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Das Sanatorium der Reichen und Schönen

Das Lahmann-Sanatorium war ein Treff der Prominenz. Nach dem Krieg war damit Schluss.

Von Ralf Hübner
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Das Gasthaus „Koppelt’s Weinstuben“ wird nach 1907 zum Haupthaus des Lahmann-Sanatoriums.
Das Gasthaus „Koppelt’s Weinstuben“ wird nach 1907 zum Haupthaus des Lahmann-Sanatoriums. © Sammlung Holger Naumann

Der Speisesaal des ehemaligen Lahmann-Sanatoriums auf dem Weißen Hirsch scheint gerettet. In den vergangenen Tagen hatte der Einsturz gedroht. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk mussten Hand anlegen. Die Bundesstraße vor dem Gebäude war zeitweise gesperrt. Dann war die Gefahr gebannt.

Die Geschichte des Lahmann-Sanatoriums währte nur kurz, noch nicht einmal 100 Jahre. Und doch erlangte es in dieser Zeit Weltruhm. Dort kurten die Reichen und Schönen, Großbürgertum und europäischer Hochadel, Künstler, Politiker und hohe Militärs, die Hautevolee des Reiches. Die Liste ist lang. Zu den Gästen zählten Mitglieder des Hauses Hohenzollern wie der russischen Zarenfamilie, Könige aus Europa, Asien und Ägypten. Kurgäste kamen aus Österreich-Ungarn, Russland, Frankreich, Norwegen und der Schweiz, den USA, Persien, Sumatra, Neuguinea, China, Indien und Japan. 1901 und 1905 weilte der Schriftsteller Rainer Maria Rilke im Sanatorium, 1903 Franz Kafka und 1906 Thomas Mann. Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen und die Generale von Brauchitsch und von Richthofen erholten sich dort. 

In den 1920er- und 1930er-Jahren verbreiteten unter anderen Viktoria Luise von Preußen, Ernst August von Braunschweig sowie Friederike von Hannover, die spätere Königin von Griechenland, adligen Glamour. Weitere prominente Gäste waren Reichswirtschaftsminister Albert Neuhaus, die Unternehmer Heinrich Büssing und Hugo Junkers, die Komponisten Paul Lincke, Jean Gilbert und Victor Hollaender, die Sängerinnen Zarah Leander und Claire Waldoff, die Schauspieler Gustaf Gründgens, Otto Gebühr, Heinrich George, Heinz Rühmann, Paul Kemp und Johannes Heesters, aber auch Nazi-Größen wie Generalfeldmarschall Werner von Blomberg, Joseph Goebbels und Hermann Göring.

Der aus Bremen stammende Naturarzt Johann Heinrich Lahmann (1860–1905) hatte das in Konkurs gegangene Frida-Bad auf dem Weißen Hirsch als „Physiatrisches Sanatorium“ am 1. Januar 1888 wiedereröffnet. Schon im ersten Jahr behandelte er dort 385 Kurgäste. Mit fast 7 500 Gästen wurde 1913 die höchste Belegung erreicht.

Lahmann hatte sich von der klassischen Medizin abgewandt und setzte auf Hydrotherapie, Schwedische Heilgymnastik, Luftbäder und gesunde Ernährung. Die Anwendung von Medikamenten lehnte er grundsätzlich ab. Stattdessen verordnete er Bäder, Dampfbäder, Waschungen, Güsse, verschiedene Wickel, den Wechsel von Betätigung und Ruhe. In seinem 1891 veröffentlichten Buch „Die diätische Blutentmischung“ vertrat er die Auffassung, dass alle Krankheiten durch falsche Ernährung verursacht seien. 

1895 richtete er ein Labor ein, um den menschlichen Stoffwechsel zu untersuchen. Lahmann empfahl eine überwiegend vegetarische Ernährung vor allem aus Obst, Gemüse, Salat und Nüssen, Fleisch nur sonntags. Er stellte einen Nährsalzextrakt aus Pflanzen zusammen. Ein Gut in Friedrichsthal bei Radeberg, das er 1894 erworben hatte und wo er unter anderem eine große Obstplantage anlegen ließ, sicherte die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln. Die Kurgäste waren in bis zu 16 Villen untergebracht. Sie trafen sich allmorgendlich leicht bekleidet zur Gymnastik im Park.

1905 stirbt Lahmann im Alter von nur 45 Jahren an einer Herzmuskelentzündung infolge einer Grippeerkrankung. Zwei Jahre später erwirbt die „Dr. Lahmanns Sanatorium Gesellschaft“ das Gasthaus „Koppelt’s Weinstuben“ an der Bautzner Straße. Es wird das Haupthaus des Sanatoriums, wird Empfangs- und Verwaltungsgebäude mit Poststelle, Telefonzentrale, Lesesaal. Schon in den Jahren zuvor war viel an Küchen, Herren- und Damenbad, Herren- und Damenturnhalle gebaut worden.

Während der Weltkriege ist das Sanatorium Lazarett. 1946 wird es entschädigungslos enteignet und dient der Sowjetarmee bis 1992 als Militärhospital, die nach dem Abzug völlig heruntergewirtschaftete Gebäude zurücklässt. Nach 2013 wird das Areal in einen preisgekrönten Wohnpark verwandelt. Und auch der vom Einsturz bedrohte Speisesaal soll noch zum Wohnen umgebaut werden.