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Das Universalgenie von Steinigtwolmsdorf

Elias Augst war Bauer, Schnitzer, Maler, Mechaniker und Flugpionier. Heute wird er mit einem Musikstück geehrt.

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Von Ingolf Reinsch

Wäre Elias Augst im späten 20. Jahrhundert geboren, dann würde er heute wohl das modernste Smartphone besitzen. Er wäre online, wahrscheinlich rund um die Uhr. Er würde, wenn er das Geld hätte, nach New York, Paris und London düsen, um dort die neuesten Trends zu studieren. Und vielleicht stünde er auch auf der Liste jener Abenteuerer, die in einigen Jahren zum Mars fliegen möchten. Nur dass es ein Flug ohne Rückkehr zur Erde werden soll, hätte ihn womöglich von diesem Vorhaben abhalten können. Elias Augst war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Er war aber auch ein sehr bodenständiger und religiös gebundener Mensch. Doch er lebte nicht im 21. Jahrhundert, sondern 200 Jahre zuvor.

Bewegt:  Dieses Planetarium zeigt, wie die Planeten um die Sonne kreisen - gebaut von Elias Augst.
Bewegt: Dieses Planetarium zeigt, wie die Planeten um die Sonne kreisen - gebaut von Elias Augst.
Gemalt: Um 1840 schuf Elias Augst das Gemälde „Wie sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen gibt“. Im Museum der Steinigtwolmsdorfer Kirche kann man es sehen. Foto: Wolfgang Schmidt
Gemalt: Um 1840 schuf Elias Augst das Gemälde „Wie sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen gibt“. Im Museum der Steinigtwolmsdorfer Kirche kann man es sehen. Foto: Wolfgang Schmidt

Steinigtwolmsdorf gedenkt am heutigen Sonnabend seines wohl berühmtesten Einwohners Elias Augst (1775 bis 1849). Im Rahmen des Lausitzer Musiksommers erlebt in der Kirche ein ihm gewidmetes Musikstück seine Uraufführung. Bereits zuvor wird in einem Vortrag über Leben und Werk des als „Ikarus von Steinigtwolmsdorf“ gefeierten Augst berichtet. Der Name kommt nicht von ungefähr. Schon im 19. Jahrhundert unternahm der Steinigtwolmsdorfer Flugversuche.

Elias Augst gilt als Multitalent, ja sogar als „Universalgenie“. In einer Zeit wie heute, da sich das Wissen innerhalb weniger Jahre verdoppelt, wäre so eine Karriere undenkbar. Augst war Bauer. Die kargen Böden um Steinigtwolmsdorf – der Ortsname verrät schon, dass es dort viele Steine gab – ließen die Landwirte der damaligen Zeit nach einem Zuverdienst suchen. Elias August ließ sich im Erzgebirge zum Schnitzer ausbilden. Doch er schnitzte nicht nur Figuren, sondern brachte sie durch ein ausgeklügeltes System auch zum Laufen. Der „Landbauer in Steinigtwolmsdorf“, wie sich Augst selbst bezeichnete, gilt als einer der Väter der „mechanischen Figurentheater“, die im 19. Jahrhundert in der Oberlausitz entstanden sind. Sein bedeutendstes Werk „Die Leiden Christi“ kann man im Museum der Sächsischen Volkskunst in Dresden bestaunen: Sieben Dioramen erzählen die Passionsgeschichte – angefangen beim Letzten Abendmahl über die Verurteilung Jesu durch den Hohen Rat bis hin zur Kreuzigung. Museumsbesucher erleben die Dioramen im Stillstand. Doch ein etwa zehnminütiger Film zeigt, wie sich die Figuren unter lautem Hämmern, Klopfen und Klappern bewegen. Was die Sixtinische Madonna für die Dresdener Gemäldegalerie ist, sind „Die Leiden Christi“ für das Volkskunstmuseum, sagte einer seiner Direktoren. Das erklärt, weshalb das Museum dem Schaffen des Steinigtwolmsdorfers in der ständigen Ausstellung breiten Raum gibt.

Weitere Figurentheater von Elias Augst haben zum Beispiel „eine Schweizer Landschaft“, die „Geschichte vom verlorenen Sohn“ und „Hiobs Leiden und Wohlstand“ zum Inhalt. Immer, wenn Elias August die Arbeit an einem Werk abgeschlossen hatte, annoncierte er und lud Interessenten in seine „Bauhausung“ ein, damit sie das jüngste Werk bestaunen können.

Seinen größten Ruhm allerdings fuhr der Steinigtwolmsdorfer 1825 mit einem mechanischen Planetarium ein. Es simuliert die Umlaufbahn der Planeten um die Sonne. Auf der 2. Industrie- und Gewerbeausstellung der General-Direktion der Königlich Sächsischen Akademien der bildenden Künste war es zu sehen. Dort wurde es mit einer Silbermedaille prämiert. Das Planetarium befindet sich jetzt im Bestand des Bautzener Stadtmuseums.

Darüber hinaus war Augst ein begnadeter Maler. Das von ihm um 1840 geschaffene Gemälde „Wie sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen gibt“ befindet sich noch heute in seinem Heimatort. Es ist Ausdruck der tiefen Religiosität des Landmannes. Das Gemälde ist eines der wertvollsten Exponate eines kleinen Museums, das in den 1980er Jahren in einer Nische des Kirchenschiffes des Steinigtwolmsdorfer Gotteshauses eingerichtet wurde.