Dann mal ran an die Kochtöpfe

Von Silke Richter
Hoyerswerda. Montagmorgen gegen 5.45 Uhr. Die Stadt scheint noch zu schlafen. Wenig Verkehr auf den Straßen. In den meisten Häusern ist es noch dunkel. In der Lausitzhalle brennt dagegen schon seit einiger Zeit Licht. Durch den Lieferanteneingang geht es eine Treppe hoch – und schon steht man in der Großküche der Firma Saxonia-Catering Ost, die bis zum Betreiberwechsel im März 2017 noch den Namen GFB Catering trug. Drei Frauen sind an diesem frühen Morgen bereits fleißig am Kochen. Eine von ihnen ist Betina Altmann. Die Hoyerswerdaerin arbeitet seit 1994 in dem Betrieb und hat somit von Anfang an Firmengeschichte mitgeschrieben. Dabei wollte die gelernte Köchin eigentlich am liebsten auf einem Schiff arbeiten. „Aber mit der Seetauglichkeit war es dann doch nicht so weit her“, gibt Betina Altmann lachend zu. Sie arbeitete zu DDR-Zeiten in der Gaststätte „Treff-8-Center“ und später in einer Betriebskantine im Tausendmann-Lager.
An ihrer jetzigen Tätigkeit mag sie vor allem die Vielseitigkeit: Neben der alltäglichen Zubereitung von Speisen für Schulen und Kindereinrichtungen obliegt der Saxonia bei Abitur- und Silvesterbällen, Seniorenveranstaltungen und Kulturprogrammen sowie anderen Feierlichkeiten in der Lausitzhalle deren kulinarische Betreuung, bei der die Kundschaft die dabei waltende Kreativität und das daraus resultierende Geschmackserlebnis schätzt.
Würzen „mit vollen Händen“
Kerstin Figula greift jetzt beherzt in den Kräutertopf. Hier wird in anderen Dimensionen gewürzt, als es in der Familienküche der Fall ist. Dabei darf die Köchin getrost ihrem Augenmaß vertrauen, sind doch langjährige Erfahrungswerte ihre „Lehrmeister“. Wie ihre Kollegin Betina Altmann zählt auch Kerstin Figula seit 1994 zum Stammpersonal der Cateringfirma. Die Hoyerswerdaerin hat im ehemaligen Kastanienhof den Beruf der Köchin gelernt, den sie später im Restaurant „Kosmos“ ausübte, bevor sie in Küchen von Kindereinrichtungen arbeitete. Am heutigen Montag stehen zwei Menügerichte auf der Speisekarte: Nudeln mit Tomatensauce und Bohneneintopf. Winterferien. Heißt: mehrere Schulen werden in diesem Zeitraum nicht beliefert; die zu kochende Menge ist also sehr viel geringer als üblich. Das bedeutet aber nicht, dass die drei Damen deshalb weniger zu tun hätten. Denn sonst geht die Arbeit „durch fünf“, aber zwei weitere Mitarbeiter haben sich krank gemeldet. Da gilt es eben, diese Lücke zu schließen.
Kerstin Figula greift jetzt zu einer großen Tüte Nudeln. Zwanzig Kilogramm der Hartweizengrieß-Teigware wandern in den riesigen Kessel, in dem das Wasser kocht. Derweil ziehen aus dem Hintergrund köstliche Röst-Aromen heran, denn im Bräter, der ein paar Meter entfernt steht, brutzeln mehrere große Stücken Schinkenfleisch, dessen Kruste bereits eine goldgelbe Farbe angenommen hat. Kerstin Figula eilt zum riesigen Bräter, um den Schinken zu wenden. Fein geschnitten, werden die saftigen Fleischstreifen später das Nudelgericht verfeinern. Nebenbei wandert Kerstin Figulas geschulter Blick immer wieder in Richtung des anderen Kessels, um den richtigen Garpunkt der Nudeln nicht zu verpassen.
