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So verändert sich der Zittauer Stadtrat

Die AfD ist der große Sieger, CDU, SPD und Linke verlieren zum Teil deutlich. Doch was bedeutet das nun für die kommenden fünf Jahre? Eine Analyse.

Von Thomas Mielke
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Das sind die Mitglieder des neuen Stadtrates. Es fehlen Sabine Fiedler und Bernd Dittmann von der AfD.
Das sind die Mitglieder des neuen Stadtrates. Es fehlen Sabine Fiedler und Bernd Dittmann von der AfD. © SZ-Montage: Thomas Christmann

(In den Artikel ist jetzt die inzwischen eingegangene Stellungnahme der CDU eingearbeitet.)

Es ist ein Erdrutschsieg für die Alternative für Deutschland. Nachdem die Partei vom rechten Rand 2014 noch wegen Fehlern bei der Nominierung gesperrt wurde, hat sie am Sonntag mit deutlichem Vorsprung gewonnen und zieht erstmals und gleich als stärkste Kraft in den Zittauer Stadtrat ein. Sieben der 26 Sitze hat sie zu Beginn der neuen Legislaturperiode ab Sommer inne. Ihre Räte einberechnet, ziehen insgesamt 13 neue in den Stadtrat ein. Damit ist jeweils genau die Hälfte aller Sitze mit erfahrenen und neuen Räten besetzt. Der Gemeindewahlausschuss hat das Ergebnis vor knapp zwei Stunden  offiziell festgestellt.

Die Stadtratssitze teilen sich die AfD, Zkm, CDU, Linke, FUW, FBZ, FDP und Grüne. Damit dürfte klar sein, dass es keine verlässlichen Mehrheiten geben wird. "Durch die neue Zusammensetzung sind wieder neue Konstellationen und Wege der Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen möglich", teilte Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) auf SZ-Anfrage mit. "Ich rechne weiterhin mit themenbezogenen wechselnden Mehrheiten." Ein Durchwinken von Beschlussvorlagen - egal, ob von der Verwaltung oder Ratsfraktionen - ist damit praktisch ausgeschlossen. "Es kommen relativ viele neue Ratsmitglieder hinzu", so der OB.  "Daher erwarte ich, dass es ein wenig Zeit brauchen wird, bis der neue Stadtrat und seine Mitglieder sich in den verschiedenen Gremien eingearbeitet haben." Er hofft, dass nicht alles Bisherige grundsätzlich in Frage gestellt wird, und geht davon aus, dass alle daran arbeiten, die Stadt gemeinsam weiterzuentwickeln. Dabei "bin ich sehr gespannt, wie diejenigen, die sich bisher und im Wahlkampf vor allem auf die überregionalen politischen Themen konzentriert haben, nun die lokale Zusammenarbeit verstehen", so der OB.

Zu den großen Verlierern der Wahl gehören SPD und CDU. Die Sozialdemokraten verlieren ihre letzten zwei Sitze und sind gar nicht mehr vertreten. Die Christdemokraten setzen ihren schon vor Jahren begonnenen Sinkflug fort. Ebenfalls nicht mehr vertreten ist die rechtsextreme NPD. Vor fünf Jahren waren mit Antje und Torsten Hiekisch zwei Vertreter in den Stadtrat eingezogen. Sie lösten sich schon während der Legislatur von der Partei, firmierten für ein Bürgerbündnis und verzichteten nun auf eine erneute Kandidatur.

Die Wahlbeteiligung lag mit 57,1 Prozent laut Gemeindewahlleiter Thomas Mauermann um fast 15 Prozent höher als vor fünf Jahren. 

