SZ +
Merken

Big Brother am Dippser Obertorplatz

Hilfe aus der Luft erhielten gestern die Archäologen in Dippoldiswalde. Sie kam von einem Archäocopter.

Teilen
Folgen

Von Marcus Lorenz

Ein leises Surren ist über der archäologischen Ausgrabungsstätte am Obertorplatz zu vernehmen. „Ein bisschen nach links! - Von dir aus!“, ruft Benjamin Gehmlich quer über den Platz. Der Ruf gilt Toni Schiemank. Er lenkt per Fernsteuerung etwas, das gut zehn Meter hoch fliegt und aussieht wie ein Spielzeughubschrauber.

Die beiden jungen Männer, die Warnwesten mit der Aufschrift „Bodencrew“ tragen, sind aber keineswegs zum Spaß hier. Sie studieren Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Und das, was da herumfliegt, ist auch kein Spielzeug, sondern ein Archäocopter. Der soll die Ausgrabungsstätte am ehemaligen Roten Hirsch aus der Luft vermessen.

Dazu hängt unten an diesem seltsam anmutenden Hubschrauber mit vier Rotoren eine hochauflösende Kamera, die das Gelände aus verschiedenen Winkeln filmt. Mit ihren Aufnahmen werden dann die gesamte Grabungsstätte sowie einzelne Fundstellen dokumentiert. Später können damit sogar 3-D-Modelle angefertigt werden.

Seit März fliegt der kleine, bunt leuchtende Archäocopter, der von unten ein wenig an ein UFO erinnert, nun schon über verschiedene Grabungsstätten. Zwar mussten die beiden Piloten erst einige Flugstunden am Simulator nehmen, doch „für einen Programmierer ist das schon ein Spaß. Es ist eben mal etwas ganz anderes“, sagt Toni Schiemank. Irgendwann soll der Archäocopter dann Zettel und Stift ablösen und es den Archäologen ersparen, auf wackelige Leitern klettern zu müssen, um die Fundstellen von oben zu fotografieren.

Der größte Vorteil dieses Verfahrens: Es geht schnell. Und das ist ganz besonders bei Rettungsgrabungen, wie die am Obertorplatz eine ist, wichtig, erklärt Grabungsleiter Matthias Schubert. Nachdem schon bekannt war, dass im Mittelalter Bergbau am heutigen Obertorplatz betrieben wurde, konnten er und sein Team nun auch nachweisen, dass die Kumpel gleich dort siedelten, wo sie auch gearbeitet haben. Wo früher der Rote Hirsch stand, befinden sich die Überreste von zwei mutmaßlichen Grubenhäusern. Das sind im Grunde genommen nur Erdlöcher mit einem Dach darüber, aber doch ein sicheres Indiz für Siedlungsaktivitäten. Wenige Meter daneben stehen Probieröfen, also Anlagen des hochmittelalterlichen Bergbaus.

„Dipps ist schon ganz schön spannend“, sagt Matthias Schubert und sucht einige Keramikbruchstücke von Krügen und anderen Gegenständen hervor. Gegenstände, die man nur braucht, wenn man siedelt. Datieren lassen die sich beispielsweise anhand von Einkerbungen am Henkel oder Markierungen auf dem Boden. „Das sind Modeerscheinungen. Wie, wenn man heute anhand der Klamotten sagen kann, dass ein Bild aus den Achtzigern kommt“, sagt der 34-jährige Freiberger. Daher können er und seine Kollegen mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass der Obertorplatz schon im 13. Jahrhundert bewohnt war.

Das Besondere an dieser Grabung sind weniger die einzelnen Funde als vielmehr ihr Nebeneinander. Technische Anlagen, dazugehörige Keramik, Erze und Siedlungsgegenstände – in Dipps ist alles dabei. „Ganz spektakulär“, meint Matthias Schubert. Das wochenlange Graben, Putzen, Messen, Fotografieren und Beschreiben hat sich also gelohnt.

Im provisorischen Büro des Grabungsteams liegen auf dem Boden, auf Zeitungen verteilt, noch Hunderte von Fundstücken. Die Bedeutendsten davon werden am Sonntag beim Tag des offenen Denkmals ausgestellt. Dann wird auch die Ausgrabungsstätte so vorbereitet, dass man sich die Fundorte selbst ansehen kann. Es ist gut möglich, dass das noch längst nicht alles ist, was in Dippoldiswalde zutage kommt. Matthias Schubert ist sich sicher, dass man nach diesen Funden in Zukunft beim Bauen in Dipps ganz genau hinschauen wird.