Alles kocht und brutzelt bei ideal eingestellter Hitze jetzt von selbst. Zeit, sich wieder der Tagessuppe zu widmen. Kistenweise werden insgesamt fünfzig Kilogramm gefrorene grüne Bohnen hinzugegeben. Weitere zehn Kilogramm Kartoffeln und noch mal so viel Möhren wandern in die appetitlich duftende Fleischbrühe, Basis für 100 Liter Suppe; etwa 300 Portionen. Die Zutaten werden fast alle als Convenience-Lebensmittel geliefert also küchenfertig (beispielsweise unzubereitetes Tiefkühl-Gemüse) oder sogar gar-fertig („pfann- beziehungsweise kochtopf-reif) – sprich; für große Chargen werden keine Zwiebeln, Kartoffeln oder Gemüse per Handarbeit geschält und zerkleinert. „Das würden die Mitarbeiter zeitlich gar nicht schaffen. Wir bereiten pro Tag, außer an den Wochenenden, immerhin tausende Essen zu. Unser Speiseplan setzt auf gesundes Essen, das sehr vielfältig und abwechslungsreich ist“, erläutert der Geschäftsführer der Saxonia Catering Ost GmbH, David Geier, der sehr stolz darauf ist, dass er sich auf sein Küchenteam immer verlassen kann.
Bei Wünschen sofort reagieren
In der Regel können die Kunden täglich aus vier verschiedenen Angeboten wählen. Zu jedem Menü gibt es als Nebenspeise oder Dessert auch Salat, Frischobst, Joghurt, Kompott oder Quarkspeise dazu.
Immer wieder klingelt das Telefon im Geschäftsführer-Büro. Die Anrufer haben ganz unterschiedliche Anliegen, die aber durchweg einer sofortigen Klärung bedürfen. Jetzt ist es eine Mutti aus der Region Pulsnitz (in der eine weitere Betriebsstätte der Firma betrieben wird): Sie möchte das eigentlich geplante Essen für ihr krankes Kind abbestellen. Kein Problem. David Geier weiß aus Erfahrung, dass solche Anrufe besonders in der kälteren Jahreszeit nicht selten sind und mit einkalkuliert werden müssen. Es lasse sich leider nicht gänzlich vermeiden, am Abend des Arbeitstages Essensreste entsorgen, sprich: vernichten zu müssen. Schon aus hygienischen Notwendigkeiten heraus. „Aber wir versuchen, das so gering wie nur möglich zu halten. Denn Lebensmittel sind wertvoll und kostbar“, beteuert David Geier.
Es geht auch ganz individuell
Es ist jetzt gegen 7 Uhr. Die „Mini-Töpfe“, wie sie in jedem Privat-Haushalt zu finden sind und mit denen Simone Jarosch jetzt hantiert, sehen neben den riesigen Kesseln fast schon niedlich aus – und werfen natürlich Fragen auf. Wie verträgt sich denn das mit den hier zuzubereitenden großen Mengen? Ganz einfach: Es wird auch individuell gekocht. Simone Jarosch ist zuständig für die Zubereitung der Sonderkost, die es aber nur nach Vorlage eines ärztlichen Attestes gibt. Die Hoyerswerdaerin kennt sich mittlerweile dank einer ausführlichen Schulung sehr gut mit der Zubereitung von laktose- (also milchzucker-) freiem Reismehl, Polenta- (Mais-) Grieß, gluten- (klebereiweiß-) freien Nudeln, eiweißarmem Reis und anderen Alternativprodukten aus. Die Gerichte sind für Kinder und Jugendliche gedacht die zum Beispiel an Laktose-Intoleranz leiden, auf Sellerie und Kuhmilcheiweiß allergisch reagieren oder Diabetiker sind.
Überall kocht, dampft und brutzelt es jetzt in Hochform. Die Großküche ist mollig warm. Im Winter ist das ja angenehm, aber im Sommer? Nun, da helfen leichte Shirts aus Baumwolle gegen die Hitze, nennt Simone Jarosch ein Gegenmittel.
Jetzt aber geht’s an „Verkübeln“. Ein Kraftakt für die Frauen, der etwa gegen 8.30 Uhr beginnt, wenn alles fertig gekocht, gebraten, gedünstet ... ist: Das Essen wird mit riesigen Suppenkellen und Schaumlöffeln in die jeweiligen Transport-Behälter gefüllt, damit die verzehrfertigen Speisen möglichst rasch zur bestellt habenden Einrichtung gebracht werden können.
Danach geht es ans große Putzen. Bis zum nächsten Morgen. Bis es in der Großküche wieder dampft, brutzelt und kocht.