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Das Görlitzer Jugendhaus ist eine feste Burg

Freimaurer bauten das Haus, das bald Wartburg hieß und 1934 zur Kirche kam.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ralph Schermann

Die Wartburg gibt es nicht nur in Eisenach. Eine feste Burg im christlichen Glauben ist sie auch in Görlitz. Das war in der Berliner Marienkirche vier Monate lang zu sehen: Eine Schautafel zeigte innerhalb einer großen Ausstellung jene Kellerkirche, mit der die Görlitzer Wartburg Geschichte schrieb. Aber erst später, denn alles liegt länger zurück. Also der Reihe nach:

Mit dem Jugendhaus Wartburg ist Ulrich Warnatsch schon seit 1965 verbunden. Der ehrenamtliche Vorsitzende des Trägervereins weiß viel über die Geschichte des Hauses zu berichten, die im 19. Jahrhundert begann. Fotos: Pawel Sosnowski
Mit dem Jugendhaus Wartburg ist Ulrich Warnatsch schon seit 1965 verbunden. Der ehrenamtliche Vorsitzende des Trägervereins weiß viel über die Geschichte des Hauses zu berichten, die im 19. Jahrhundert begann. Fotos: Pawel Sosnowski © Pawel Sosnowski/80studio.net

Görlitz schrieb den 17. April 1864. Damals, vor 150 Jahren, weihte die Freimaurerloge „Zur gekrönten Schlange“ auf der Kahle 21, der heutigen Johannes-Wüsten-Straße, ihr neues Logenhaus ein. Dieses Haus ist im eigentlichen Sinne der heutige Saal. Alle anderen Erweiterungen wurden Schritt für Schritt ringsum angebaut, sodass bald eine Außenmauer um die andere kam und der Begriff einer Burg dazu.

1934 wurde das Haus an die evangelische Kirche verkauft. Die Freimaurer besaßen es also 70 Jahre, bis sie von den Nazis verboten wurden. Die Kirche nutzte es für mehrere Zwecke, und 1965 begann Dietrich Heise seine Idee von einem Jungscharheim umzusetzen: Er räumte dafür die bis dahin ungenutzten Keller leer. „Das war meine erste Begegnung mit dem Haus“, erinnert sich Ulrich Warnatsch, damals elf Jahre alter Jungscharler, heute Regionaljugendwart, Religionslehrer und seit 1992 ehrenamtlich der Vorsitzende vom Trägerverein des Jugendhauses Wartburg: „Wir haben Steine geklopft, Schutt abgefahren und letztlich Räume geschaffen, die die Nutzer irgendwann nur noch Kellerkirche nannten.“ Eine so tolle Jugendarbeit sprach sich herum, wurde in Kirchenkreisen deutschlandweit als Modellbeispiel gelobt, das auch 2013 noch zu besagter Berliner Ausstellung anerkennende Erinnerung findet. Dietrich Heise korrespondierte auch mit Angehörigen Dr. Martin Luther Kings, dessen Namen das Jugendheim sich gab. Und weil die Kellerkirche so überaus bedeutsam war, blieb das Haus auch in kirchlicher Hand, als es den einstigen Parochialverband als Hausherrn nicht mehr gab.

Seit 1992 ist ein Verein aus CVJM, Kirchenkreis, Stadtjugendarbeit und Einzelpersonen Träger des 2 000 Quadratmeter umfassenden Jugendhauses. Neben der Kellerkirche öffnete 1995 das Café Domiziel, wurde die ehemalige Hausmeisterwohnung zur Pension, besteht seit 1945 eine Kindertagesstätte. Ein großer Saal, zwei kleine Säle und das Dietrich-Heise-Zimmer als Vereinsraum stehen für Veranstaltungen aller Art zur Verfügung, es gibt Räume für die Wohngemeinschaft internationaler Freiwilligendienste, und sogar ein Sportplatz schließt sich an das Gebäude an. Ein eigenes kleines Blockheizkraftwerk liefert Wärme und Energie, und in diesen Tagen wird ein Fahrstuhl eingebaut. Ulrich Warnatsch meint sicher nicht nur diesen Lift, wenn er sagt: „Es geht weiter aufwärts.“

Das Jugendhaus Wartburg und die Dietrich-Heise-

Schule (Otto-Müller-Straße 1) laden auch aus Anlass des Jubiläums am 17. Mai zu einem Tag der offenen Türen ein.