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Denkmalschutz kann Wasserturm nicht retten

Der Koloss von Biehain wird abgerissen. Und damit auch das letzte Wahrzeichen des Ortes. Das stimmt traurig.

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© André Schulze

Von Susanne Sodan

Der Gerichts-Kretscham, die Schule, die Kaiser-Wilhelm-Eiche, der Wasserturm. Die Sehenswürdigkeiten von Biehain - vereint auf einer Postkarte aus der Jahrhundertwende. „Der Wasserturm ist heute eigentlich unser letztes Wahrzeichen“, erzählt Biehains Ortsvorsteher Jörg Koltermann. „Auf den alten Postkarten ist er meistens mit zu sehen.“ Bald wird es aber auch dieses letzte Wahrzeichen nicht mehr geben. Der Wasserturm soll abgerissen werden – trotz Denkmalschutz.

Das alte Gebäude ist in einem zu schlechten Zustand und hat für seinen jetzigen Besitzer, die Deutsche Bahn, keinen Zweck mehr. Dort, wo es jetzt steht, soll künftig weiter an der Niederschlesischen Magistrale gebaut werden. Ausbau der Gleise, Verlegung der Straße und Brückenbau - im vergangen Jahr hatte die Deutsche Bahn das Magistralen-Projekt in Biehain vorgestellt. „Mehr in einem Nebensatz wurde uns dann auch mitgeteilt, dass der Wasserturm weg muss“, erzählt Koltermann. Ein Ding der Unmöglichkeit für die Biehainer. Nicht nur, weil der Wasserturm seit knapp anderthalb Jahrhunderten zum Ortsbild gehört. Sondern vor allem, weil er unter Denkmalschutz steht. 1874 ist die Oberlausitzer Eisenbahn von Kohlfurt nach Falkenberg eröffnet worden. In dieser Zeit entstand auch der Horkaer Bahnhof und mit ihm wahrscheinlich der Wasserturm - ein Hochbehälter, um die Dampflokomotiven betanken zu können. Wann genau der Turm außer Betrieb genommen wurde, ist nicht mehr bekannt. Etwa Anfang der 70er Jahre war Schluss, schätzen die Anwohner.

Der Turm hat keine Chance gehabt

Trotz des Denkmalschutzes hat die Deutsche Bahn einen Abrissantrag an das Landratsamt Görlitz gestellt. Und er wurde genehmigt. Schon mehr als einmal hätten sich Teile des Turmes gelöst, sagt Michael Baufeld, Sprecher der Deutschen Bahn. Damit sei das alte Bauwerk auch eine Gefahr für die, die auf der Straße direkt daneben entlangfahren. „Wenn der Turm mitten im Gelände stehen würde, wäre er kein Problem für uns. So müssen wir aber auch für die Verkehrssicherheit sorgen“, so Baufeld. Zukünftig würde die Situation noch schwieriger werden. Denn die geplante, neue Ortsumgehung soll unmittelbar am Wasserturm vorbeiführen. „Durch die Baumaßnahmen und den späteren Verkehr auf der Straße sowie auf den Gleisen würden schwere Erschütterungen am Wasserturm entstehen, die negativen Einfluss auf seine Standsicherheit hätten“, erklärt Landrats-Mitarbeiterin Gerlind Walter.

Den Turm mit einer Sanierung zu erhalten, scheint unmöglich. Wildwuchs hatte sich über die Jahre rund um den Turm breit gemacht. „Als der entfernt worden ist, hat man schon gesehen, dass da nicht mehr viel zu machen ist“, erzählt Jörg Koltermann. Dass die Bahn handeln muss, ist klar. Muss es aber gleich ein Abriss sein? Eine Sanierung jedenfalls sei für die Bahn schlicht nicht zumutbar, sagt Michael Baufeld. „Am Ende hätte der Turm ja keinerlei Nutzen für uns.“ So sehen das auch die Denkmalschutzbehörden. Ein Erhalt des Wasserturms - unter diesen Umständen unmöglich, erklärt Gerlind Walter. Und damit rettet den Turm auch sein Denkmalschutz nicht.

Argumente, die auch Jörg Koltermann und die Biehainer nachvollziehen können. „Klar, man braucht den Turm heute nicht mehr und in seinem jetzigen Zustand ist er wahrscheinlich mehr eine Gefahr als alles andere.“ Dass Biehains Wahrzeichen aber so sang- und klanglos verschwindet, enttäuscht die Anwohner. „Für uns ist das ein Stück Zeitgeschichte“, so Koltermann. Die Eltern oder Großeltern mancher Biehainer haben früher bei der Bahn gearbeitet. Ihre Erinnerungen sind bald das Letzte, was vom Wasserturm bleibt. „Ein Ausgleich wäre schön gewesen. Und wenn man einen Baum gepflanzt hätte.“ Eine kurze Frist bleibt dem Wasserturm noch. Denn ganz so sang-und klanglos darf er eben doch nicht verschwinden: Der Denkmalschutz hat dem Abriss nur mit Auflagen zugestimmt. „Wir müssen eine genaue Bestandsdokumentation und eine Funktionsbeschreibung erarbeiten“, erklärt Michael Baufeld. „Das wird jetzt aktuell gemacht.“ Wann der Wasserturm nun tatsächlich abgerissen wird, ist noch nicht klar. Ein großer Container steht aber schon vor dem ehemaligen Baudenkmal.