Und das sagen die Ergebnisse im Einzelnen:

AfD: Bisher hat keiner Erfahrung

Sieben ihrer acht Kandidaten hat die Alternative für Deutschland in den Stadtrat gebracht. Fast jeder vierte Zittauer Wähler gab der Partei vom rechten Rand seine Stimme. Spitzenkandidat Jörg Domsgen und Frank Figula fuhren mit 2.208 und 1.840 Stimmen die besten Einzelergebnisse ein. Domsgen geht davon aus, dass auch Bernd Dittmann die Wahl annimmt. Der Rentner wollte noch kurz vor der Wahl seine Kandidatur wegen gesundheitlicher Probleme zurückziehen. Zwei der Räte sind Frauen. Damit hat die AfD - abgesehen von Zkm - die einzigen Frauen in ihren Reihen. Keiner der sieben neuen Stadträte hat bisher ein politisches Mandat ausgeübt.

"Jetzt haben wir viel zu tun", sagte heute ein gut gelaunter Jörg Domsgen und dankte den Zittauern für das entgegengebrachte Vertrauen. "Das erste große Ziel ist, die Kulturhauptstadtbewerbung auf allen Ebenen zu einem Erfolg, vor allem aber nicht zu einem finanziellen Desaster für die Stadt zu machen." Als zweite wichtige Aufgabe nannte der Wirtschaftsberater auf SZ-Anfrage die Konsolidierung des Zittauer Haushaltes.

Die AfD-Stadträte: Jörg Domsgen, Andreas Wiesner, Sabine Fiedler, Janine Dölle, Steffen Kern, Bernd Dittmann, Frank Figula

Zkm: OB-Ehefrau und Schkola-Chefin ziehen ein 

Die freie Wählervereinigung "Zittau kann mehr" von Oberbürgermeister Thomas Zenker bleibt zweitstärkste Kraft im Stadtrat - bisher hinter der CDU, nun hinter der AfD. "Wir haben unsere absoluten Stimmen im Verhältnis zur Wahl von 2014 um 20 Prozent steigern können", teilte Spitzenkandidat Thomas Schwitzky, der selber das viertbeste Ergebnis aller 80 Kandidaten holte, auf SZ-Anfrage mit und dankte den Zittauern. "Diesen deutlichen Zuwachs an Stimmen dürfen wir als Bestätigung unserer Sacharbeit im Stadtrat sehen. Das ist ein richtig gutes Ergebnis." Schwitzky erkennt das Votum der Wähler zugunsten der AfD an und gratuliert der Partei. Ihm ist klar, dass Mehrheiten nur über Fraktionsgrenzen zustande kommen werden: "Die Wähler haben uns allen also ein Miteinander im Stadtrat aufgegeben. Dafür steht Zkm gern bereit."

Statt wie bisher mit vier sitzt Zkm nun mit fünf Mitgliedern im Stadtrat. Drei ziehen wieder ein. Dazu kommen Schkola-Chefin Ute Wunderlich und die Ehefrau des OB, Anke Zenker-Hoffmann. Stadtrat Thomas Krusekopf, der ursprünglich mal für Zkm unterwegs war, sich später aber aus dem Verein zurückzog und ungebundener Fraktionschef der Fraktion von FUW/FBZ/FDP wurde, ist genau wie Theaterintendantin Dorotty Szalma  nicht erneut angetreten. Damit ist die Zkm-Fraktion mit einem Mann und vier Frauen die mit Abstand weiblichste.

Die Zkm-Stadträte: Thomas Schwitzky, Annekathrin Kluttig, Martina Schröter, Ute Wunderlich, Anke Zenker-Hoffmann

CDU: Der Sinkflug geht weiter

2009 haben die Christdemokraten noch neun Sitze im Stadtparlament errungen, 2014 waren es sieben. Nun sind es vier. Das reicht noch, um drittstärkste Kraft im Stadtrat zu werden. "Wir bedanken uns sehr bei unseren Wählern, die uns als CDU in Zittau trotz schwieriger politischer Zeiten das Vertrauen ausgesprochen haben", teilte Michael Meaubert, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Zittau, mit. "Andererseits bedauern wir es sehr, dass große Teile der Wählerschaft unsere kontinuierliche Arbeit im Stadtrat der Stadt Zittau nicht ausreichend gewürdigt haben. Der Verlust der Mandate ist schmerzlich." Den Einzug der AfD in den Stadtrat haben die Christdemokraten erwartet. "Dass sie jedoch gleich größte Fraktion wird, ist bitter. Zunächst jedoch sind es Einzelpersonen, die gewählt wurden. Wir werden genau hinschauen, wie sie sich in die Stadtratsarbeit einbringen werden." Die CDU freut sich dagegen, dass sich die Zittauer mit großer Mehrheit für die Kulturhauptstadt-Bewerbung ausgesprochen haben.

