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Das Ende des Bankräubers Kanone

Der Leipziger Endrik P. nahm sich nach einem Überfall das Leben. Wohl auch aus Scham, weil er wieder erwischt wurde.

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© dpa

Von Thomas Schade

Im Justizvollzug von Dessau-Roßlau steigt die Selbstmordrate. Erst Mitte September hatte sich in dem roten Backsteinbau ein Familienvater aus Bitterfeld das Leben genommen, der beschuldigt worden war, seine Frau und seinen elfjährigen Sohn umgebracht zu haben. Am Donnerstag fanden die Bediensteten beim allmorgendlichen Zellenaufschluss einen 41-jährigen Sachsen. Er hing tot in seiner Einzelzelle. Mord schließt die Polizei aus.

© A. Bischoff

Bei diesem Toten handelt es sich um Endrik P, im Leipziger Milieu und bei der Polizei besser bekannt als Kanone. Er hatte kein Menschenleben auf dem Gewissen, dennoch drohten dem 41-Jährigen einige Jahre Gefängnis. Das dürfte dem Leipziger klargeworden sein in den beiden Tagen, die er gerademal in U-Haft saß. Wie die Behörden in Sachsen-Anhalt mitteilten, galt Endrik P. nicht als suizidgefährdet. Er habe keinen Abschiedsbrief hinterlassen.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Endrik P. in eine akute Depression verfallen war – übermannt von der Scham darüber, dass er als Bankräuber erwischt wurde, dass seine Freundin nun ein völlig anderes Bild von ihm bekommen würde und dass das schöne Leben, das er so liebte, für Jahre vorbei sein würde. Eine Woche zuvor hatte er noch auf Mallorca gefeiert, zusammen mit seiner Verlobten, mit der er offenbar eine Familie gründen wollte. Nun hinterlässt er die junge Frau, die in Dresden lebt.

Kanone war vergangenen Montagnachmittag von einem Einsatzkommando der Hallenser Polizei festgenommen worden – wenige Stunden nach einem Überfall auf die Sparkassenfiliale im nordsächsischen Dahlen. Fahnder hatten den Fluchtwagen in Leipzig entdeckt. Wenig später legten sie Kanone vor seiner Haustür in der Eisenbahnstraße Handschellen an.

In Dahlen hatte der 41-Jährige kurz vor der Mittagspause maskiert den Schalterraum betreten, die zwei Mitarbeiter mit einer Pistole bedroht und Geld gefordert. Zeugenaussagen zufolge floh er in einem schwarzen 5er-BMW mit Hallenser Kennzeichen. Der wurde schnell als gestohlen erkannt. Nach der Festnahme fand die Polizei im Auto die Beute von mehreren Zehntausend Euro und die Waffe, mit der er die Sparkassen-Mitarbeiter bedroht haben soll. Bei der Durchsuchung der Wohnung entdeckte die Kripo weitere Beweismittel.

Im Haftbefehl geht die Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt davon aus, dass der 41-Jährige mindestens zwei weitere Überfälle begangen hat. So legt sie ihm einen Überfall auf die Sparkasse in Roitzsch am 9. September zur Last, ebenso einen Überfall am 25. September auf eine Bankfiliale in Krumpa im anhaltinischen Saalekreis. Zudem werde geprüft, ob er für drei weitere Überfälle im Landkreis Anhalt-Bitterfeld verantwortlich war. Nach Polizeiangaben erbeutete Kanone bei den nachgewiesenen Straftaten mehr als 100 000 Euro und bestritt davon seinen Lebensunterhalt.

Pinkelattacke mit Folgen

Glaubt man, was Endrik P. auf seinem Facebook-Account veröffentlichte, so liebte der große, bullige Mann mit den blonden kurzen Haaren außer seiner Freundin vor allem teure Autos, reiste und feierte gern. So postete er drei Tage vor dem Überfall in Krumpa vom Oktoberfest in München.

Auch die Leipziger Polizei war dem Mann aus dem Milieu der Eisenbahnstraße auf der Spur. „Die Schlinge um ihn zog sich langsam zu“, heißt es. Der Fahndungserfolg nach dem Raub in Dahlen habe den Fall nur beschleunigt. Was ihm die Behörden in Sachsen vorwerfen, soll nicht bekannt werden. Der Tod eines Verdächtigen beendet in der Regel die Ermittlungen.

Endrik P. war hinlänglich polizeibekannt. 2007 hatte er versucht, bei den Hells Angels Fuß zu fassen, die wollten ihn nicht. In der Kutte eines Bandidos pinkelte er zwei Jahre später vor das Tor des Leipziger Angels-Clubhauses und ließ sich dabei filmen. Wenige Tage später lag er mit einem Stich im Bauch und gebrochenem Arm im Krankenhaus, verriet aber nicht, ob es die Vergeltung für seine Pinkelattacke war. Im November 2010 verurteilte ihn das Landgericht wegen Brandstiftung zu 22 Monaten Haft auf Bewährung, weil er im Leipziger Disko-Krieg versucht hatte, das Haus des Chefs der Security-Firma Black Rainbow mit einem Molotowcocktail anzuzünden. Nach einem Überfall auf einen Supermarkt in Rostock 2012 wurde Kanone schließlich im Fluchtauto geblitzt, einem Leihwagen, der auf seinen Namen angemietet war. Man erkannte Kanones markantes Gesicht. Er sollte einfach kein Gangster sein.