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Corona: Kein Rummel, kein Geld

Schausteller Björn Reinhardt aus Heidenau wäre jetzt mit seinen Fahrgeschäften unterwegs. Doch das Veranstaltungs-Aus zwingt ihn zum Stillstand.

Von Thomas Möckel
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Schausteller Björn Reinhardt am eingepackten Fuhrpark: In drei Stunden wäre ich startklar.
Schausteller Björn Reinhardt am eingepackten Fuhrpark: In drei Stunden wäre ich startklar. © Daniel Schäfer

Björn Reinhardt sitzt in seinem Domizil in Heidenau, gleich hinter der Minol-Tankstelle, die Sonne scheint, es ist bestes Veranstaltungswetter. In den großen Unterständen auf dem Grundstück steht eingepackt ein ganzer Rummelplatz, Kinderkarussell, Kettenkarussell, Losbude, Bierwagen, Bowleausschank, alles startklar.

Rummel und Volksfeste bestimmen sein Leben, Reinhardt, Spross einer Zirkusfamilie aus Mecklenburg, führt hier in der Region den größten Schaustellerbetrieb. Normalerweise wäre er jetzt unterwegs, in ganz Sachsen, um die Menschen zu unterhalten, einen anderen Beruf will und kann sich der 37-Jährige gar nicht vorstellen.

Das Karussell stand nur zwei Tage

Doch mit der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen kam für ihn der Halt auf freier Strecke, die Krise verdammt ihn quasi dazu, nichts zu tun, sie zwingt ihn in eine ungewollte Pause. "Für mich fühlt sich das gerade an wie ein schlechter Traum", sagt Reinhardt.

Dass im ersten Quartal eines jeden Jahres nahezu Flaute herrscht, weiß Reinhardt, eine richtige Winterpause kennt er dennoch nicht. Die Fahrgeschäfte und Wagen müssen gewartet und vorbereitet werden, so viel Zeit bleibt dafür gar nicht, im März oder spätestens im April beginnt die neue Saison. Normalerweise.

Für die Rummel-Tage in der Freitaler Kindererlebniswelt "Oskarshausen" hatte er zwar im März schon das Kinderkarussell aufgebaut, doch dann kam die Pandemie, nach zwei Tagen packte Reinhardt alles wieder ein. 

Finanzielles Desaster

Sein nächster großer Auftritt wäre beim Pirnaer Osterzauber gewesen, den Reinhardt selbst mit veranstaltet. Und jetzt, in den Ferien, hätte er auf dem Heidenauer Ostermarkt gestanden. Alles war geplant und vorbereitet, die Plakate waren gedruckt, viel Arbeit hatte Reinhardt investiert. Alles umsonst. "Es ist wirklich schlimm, dass das jetzt alles nicht stattfinden kann", sagt er. 

Die Absage des Pirnaer Stadtfestes kurz vor Ostern, Reinhardt ist dort stets der größte Schausteller, trifft in zusätzlich hart. "Für mich kommt das Aus viel zu früh und überhastet", sagt er. Wenigstens ein kleines Fest an der Elbe hätte es ruhig geben können, auch, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. 

Finanziell ist die veranstaltungslose Zeit für Reinhardts Geschäft ein Desaster. Die letzten größeren Einnahmen stammen vom Pirnaer Weihnachtsmarkt, auf dem Reinhardt mit Fahrgeschäften und Hütten präsent war. Seither ist Ebbe in der Kasse. "Finanziell bin ich eigentlich platt", sagt Reinhardt, "ich verdiene ja gerade nichts."

Mitarbeiter sind in Kurzarbeit

Um die Ausfälle zumindest etwas zu kompensieren, hat er seine drei festen Mitarbeiter, über den Winter saisonbedingt arbeitslos, jetzt in die Kurzarbeit geschickt. Auch die staatliche Hilfe beantragte er inzwischen, Geld ist aber noch keines angekommen. 

Einen Teil seines Fuhrparks meldete Reinhardt vorübergehend ab, um Versicherungsbeiträge und Steuern zu sparen. Einige Fahrzeuge bleiben hingegen angemeldet, weil die Abmeldung teurer wäre, als sie weiterlaufen zu lassen. Zumindest zieht die Versicherung mit und hat zunächst die Beiträge gestundet. "Das hilft erst einmal", sagt Reinhardt, "aber alles auf null setzen kann ich nicht."

Aus eigener Kraft vermag der Schausteller derzeit wenig an der unverschuldeten Krise auszurichten. "Das Schlimme an unserer Branche ist, dass wir nichts produzieren. Wir verdienen nur Geld, wenn wir draußen sind", sagt Reinhardt. Schaustellerei funktioniere nun mal nicht im Homeoffice, Rummel und Fahrgeschäfte müsse man eben erleben. Momentan, sagt Reinhardt, könne man die Krise nur aussitzen. 

Wird es wieder so sein wie früher?

Und in all das erzwungene Nichtstun mischt sich auch die Ungewissheit, ob es nach überstandener Pandemie alles wieder so sein wird wie früher. "Derzeit steht in den Sternen, ob vor allem die kleineren Vereine wie in Lichtenhain oder Lohmen ihre Feste künftig überhaupt noch veranstalten können", sagt Reinhardt. Er hofft jetzt zunächst darauf, dass die Freizeitparks zeitnah wieder öffnen dürfen, damit er wenigstens dort seine Fahrgeschäfte wieder aufstellen kann. 

Generell aber will sich Reinhardt nicht von der Krise unterkriegen lassen, das zeigt schon seine akribische Vorbereitung. Käme jetzt ein Anruf, wäre der Fuhrpark in drei Stunden startklar, dann könnte er überall hinkommen und aufbauen.

Gleichwohl fällt ihm der Anblick derzeit schwer.  Er kann nicht einfach dasitzen und die Wagen anschauen. Um sich abzulenken, geht er spazieren oder Radfahren. Das macht den Kopf frei.

Mit schwarzem Humor durch die Krise

Deprimiert gibt sich Reinhardt allerdings nicht, seine Hoffnung und und seinen Mut bewahrt er sich. "Der Gedanke, mein Geschäft aufzugeben, liegt mir fern", sagt er, " irgendwie geht es immer weiter." Reinhardt hält es auch für ausgeschlossen, dass sein Gewerbe und seine Zunft aussterben. "Dafür", sagt er, "sind wir alle viel zu große Überlebenskünstler."

Behalten hat er auf alle Fälle seinen unerschütterlichen Humor, denn mit Humor, sagt er, lasse sich eine solche Situation trotz aller Anspannung viel leichter ertragen. 

Dass es dabei gelegentlich auch sehr schwarzhumorig zugeht, zeigt Reinhardts neueste Kreation. Er hat Schlüsselbänder anfertigen lassen mit der Aufschrift: "Insolvenz 2020 - ich war dabei".

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