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Dem Rosenkäfer verfallen

Der Großenhainer Maik Petzold rettet Käfersammlungen von Naturkundemuseen in Tokio, Paris und Dresden – und züchtet selbst.

Von Birgit Ulbricht
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Maik Petzold hat schon mit 17 Jahren Rosenkäfer gesammelt. Inzwischen arbeitet er als Präparator für Museen und als Naturschutzhelfer des Landkreises Meißen an wichtigen Projekten mit. Die Liebe zu diesen schillernden Insekten hat sein Leben seit damals v
Maik Petzold hat schon mit 17 Jahren Rosenkäfer gesammelt. Inzwischen arbeitet er als Präparator für Museen und als Naturschutzhelfer des Landkreises Meißen an wichtigen Projekten mit. Die Liebe zu diesen schillernden Insekten hat sein Leben seit damals v © Kristin Richter

Großenhain. Das große Krabbeln muss warten. Im Hobbyraum von Maik Petzold herrscht akribische Nüchternheit. Weiße Arbeitsflächen, auf denen nichts herumliegt. Schränke mit endlosen Einschubfächern aus Glas, sorgsam gedruckte Zahlenreihen an der Wand und im aufgezogenen Schreibtischschieber säuberlich geordnet – Pinsel, Pipetten, Schalen, Gläser. 

Keine Frage: Maik Petzold ist Wissenschaftler. Alles Schillernde seines ausgefallenen Hobbys ist ihm fremd. Und doch ist der heute fast 52-Jährige als Jugendlicher einem der schillerndsten Käfer verfallen, die es hierzulande gibt: dem Rosenkäfer. Ihm hat er sich seitdem mit aller Leidenschaft verschrieben. 

Als Präparat in den Museen dieser Welt, das es zu erhalten gilt, und als eindrucksvolles Lebewesen, das in vielen Regionen der Erde zu Hause ist. Von April bis Ende September krabbelt der so auffällig metallisch-grün leuchtende Käfer hierzulande auf den Blüten von Rosen, Weißdorn und Holunder und trinkt dort genüsslich an deren süßem Saft und dem Blütenpollen. Eilig hat er es dabei nie.

Guter Käfer, böser Käfer

Oft bilden sich regelrechte gesellige Gruppen, die ganze Blüten überdecken. Der Rosenkäfer hat außerdem Glück. Gärtner loben ihn als „guten Käfer“, weil er als Humusbildner gilt. Das unterscheidet ihn von seinem Verwandten, dem Mai- und dem Junikäfer, deren Larven Schaden an den Wurzeln verschiedener Pflanzen anrichten. 

Sie sind deshalb weniger gern gesehen. Nützen tut es beiden nicht, erklärt Maik Petzold. Denn der Mensch bringt auf den Landwirtschaftsflächen großflächig Pilzsporen aus. Das gilt als natürliche Schädlingsbekämpfung gegen Insekten und ist daher nach menschlicher Logik „gut“. Dass damit nahezu alle Insekten totgemacht werden und die Pilze sich mit dem Wasser im Boden ausbreiten – das stört keinen. 

„Heute sind die Autoscheiben im Sommer fast sauber nach einer Tour, das müsste doch jedem zu denken geben. Kaum noch Insektenflecken“, sagt Maik Petzold. Er beobachtet die Insektenwelt seit Jahren als offizieller Naturschutzhelfer des Landkreises Meißen und er tut etwas gegen das lautlose Insektensterben, er gibt ihnen seine Stimme. 

So wie im Lauberbacher Grund, wo er mit anderen Hobby-Entomologen über lange Zeiträume Käfer sucht und dokumentiert, um verlässliche Aussagen abzugeben, wie sich die Insektenbestände verändern und damit auch die der Vogelwelt. Er hat auch die gesamte Insektenwelt in der Kleinraschützer Heide dokumentiert, um zu zeigen, warum die scheinbar trostlose Trockenheide so wichtig ist. 

Er hat auch über den streng geschützten Juchtenkäfer im Zabeltitzer Barockpark geschrieben und den Hirschhornkäfer, weil sich die Menschen wenigstens noch für die imposanten Riesenkäfer interessieren. Doch das wissenschaftliche Interesse des Großenhainers geht viel weiter.

Das entomologische Institut in Paris hat – eingewickelt in eine französische Tageszeitung und auf Flies – schillernde Reihen glänzender Rosenkäfer geschickt.
Das entomologische Institut in Paris hat – eingewickelt in eine französische Tageszeitung und auf Flies – schillernde Reihen glänzender Rosenkäfer geschickt.
In diesen Erdklumpen haben sich die Käferlarven verpuppt. Das Kraftfutter wird der Erde beigemischt.
In diesen Erdklumpen haben sich die Käferlarven verpuppt. Das Kraftfutter wird der Erde beigemischt.
Junge Rosenkäfer, und ihr erster Weg führt sie zu einem Schälchen mit Fruchtgelee – sie lieben Süßes.
Junge Rosenkäfer, und ihr erster Weg führt sie zu einem Schälchen mit Fruchtgelee – sie lieben Süßes.

