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Das große Krabbeln

Tausende Kartoffelkäfer wandern in Meuselwitz vom Acker zu den Häusern.

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© Constanze Junghanß

Von Constanze Junghanß

Tausende kommen vom Feld über die Straße. Wie eine Miniarmee rücken die Sechsbeiner vor. Auf dem Asphalt liegen von Autoreifen plattgedrückte Käfer. Doch der Großteil schafft es über den Straßenbelag, hin zu der kleinen Häusersiedlung in Meuselwitz kurz vor dem Ortseingang Schöps. „Das ist eine richtige Invasion“, zeigt Birgit Junge auf die Hauswände. Dort krabbeln und kriechen Massen von Kartoffelkäfern bis unter die Giebel.

Weiter kommen sie nicht und lassen sich fallen. Sekündlich macht es „Klack, Klack“, wenn die schwarzgelbgestreiften Insekten einige Meter nach unten plumpsen. Unter den Schuhen knirscht es auf der Wiese. Überall die Käfer. „Unsere Laufenten und auch die Hühner interessieren sich kein bisschen für die Kartoffelkäfer“, sagt die 59-Jährige. Ebensowenig die Vögel. Kein Wunder: In Europa hat der Schädling keine natürlichen Fressfeinde.

Der Tomatenpflanze bei Familie Junge sieht man nicht mehr an, was sie mal war. Alle Blätter abgefressen. Und statt dem Stängel, der nicht mehr zu sehen ist, reihen sich Käfer an Käfer wie an einer Perlenschnur. Eigentlich sieht das sogar beinahe hübsch aus. Doch das große Krabbeln hat seine Nachteile: Nachtschattengewächse, wie Tomaten oder Kartoffeln, werden von den Larven des Kartoffelkäfers ratzekahl leer gefressen. Ihren Weg bis in die Häusersiedlung nahmen die Tiere vom gegenüberliegenden Kartoffelacker auf. „Dort wurde jetzt vom Bauern das oberirdische Kraut entfernt. Sie suchten sich wohl eine neue Nahrungsquelle“, vermutet Frau Junge.

Dass die im Schnitt etwa einen Zentimeter großen Insekten ab und an im Garten zu finden sind, sei nicht ungewöhnlich. „Aber wir wohnen jetzt schon 24 Jahre hier. So eine Riesenmenge auf einmal gab es noch nie“, erzählt die Meuselwitzerin.

Das Auftreten des Kartoffelkäfers ist in diesem Jahr sachsenweit auf höherem Niveau als in den Vorjahren. Die Kartoffelbestände seien örtlich neben Kartoffelkäfern auch mit deren Larven befallen. Darüber informierte bereits Ende Juni die Landwirtschaftsseite des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft in einem Ratgeber im Internet.

Beim Bauernverband Oberlausitz ist momentan allerdings keine Kartoffelkäferplage in der Region bekannt. Rainer Peter vom Verband sagt, dass die Anbaufläche von Kartoffeln gegenüber den Vorwendezeiten insgesamt auch stark zurückgegangen sei – auf etwa ein Zehntel. „Im konventionellen Anbau werden zudem gegen solche Schädlinge angemessene Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen.“ Dass die Käfer die Äcker verlassen und so vehement in den privaten Bereich dringen, ist auch für Rainer Peter neu.

Vielleicht habe die Fassadenfarbe die Tiere mit angelockt? Auf Gelb stehen Insekten, und auch Weiß werde nicht verachtet. Weiß und Gelb sind die Häuser im betroffenen Bereich in Meuselwitz. Nach einigen Tagen werde sich das Problem bei den betroffenen Grundstückseigentümern sicherlich gelöst haben, vermutet Rainer Peter.

Aufpassen sollte man jedoch, dass sie keine Eier legen, aus denen sich dann wieder Massen an Engerlingen entwickeln. Immerhin legt ein Weibchen mehrere Hundert Eier. Vielleicht ziehen die Gliedertiere aber auch von alleine wieder ab. Coloradokäfer, wie sie aufgrund ihrer ursprünglichen Heimat Amerika auch genannt werden, sollen gut fliegen können.