SZ +
Merken

Den Osterbrunnen auf der Spur

Über 1600 Touristen pilgern derzeit in das Gemeindegebiet. Was sie dort suchen.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Jane Pabst

Fischfilet, Reis und ein Radler. Gestärkt vom Mittagsimbiss in der Elbklause in Diera-Zehren schlendert Siegried Wölfke auf den Reisebus vor dem Wirtshaus zu. Vor und nach ihr trudeln nach und nach 32 weitere Fahrgäste ein. Für die Senioren aus Radeberg heißt es bereits eine Woche vor Ostern „ab ins Körbchen“. Denn sie gehen auf Osterbrunnen-Rundreise durchs Gemeindegebiet von Hirschstein.

„Was wir hier machen, ist Wirtschaftsförderung“, meint Bürgermeisterin Christine Gallschütz. Vor zwölf Jahren brachte sie die Osterbrunnen-Tradition nach einem Urlaub in Franken in die Gemeinde. Dem dortigen Brauchtum zufolge geht es um mehr, als nur im Ortsmittelpunkt einen Blickfang zu schaffen. Dem überlieferten Aberglauben nach konnte die Gesundheit, der Erfolg der Ernte oder gar das Überleben von Mensch und Tier davon abhängen, ob es gelang, sich die Quellgöttin gewogen zu machen. Fasziniert von dieser Tradition breitete sich das Brunnenputzen von vier auf derzeit elf Standorte in der Gemeinde aus. Jeden Osterbrunnen schmücken durchschnittlich 250 bis 300 Eier.

Plötzlich stoppt der Bus. Fahrer Frank Schmidt vom Reiseunternehmen Jäkel hält vor dem größten Osterbrunnen auf dem Hof des Hirschsteiner Schlosses. 1 000 Eier zieren das mit Tannenzweigen üppig umwickelte Metallgestell. Wie kleine Edelsteine in leuchtenden Farben scheinen die handbemalten Eier auf dieser übergroßen Krone zu funkeln. Staunend nähern sich die Rentner. „Sehr schön, einmalig, großartig“, loben sie. Da hoppelt der Osterhase alias Thomas Kauf auf sie zu. Wenig später unterbricht dumpfes Klirren das Geschnatter vor dem Brunnen. Während die einen diesen noch bewundern, kramen die anderen schon nach zwei Euro-Münzen in ihren Geldbeuteln. Für diesen Betrag kauft auch Rentnerin Liane Kasper das sogenannte Osterwasser. Der Weißwein in 0,33 Liter Flaschen mit Osterbrunnen-Etikett ist ein begehrtes Mitbringsel. Ebenso die Postkarten mit Fotomotiven aller Osterbrunnen. Zufrieden lächelnd schlendert Liane Kasper zum Bus zurück. „Durch solche Bustouren kommt man mal raus“, sagt die Frau, die seit zwölf Jahren allein lebt. Insgesamt strömen 1 600 Touristen in 41 Bussen in der Osterzeit hierher. Ob aus dem Lausitzer Raum, dem Erzgebirge, dem Vogtland und sogar aus Berlin reisen sie an.

Drinnen im Bus verteilt Christa Labude kleine Schnäpse an die Senioren. „Das Durchschnittsalter liegt bei 82 Jahren“, schätzt die 74-jährige. Die frühere Kindergärtnerin ist in der Radeberger Volkssolidarität für die Tourenplanung zuständig. Monatlich organisiert der Vorstand für seine Mitglieder eine Bustour. In diesem Jahr erstmalig die Osterbrunnen-Reise. „Nicht so laut bitte“, ruft es nach vorn. Dort spricht Gunter Barth vom Heimatverein Oberes Elbtal ins Mikro. „Ich höre etwas schlecht. Ich bitte das zu entschuldigen“, sagt er daraufhin zu den Fahrgästen. Für diese Fahrt schlüpft der Gemeinderat in die Rolle des Reiseführers. Nach zwei Stunden Rundtour erhält er anerkennenden Applaus. Denn Gunter Barth erzählt nicht nur Wissenswertes zu den angesteuerten Osterbrunnen, sondern auch zu Sehenswürdigkeiten seiner Heimat. Über die wechselvolle Geschichte des Schlosses Hirschstein, das als germanische Wehranlage entstand, über Boritz, das älteste Dorf der Gemeinde, über die hügelige Landschaft, die durch die Eiszeit geformt worden ist bis hin zu praktischen Tipps zu Einkehrmöglichkeiten und regionaltypischen Attraktionen wie den Mehlsackweltmeisterschaften in Pahrenz. „Es ist eine wunderschöne Gegend und mir hat die Osterbrunnen-Tour sehr gut gefallen“, sagt Brigitte Wilke abschließend und spricht damit stellvertretend für alle Teilnehmer aus dem Osterbrunnen-Bus.