Kraftfutter für Riesen

Seit Jahren tauscht er sich mit anderen Käferexperten in Afrika, Australien oder Japan aus. Er fährt zur internationalen Insektenbörse nach Prag – aber nur zum Tauschen von Larven und Käfern. Es gibt alleine um die 3.800 Arten von Rosenkäfern – ohne die verschiedenen Farbvariationen einzurechnen. Zur Gattung der Blatthornkäfer, zu der die Rosenkäfer gehören, sind es schon 25.000 Arten. 

Wer da von Käferleidenschaft erfasst ist, sieht sich einer Lebensaufgaben gegenüber. Wie viele Käfer Maik Petzold in seinem Haus hat? Irgendwas zwischen 20.000 und 30.000 Stück, schätzt er – als Präparat oder als Larve, verpuppt in Zuchtkisten im Keller. Denn er züchtet seine Rosenkäfer inzwischen selbst und das ziemlich professionell. 

„Ich brauche nicht mehr in den Wald gehen und eine Hand voll Erde und Blätter holen, das ist doch meistens kontaminiert“, winkt Petzold ab. Er hat über Jahre sein eigenes Kraftfutter für Riesenkäfer-Larven kreiert: Ein Holzbrei, angereichert unter anderem mit Bierhefe, Soja und Glutaminen. Die erwachsenen Käfer hängen ihre Rüssel später am liebsten in Fruchtgelee. Rosenkäfer sind eben echte Süßmäuler.

Für seine Rosenkäfer zu sorgen, die Rezepturen und Apparaturen auszutüfteln, macht Maik Petzold Freude. Es hat noch mit Natur zu tun, nicht damit, einen bestimmten Käfer zu besitzen. „Ich kaufe keine Käfer, es geht mir nicht darum, meistbietend ein seltenes Exemplar zu ergattern.“ 

Ein Hirschkäfer aus den heute unzugänglichen Kriegsgebieten in Syrien kann locker um die tausend Euro kosten, erzählt er. Auch die Japaner sind für ihre Höchstgebote bei kleinsten Abnormitäten bekannt, besonders große oder kleine Käfer, die aus der Art schlagen. 

Japaner lieben, was uns exzentrisch und schräg erscheint – in Käferladen-Ketten gehen Millionen von Krabbeltieren zu enormen Preisen an verzückte Kunden, die ihre Lieblinge dann in Terrarien zu Hause halten.

Museen haben kein Geld

An besondere Exemplare kommt Maik Petzold trotzdem manchmal – auf ganz anderem Weg. Denn den Großenhainer haben längst die großen Naturkundemuseen entdeckt. Maik Petzold zeigt uns seine letzte Päckchensendung aus Paris vom dortigen entomologischen Institut. Eingewickelt in eine französische Tageszeitung und auf Flies schillern Reihen glänzend grüner und blauer Rosenkäfer. 

Maik Petzold wird die Tiere in den nächsten Tag fachgerecht für das Museum präparieren. Und was, wenn ein Käferbeinchen auf dem Transport mal abfällt? Maik Petzold schmunzelt und zeigt auf eine kleine Flasche mit der Aufschrift Insektenreparaturkleber. „Geht wunderbar, die Rezeptur hat ein Tischler entwickelt, der auch die Sammlerkästen baut“, erzählt er. 

Die Käfer, die er geschickt bekommt, sind teilweise 120, 150 Jahre alt, manche müsse auch neu bestimmt werden, weil man damals noch nicht soweit war. In solchen Momenten liegt dann der Arbeitsplatz tatsächlich einmal voller Bücher in Latein, französisch oder russisch. Maik Petzold hat sich auch da durchgefuchst.

Seit Jahren verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem Dresdner Senckenberg Institut auf der Königsbrücker Straße. Die Budgets für die naturkundlichen Sammlungen sind derart knapp, dass die Sammlungen ohne Hobby-Wissenschaftler wie Maik Petzold gar nicht zu erhalten sind. Sie restaurieren Altbestände und präparieren Neufunde. 

Das Material von der Edelstahlnadel bis hin zu den Etiketten kauft Petzold selbst ein. Sonst, da ist er sich sicher, gebe es manche Sammlung nicht mehr. Das einzige Honorar: ab und an ein Käfer für die eigene Sammlung. „Das Schöne ist, ich kann den Hobbyraum auch mal abschließen und sagen: Heute nicht“, sagt Maik Petzold schmunzelnd. 

Als Fahrdienstleiter beim DRK Großenhain muss er das auch. Aber Faulenzen ist eben nicht seine Sache. Da muss immer was passieren. Die Sommerexkursion in die Türkei war schon gebucht. Wegen der Germania-Pleite hat er das Flug-Ticket gerade eingebüßt.