„Das passt einfach nicht zur Gartenstadt“

Radebeul. Es gärt seit Wochen unter vielen Radebeulern – wegen mancher Bauten, die zwischen den Villen entstehen. Von gesichtslosen Renditeobjekten ist die Rede. Bürger am Augustusweg verteilen Faltblätter, um zu protestieren. Andere schreiben an die Stadtverwaltung oder ziehen gar ins Rathaus. Einer, dem es überhaupt nicht gefällt, dass „urradebeuler Baubestand samt Gärten einfach für Betonneubauten abgeräumt wird“, ist Robert Bialek.
Der Handwerksmeister ist vor 55 Jahren in Radebeul geboren, seitdem immer hier mit seiner Familie. Er hat hier seine Firma, die sich auf Mauerwerksarbeiten wie auch historische Putze spezialisiert hat. Die Zahl der Gebäude, an denen er mitgebaut hat, ist mindestens dreistellig. Robert Bialek gehört seit den 1990er Jahren zur Jury um den Radebeuler Bauherrenpreis. „Ich beobachte vor allem in den letzten fünf Jahren, wie in der Stadt an verschiedenen Stellen der Charakter Radebeuls regelrecht zerstört wird“, sagt Bialek.
Die SZ war mit ihm auf Stadtrundfahrt an prägnanten Stellen Radebeuls, wo neu gebaut wird.
1. Lößnitzstraße, Borstraße – beinahe jede Grundstücksecke ausgenutzt
Was sich hier vorher befand, war ein für Radebeul typisches Einfamilienhaus oberhalb der Meißner Straße. Mit einer Eingangssituation, mit Holzveranda. Der Garten war verwildert, die Bausubstanz noch in Ordnung, sagt Bialek. Jetzt ist dort eine große kahle Fläche. Betonbauten mit Tiefgarage entstehen. „Das Grundstück hinterm Hotel Stadt Radebeul wird fast bis in die letzte Ecke ausgenutzt. Mit Ursprünglichkeit hat das nichts zu tun. Das passt einfach nicht zur Gartenstadt Radebeul“, sagt Bialek. Auch wenn das Baurecht dies alles zulasse.
Gleich um die Ecke, in der Lößnitzstraße, stand ein Gebäude im Landhausstil. Es ist samt Garten inzwischen abgeräumt. Das Bauschild zeigt die Planung für zwei Gebäude, welches nicht annähernd damit etwas zu tun haben. Bialek: „Es muss nicht unbedingt Landhausstil sein, aber wenigstens zur Gegend passend.“ Wenn schon hochpreisig verkauft werde, dann solle auch hochwertig gebaut werden, so der Handwerksmeister. Betonbauten mit Wärmeschutzdämmung seien die einfachste Variante.
2. Keinerlei Umgebungsbezug beim Neubau Winzerstraße, Dr.-Külz-Straße

Die Winzerstraße ist vielleicht die typischste Straße für Radebeuls Geschichte. Urige Winzerhäuser wechseln hier mit kleineren Villen und Häusern im Landhausstil. Traditionell sind sie vielfach bis an die Straßengrenze gebaut.
An der Ecke Winzerstraße, Dr.-Külz-Straße soll so ein völlig im Mauerwerk intaktes Haus mit einem historischen Sandsteinkeller aus dem Baujahr 1875 demnächst weggerissen werden. Wieder wird die Geschossfläche vom auf der Bautafel angezeigten Neubau gnadenlos ausgenutzt, sagt Bialek. Dabei wäre ein passender Anbau, und die Sanierung des bestehenden Gebäudes möglich. Der Alibigarten zur Straße sei ohnehin nötig, weil ein Neubau nicht ohne Abstandsfläche errichtet werden darf, aber eigentlich kein Garten.
Diese Bauweise, welche sich in den letzten Jahren breitmache, sei ein Missstand, der sich wie ein roter Faden durch die Stadt ziehe, sagt Bialek. Ihn brüskiere das als Bürger und Handwerker – gerade weil er und seine Mitarbeiter in der Stadt viel zum Erhalt des Gartenstadtcharakters und seiner Bausubstanz getan haben.
3. In der Friedlandstraße gibt es zumindest Bezug auf den Landhausstil
In der Friedlandstraße sind die Wände des Neubaus fast hochgezogen. Auch hier wird Beton gegossen, was das Zeug hält. Ringsum sind feine Villen im englischen Landhausstil. Gebäude, in der Art wie sie die Gebrüder Ziller im 19. Jahrhundert gebaut haben, sind Nachbarn. Bialek zeigt auf die Bautafel: „Das neue Haus hat zumindest ein Grundäußeres, welches in die Umgebung zu den anderen Villen passen kann.“
Ein ähnliches Beispiel zeigt sich am Eingang zur Alfred-Naumann-Straße, direkt am Rosa-Luxemburg-Platz. Ein Gebäude vom Beginn des vorigen Jahrhunderts ist saniert. Es hat noch seinen Edelkratzputz in warmen Gelbtönen. Die Weinspaliere an den Hausmauern, der gestaltete Garten, zeigen sofort Radebeul-Typisches an. Das Gebäude gehört der Besitzgesellschaft der Stadt Radebeul.
Robert Bialeks Aufforderung, auch als Mitglied des engagierten Radebeuler Denkmalschutzvereins: Die Stadt und Stadträte müsse Investoren klarer damit begegnen, was zu Radebeul passt. Und wenn das die Stadtverwaltung nicht alleine schaffe, Konsens mit den Bauherren herzustellen, dann könne dazu auch ein Gestaltungsbeirat beitragen. „So wie jetzt, das Baugeschehen einfach laufen lassen, ist es jedenfalls die schlechteste Variante.“