Spitzenkandidat Thomas Zabel holte das drittbeste Einzelergebnis. Neu dabei ist der umtriebige Bundespolizist Klaus Reepen aus Schlegel, der bisher vor allem mit seinen Immobilien-Aktivitäten öffentlich in Erscheinung trat. Nicht mehr dabei sind der langjährige Fraktionsvorsitzende Andreas Johne, Wittgendorfer Ortsbürgermeister Frank Härtelt, der Schlegeler Ortsbürgermeister Frank Sieber und Gerd Witke. Bis auf Witke haben die Ausgeschiedenen nicht erneut kandidiert. 

Die CDU-Stadträte: Thomas Zabel, Oliver Johne, Dietrich Glaubitz, Klaus Reepen

Die Linke: Kontinuierlich bergab

Auch die Linke befindet sich im Vergleich zu 2009 und 2014 im Sinkflug. Statt fünf und vier Sitze sind es nun nur noch drei. Rund ein Viertel der Stimmen haben die Sozialisten gegenüber 2014 eingebüßt. "Der Verlust eines Sitzes im Stadtrat ärgert uns", teilte Spitzenkandidat Jens Hentschel-Thöricht, der mit 1.379 Stimmen das sechstbeste Einzelergebnis holte, auf Anfrage mit. "Gleichzeitig ist es Auftrag, linke Sozialpolitik für die Menschen besser greifbar zu machen." Dass die AfD stark werden würde, hat der er erwartet. " Nun werden die gewählten AfD–Mitglieder beweisen müssen, ob sie tatsächlich kommunale Sachpolitik leisten wollen und können."

Rainer Harbarth, langjähriger Fraktionsvorsitzender und seit der Wende im Stadtrat, ist nicht wiedergewählt worden. Ramona Gehring war nicht erneut angetreten. Rentner Winfried Bruns hat es erneut geschafft, Diplomingenieur Michael Schostek ist erstmals dabei.

Die Linken-Stadträte: Jens Hentschel-Thöricht, Winfried Bruns,  Michael Schostek

FUW: Thiele ist Alterspräsident

Die Freien unabhängigen Wähler von Dietrich Thiele haben ein Drittel mehr Stimmen als vor fünf Jahren eingefahren und nun drei statt zwei Sitze im Stadtrat. Der Fleischermeister in Rente - Jahrgang 1943 - zieht selbst auch erneut ein und ist damit unangefochten Alterspräsident des Gremiums. "Mit Dankbarkeit haben wir das hervorragende Wahlergebnis zur Kenntnis genommen, natürlich steckt eine immense und akribische Kleinarbeit aller Mitglieder dahinter", teilte er mit. Das starke Abschneiden der AfD hat er - wenn auch nicht in dieser Höhe - erwartet. "Die Analysen dazu und deren Hintergründe sollten bei den etablierten Parteien hinterfragt und ausgewertet werden, uns steht ein Kommentar nicht zu." Der Wähler habe entschieden. Das Ergebnis sei zu akzeptieren. "Es gehört eben auch zur Demokratie, so ein Wahlergebnis zu respektieren und die AfD aufzufordern, eine vernünftige Sacharbeit im Sinne unserer Bürger zu leisten." Die Konstellation im neuen Stadtrat berge Risiken, aber auch Chancen, da es eine komplett geänderte Arbeitsweise der agierenden Stadträte geben wird. 

