SZ +
Merken

Der Bäcker als Grundversorger

In der Räckelwitzer Bäckerei Schlappa gibt es inzwischen nicht mehr nur Brötchen, Kuchen und Co. – aus gutem Grund.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Schumann

Von Manuela Paul

Räckelwitz. Der verführerische Duft frisch gebackener Brötchen liegt in der Luft. Im Regal hinter der Ladentheke der Räckelwitzer Bäckerei Schlappa warten Brote mit goldgelb glänzender oder bemehlter Kruste auf Käufer. In der Auslage davor locken hinter Glas Eierschecke, Apfelkuchen, Quarkbällchen und andere Leckereien. So sind es die Kunden seit Jahrzehnten gewöhnt.

Doch seit ein paar Wochen gibt es bei Schlappas auch Nudeln zu kaufen. Und Senf. Selbst Butter, Milch, Käse, Würstchen. Letscho, Eier, grüne Gurken und vieles mehr hat die Bäckerei im Angebot. Eigens dafür ließ sich der Unternehmer vom heimischen Schreiner ein großes Regal bauen. „Fürs Frühstück haben wir eigentlich alles da“, erzählt der sympathische Handwerksmeister mit den zahlreichen Lachfältchen um die freundlich blickenden blauen Augen und dem grau melierten Bart, der sein Gesicht einrahmt. Bis hin zur Marmelade, die seine Frau Daniela eigenhändig liebevoll einkocht und die Gläser dekorativ beschriftet.

Kunden schätzen diesen Service

Fündig wird aber auch, wer auf die Schnelle etwas kochen will oder einfach nur schnell mal eine Tüte Salz oder Mehl braucht. „Wir haben ein Weilchen getestet, was so geht und gebraucht wird“, erklärt der Räckelwitzer. Man kaufe auf Wunsch auch spezielle Dinge ein. Vor allem ältere, nicht mobile Kunden würden diesen Service gern in Anspruch nehmen. Alles in allem komme das neue Sortiment bei der Kundschaft sehr gut an. Und auch der Räckelwitzer Bürgermeister Franz Brußk freut sich, dass man wenigstens wieder ein kleines Sortiment an Lebensmitteln im Ort kaufen kann. Denn seit Fleischermeister Gerhard Walde sein Geschäft im Dezember aufgab und damit auch die rund 200 Quadratmeter große Verkaufsstelle in Räckelwitz zusperrte, fiel die Möglichkeit weg, wenigstens ein paar Grundnahrungsmittel vor Ort kaufen zu können.

Bis die Bäckerei Schlappa in die Bresche sprang. Auf Brot, Brötchen und Kuchen vom dorfeigenen Bäcker – alles handgefertigt nach traditionellen Rezepten versteht sich – müssen die Räckelwitzer trotzdem nicht verzichten. Dienstags bis freitags steht den Kunden bereits ab dreiviertel sechs das volle Sortiment zur Verfügung. Und auch Wurst und Fleisch kann man seit Kurzem wieder im Dorf einkaufen. Denn jeden Sonnabend steuert Silvio Riedel – übrigens auch ein Räckelwitzer – mit seinem Verkaufsmobil den Platz vor der Schlappaschen Bäckerei an. „Er verkauft, genau wie wir, von fünf bis zehn Uhr“, berichtet das Bäckerehepaar. Mitunter könne man gar nicht genau ausmachen, wo gerade die längere Kundenschlange steht. Daran lasse sich deutlich erkennen, dass die Räckelwitzer diese Lösung dankbar annehmen.

Gemeinde macht sich für Bäckerei stark

Seit 1907 gibt es die Bäckerei an der Hauptstraße in Räckelwitz. Und zwar ununterbrochen. Das sei durchaus nicht selbstverständlich, weiß der Meister zu berichten. Denn hinter dieser langen Tradition steckt nicht etwa ein alteingesessener Familienbetrieb. Bis Ende der 1970er-Jahren waren es verschiedene Pächter, welche den Betrieb über die Jahre bewirtschafteten. Das änderte sich erst 1978. Da kaufte Michael Schlappas Vater Waldemar die Bäckerei. Denn der Backofen musste dringend erneuert werden. Doch in ein fremdes Haus wollte Meister Schlappa nicht investieren. Vier Jahre nach der Wende wollte der Vater den Betrieb schließlich an den Sohn übergeben. Doch er konnte nicht ins Grundbuch eingetragen werden, weil plötzlich Rückübertragungsansprüche im Raum standen, erinnert sich der 51-jährige Michael Schlappa.

Allerdings gab es auch die Möglichkeit, diese abzuweisen, erzählt der Bürgermeister. Dann nämlich, wenn Arbeitsplätze in Gefahr waren. Weil genau dies hier der Fall war, machte sich die Gemeindeverwaltung für die Bäckerei stark. Und so konnte Michael Schlappa vor 21 Jahren schließlich doch die väterliche Firma übernehmen und fortführen. Die Gemeinde verkaufte dem Bäcker das ehemalige Feuerwehrdepot, damit der Betrieb etwas erweitert werden konnte.

Doch das taten Schlappas mit Umsicht. Statt auf Expansion setzen sie auf Qualität und Tradition. Und auf dörflichen Zusammenhalt. So sponsert die Bäckerei beispielsweise Stollen für die alljährliche Rentnerweihnachtsfeier oder bäckt Floriansbrötchen, von denen je drei Cent an die heimische Jugendwehr gehen. Auch das schätzt die Kundschaft, zu der dank Ansiedlungsbemühungen der Gemeinde inzwischen viele neu zugezogene junge Familien gehören, so Michael Schlappa, der auch Vizeobermeister der Bäckerinnung Bautzen ist. Viele seien an der Produktion interessiert und daran, was in den Produkten enthalten ist, freut er sich. Deshalb lasse er auch meist die Backstubentür offen, damit jeder einen Blick hineinwerfen kann. Das stärke Vertrauen. „Denn das ist wichtig.“