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Das Bienendorf Oberlichtenau

An der Pulsnitz ist die Imkerdichte besonders hoch. Jetzt will das Dorf in die Offensive gehen.

Von Reiner Hanke
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Bienen sind die Leidenschaft von Daniel Queißer. Mit dem Hobby ist er nicht der einzige Oberlichtenauer. Die Biene spielt in dem Pulsnitzer Ortsteil eine besondere Rolle.
Bienen sind die Leidenschaft von Daniel Queißer. Mit dem Hobby ist er nicht der einzige Oberlichtenauer. Die Biene spielt in dem Pulsnitzer Ortsteil eine besondere Rolle. © René Plaul

Oberlichtenau. Die Bayern wollen mit einem Volksbegehren die Bienen retten. Das sorgte jetzt für Schlagzeilen. Die Oberlichtenauer haben schon längst damit angefangen. Das ist kaum zu übersehen. Etliche kleine Schilder sind ein Indiz dafür. Die sind immer wieder an Grundstücken links und rechts der Straße zu entdecken: Honig direkt vom Imker. Bei Daniel Queißer steht der Hinweis auch auf dem Klingelknopf. Er ist 1. Vorsitzender des Imkervereins.

Es heiße sogar, sagt er, Oberlichtenau habe die größte Imkerdichte Sachsens. Das könnte dann auch auf die Bienendichte pro Einwohner in den Bienenstöcken oder Beuten, wie der Imker sagt, und auf den Blüten zutreffen. Zwischen 8 und 9 Millionen kommen im Mai auf die 1.300 Einwohner und 30 Imker. Kein Wunder also, dass sich Oberlichtenau nun auch ganz offiziell einen Namen als bienenfreundliches Dorf machen will.

 Hintergrund ist das Dorfkonzept. Das hat sich Oberlichtenau erst vor ein paar Wochen als dörflichen Fahrplan für die Entwicklung gegeben, mit Ideen, Leitsätzen, Vorhaben von Kultur bis Wirtschaft. Da wird auch herausgearbeitet, was der Ort so alles zu bieten hat. Das ist natürlich einiges, die Musik zum Beispiel mit den Oberlichtenauer Spielleuten. Was das Dorf aber anderen Kommunen voraus hat, ist die große Leidenschaft für die kleinen Insekten.

Aktion gestartet

„Oberlichtenau ist eine bienenfreundliche Kommune“, heißt es deshalb. Das sei (noch) keine Auszeichnung, sondern eine Aufgabe für die Oberlichtenauer, erklärt Daniel Queißer, während er bei seinen Bienen nach dem Rechten sieht. Wegen des milden Februar-Wetters sind die sogar schon am Morgen ganz aus dem Häuschen. Und das im doppelten Sinne: Es summt und schwirrt vor dem Bienenstock in der Sonne. Manche Biene streckt noch vorsichtig ihre Fühler in die Morgenluft. Andere kehren schon wieder heim von einem Krokus mit dicken Pollenhöschen.

Daniel Queißer ist zufrieden mit dem Start in die Bienensaison. Dabei ist der 41-jährige Wirtschaftsinformatiker noch gar nicht so lange dabei. Vor vier, fünf Jahren startete er. Genau könne er nicht sagen, wie er damals zum Neuimkerkurs gekommen ist. Wahrscheinlich so: Wer in Oberlichtenau wohnt, kommt nicht um die Imkerei drumherum. Vielleicht spielte auch die Liebe zum Honig mit. Der steht in der Familie immer auf dem Frühstückstisch. Familiär vorbelastet ist er auch. Der Urgroßvater war Imker. Vielleicht liegt das Bienenhobby ja in den Genen.

Wobei es den Oberlichtenauern mit ihrer Initiative letztlich nicht nur allein um die Honigbiene gehe, sondern um die Insekten an sich. Oberlichtenau will mehr für den Schutz dieser nützlichen Lebewesen und den Erhalt der Umwelt tun – mit der Biene als Symbol. Jeder könne dazu beitragen, sagt Daniel Queißer: Im Garten den Rasen rauswachsen lassen oder eine Blühwiese anlegen. 

Dazu passt die Aktion „Jetzt blüht dir was“, die Oberlichtenauer Imker gestartet haben. Eine Banderole auf den Honiggläsern der Imker weist darauf hin, das 10 Cent vom Verkaufspreis des Glases in den Insektenschutz fließen. Dafür gibt‘s zum Honig ein Tütchen mit Samen für blühende Wiesen: „Die Nachwuchsimker von der Arbeitsgemeinschaft Junge Imker haben die Tütchen abgefüllt. Bei uns greift eines ins andere.“ Am Jahresende werde entschieden „wie wir das Geld einsetzen“, sagt Queißer.

Insekten brauchen Nisthilfen

Nisthilfen für Nutzinsekten seien ein schöner Beitrag, um etwas gegen das Insektensterben zu tun. Die Gärtnerei Bellmann im Dorf wolle jetzt einen Bereich mit besonders insektenfreundlichen Pflanzen einrichten. Kommunen könnten auf Pestizide verzichten. Es sei heutzutage einfach alles viel zu sauber und aufgeräumt. Es gebe kaum Misthaufen oder schlammige Wege mit Pfützen. Im März laden die Imker zu einer Auftaktveranstaltung fürs Bienendorf ein. Dort wird eine Fachfrau noch mehr Tipps für Insektenfreunde geben.

Der Imkerverein in Oberlichtenau hat inzwischen knapp 50 Mitglieder, auch aus Nachbarkommunen im Alter von 27 bis 82 Jahren. Bei den Treffen im alten Melkhaus sei immer gut was los, freut sich Queißer. Der Verein biete auch regelmäßig Kurse an, so würden immer wieder ein paar Leute dabeibleiben. Und bei so manchem Imker wachsen die Kinder und Enkelkinder ins Hobby. Das ist kaum verwunderlich. Denn: Den Verein gibt es seit 1964, aber die AG Junge Imker sogar noch länger, seit den 1950er-Jahren und bis heute.

Bienen bringen Ruhe

Auch Daniel Queißer haben die Bienen nicht mehr losgelassen – obwohl der Start sehr turbulent war. Noch während des Neuimkerkurses flogen die ersten Bienenvölker bei ihm ein. Gleich acht aus einem Nachlass. „Ich war damit anfangs total überfordert, habe aber zum Glück große Unterstützung erfahren“, erinnert er sich. 

Nach den Turbulenzen der Anfangszeit bringen ihn die Bienen jetzt immer wieder zur Ruhe. Die sei auch sehr wichtig, „sonst setzt es den einen oder anderen Stich mehr“, sagt er und schmunzelt. Für ihn sei das Hobby ein schöner Ausgleich zur Hektik im Beruf. Für die Bieneninitiative ist es jetzt wichtig, viele Oberlichtenauer für das Thema zu begeistern und diese Liebe zum Insekt hinauszutragen. Denn, was die Bayern können, können doch die Sachsen allemal und sorgen jetzt in Oberlichtenau für Schlagzeilen.

Die öffentliche Auftaktveranstaltung „Bienenfreundliches Oberlichtenau“ findet am 13. März von 18.30 bis 21 Uhr im Saal des Sport-und Freizeitzentrums, Keulenbergstraße 6 in Oberlichtenau statt. Dr. Melanie von Orlow, promovierte Biologin und Expertin für Wildbienen, referiert über die Wichtigkeit von Insekten und erläutert konkrete Maßnahmenvorschläge, die jeder zu Hause umsetzen kann.