Neben Thiele sitzen ab Sommer der frühere Sparkassen-Chef Andreas Mannschott, der wiedergewählt ist, bisher aber auf der Liste der Freien Bürger stand, und Wolfgang Wauer, in Zittau unter anderem als DJ Woll-E und als Weihnachtsmann bekannt. Nicht mehr dabei ist der Eichgrabener Ortsbürgermeister Sven Ehrig. Er trat dieses Mal für die FDP an, bekam aber nicht genug Stimmen. 

Die FuW-Stadträte: Dietrich Thiele, Andreas Mannschott, Wolfgang Wauer

© Thomas Christmann

FBZ: Walkstein kehrt zurück

Die Freien Bürger Zittaus, die Wählervereinigung des ehemaligen Oberbürgermeisters Arnd Voigt, sind weit von ihrer Glanzzeit vor 15 Jahren entfernt. Allerdings haben sie rund 450 Stimmen mehr als 2014 und damit wieder zwei Sitze geholt. "Wir hätten uns mehr gewünscht", sagte Thomas Kurze, Spitzenkandidat und langjähriger FBZ-Stadtrat, der SZ. Angesichts der Stimmenzahl und eines Sitzes im Hirschfelder Ortschaftsrat sei das Ergebnis aber insgesamt besser als 2014 ausgefallen. Kurze erkennt das Votum der Wähler für die AfD an und ist nun gespannt, "wie sich die AfD im Stadtrat bewegen wird". Da eine Fraktion mit ihren Sonderrechten mindestens drei Stadträte braucht, müssen sich die FBZ auf die Suche begeben. Noch sind aber laut Kurze keine Gespräche geführt.

Neben Kurze sitzt Thorsten Walkstein. Der Freiberufler, der in letzter Zeit unter anderem durch seine Bemühungen um "Ring on Feier" öffentlich in Erscheinung getreten ist, hat bereits Erfahrung und zieht nach einer Legislaturperioden-Pause wieder in den Stadtrat ein. Bisher sitzt da noch Andreas Mannschott für die FBZ. Er kandidierte dieses Mal aber für die FuW.

Die FBZ-Stadträte: Thomas Kurze, Thorsten Walkstein

FDP: Gullus schafft es erneut

Neu-Lehrer Jörg Gullus sitzt wieder im Stadtrat, erneut für die FDP. Die anderen Kandidaten der Freien Demokraten - inklusive des Eichgrabener Ortsbürgermeisters Sven Ehrig, der bisher für die FuW im Stadtrat saß - schaffen das nicht. Dazu, wie er nun in Bezug auf eine Fraktionsmitgliedschaft weitermacht, teilt Gullus mit: "Ich werde die weitere Vorgehensweise mit meinen Parteifreunden besprechen und dann eine Entscheidung treffen."

Der FDP-Stadtrat: Jörg Gullus

Grüne: Kein Höhenflug wie in den Großstädten

Bündnis 90/ Die Grünen haben zwar fast doppelt so viele Stimmen wie vor fünf Jahren eingefahren, zu einem Höhenflug wie in den Großstädten reicht es aber nicht. Es bleibt bei einem Sitz im Stadtrat, den wieder Matthias Böhm einnimmt. "Das bündnisgrüne Ergebnis ist mit 5,4 Prozent vor dem Bundestrend etwas enttäuschend, wenn man meinen Einsatz als Stadtrat in den letzten zehn Jahren betrachtet: In den Sitzungen habe ich regelmäßig durch konstruktive Anträge versucht, unsere Stadt nachhaltig zu gestalten", so Böhm. Er will nicht fraktionslos bleiben, da aber das bisherige Bündnis mit der SPD nicht mehr möglich ist, will er sich neu orientieren. Das Ergebnis der AfD findet Böhm "erschreckend". "Die Partei hat zu den großen Problemen unserer Gesellschaft bislang „billige“ oder keine Lösungen angeboten, zum Beispiel durch schlichtes Leugnen des Klimawandels", so der Grüne.

Der Grünen-Stadtrat: Matthias Böhm

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