner auf sein Netzwerk, auf seine Lobby inner- und außerhalb der Gemeinde zurück. „Kontakte muss man pflegen“, sagt er. Als gewiefter Taktiker aber auch als verlässlicher Partner legt Rößner Wert auf den direkten Kontakt zu Menschen: „Wo das gesprochene Wort und der Handschlag noch zählen.“ Die Kommunikation per Mail ist ihm zuwider, das ständige Verlegen von Terminen, die Unverbindlichkeit, die mit den neuen Medien gekommen ist, ärgern ihn.

Damit ist seine Entscheidung zum Rückzug auch hier nur folgerichtig: „Das sollen jetzt andere machen. Da mische ich mich nicht mehr ein.“

Seine neuen Visitenkarten sind gedruckt: Bernd Rößner, Bürgermeister a.D. steht darauf. Eine Mailadresse gibt es allerdings auch.