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Besen, Wein und Bemmchen

Die Zahl der Straußwirtschaften im Elbland wächst beständig. So simpel wie ihr Konzept ist, so erfolgreich sind sie.

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© hübschmann hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Besen, Besen, seid‘s gewesen! Das muss Goethes Zauberlehrling rufen, um die ungehorsamen Geister, die er im Gedicht gerufen hat, wieder loszuwerden. In den Weinbergen des Elblands gilt ein ganz anderer Spruch, der die guten (Wein-)Geister allerdings erst beschwören will: „Wenn Besenstrauß ist hier zu seh’n, kannst Du in die Wirtschaft geh’n!“ So lautet das Motto der Besenwirtschaften, die zu einem Schluck guten Sachsenweines mitten im Weinberg einladen. Ein ausgehängter Reisigbesen – oft auch Strauß oder Kranz – signalisiert: Die Wirtschaft hat geöffnet, hier gibt es Wein, kleinere Speisen und dazu oft einen herrlichen Blick über das Elbland.

Wein trinken, wo er wächst

Um die 20 solcher Besen- oder Straußwirtschaften gibt es bereits zwischen Diesbar-Seußlitz und Radebeul. Vor drei Jahren waren es etwa genau so viele – damals aber in ganz Sachsen. Dabei ist ihr Konzept eigentlich sehr simpel: Weinbauern, oft Familien, schenken meist inmitten der Reben ihre Weine aus und bieten dazu ein paar kleine regionale Speisen an. Für Bernd Kastler, den Vorsitzenden des sächsischen Weinbauverbandes, macht genau das den Charme und letztlich Erfolg der Besenwirtschaften aus: „Man kann sich vorstellen, dass der Wein, den man vor sich im Glas hat, vom Rebstock fünf Meter weiter weg stammt.“ Die Besucher kämen in familiärem Ambiente außerdem mit den Winzern oder anderen Einheimischen ins Gespräch und könnten so beim Trinken über Weinbau, Land und Leute reden – und so gleich die Region etwas besser kennenlernen.

Was wiederum den Tourismusverband Sächsisches Elbland freut. Sprecherin Kerstin Rosenbaum sieht den Erfolg in dem „Urtümlichen“ der kleinen Gaststätten und spricht von einer „Erweiterung des Angebots der Sächsischen Weinstraße“. Dabei sind die sächsischen Besenwirtschaften im Vergleich zu denen in anderen Bundesländern – vor allem in Süddeutschland – noch relativ jung. Kurz nach der Gründung der Sächsischen Weinstraße 1992 suchte man ausgehängte Besen noch vergebens. Ihre Tradition reicht jedoch zurück bis zu Karl dem Großen, der den Winzern im 8. Jahrhundert in der Landgüterverordnung den Ausschank eines Teiles ihrer Weine und das Anbieten lokaler Speisen erlaubte. Und damit die Leute wussten, wann es etwas zu kosten gab, wurde der Besen rausgehängt.

Bis heute ist dieses Prinzip dasselbe geblieben. Grund sind die unterschiedlichen Öffnungszeiten der Besenwirtschaften. Während der größte Teil am Wochenende ausschenkt, öffnen andere dagegen schon donnerstags und bleiben dafür sonntags geschlossen. Auch wenn schlechtes Wetter ist, haben viele Straußwirtschaften zu. Hinzu kommt, dass jeder „Besen“ per Gesetz nur an vier Monaten im Jahr öffnen darf. Wie diese aufgeteilt werden, bleibt den Weinbauern überlassen. Viele legen im Hochsommer zum Beispiel einen Pausenmonat ein. Wer wissen will, ob eine bestimmte Besenwirtschaft geöffnet hat, sollte deshalb am besten vorher anrufen. Bei größeren Besuchergruppen öffnen die Schenken für eine Weinprobe dann auch mal in der Woche.

Klassischerweise ist eine Straußwirtschaft sowieso etwas, über das man unterwegs zufällig „stolpert“, wie Bernd Kastler vom Weinbauverband weiß: „Es wandern immer mehr Leute etwas gemächlicher durchs Elbland und auch Weinwanderungen werden immer beliebter – bei Einheimischen genauso wie bei Leuten von weiter her.“ Wanderer stoßen bei ihren Touren durch die Weinberge oft unweigerlich auf einen ausgehängten Besen oder Strauß – und können sich dann spontan für ein Glas echten Sachsenwein in authentischer Kulisse entscheiden.

Besondere Regeln für die „Besen“

Auch die angebotenen Speisen stammen meist aus der Region. Zu aufwendig dürfen sie nicht sein, das schreibt das sächsische Gaststättengesetz vor: „Speisen dürfen nur angeboten werden, wenn es sich um kalte oder einfach zubereitete warme Speisen handelt.“ So gibt es in den meisten Straußwirtschaften kleine Gerichte wie Fettbemmen, verschiedene Wurst, Zwiebelkuchen oder Käsewürfel mit Oliven. Ein Flammkuchen ist da kulinarisch schon das höchste der Gefühle – da ist es auch nicht so schlimm, dass er gar nicht ursprünglich aus Sachsen kommt.

In den Straußwirtschaften des Elblands (siehe Grafik) können Weinfreunde teilweise noch bis Ende Oktober Burgunder, Traminer oder Kötzschber probieren. Ob mitten im Minckwitzschen Weinberg (12) oder im Fachwerkambiente des Jägerhofs im Paradies (13), ob im Weinbergshäuschen von Schloss Proschwitz (2) oder dem umfunktionierten Gewächshaus von Klaus Seifert (17) – wenn der Besen hängt, wird ausgeschenkt.