Der Baustreit von Radebeul

Radebeul. Wir können keine Schandflecken abreißen. Aber wir können überlegen, wie wir ab heute und morgen anders handeln wollen. Mit diesen Worten leitet Jens Baumann, Vorsitzender des Radebeuler Vereins für Denkmalschutz und neues Bauen, den Diskussionsabend am Donnerstag im Kultur-Bahnhof ein. Es soll um Neubauten in der Stadt gehen.
Darum, wie gesichtslose Klötze, das Zupflastern kleinster Lücken, die maximale Bebauung von Grundstücken verhindert werden können. Ein Thema, das Radebeul bewegt, der Saal ist brechend voll.
Viele der gut 140 Bürger verfolgen die Diskussionsrunde sogar im Stehen, weil die Sitzplätze schnell belegt sind. Auf dem Podium: Bauamtsleiter Jan Pötschke und Stadtplaner Sixten Menger, Jens Bauman und Landschaftsarchitektin Grit Heinrich vom Denkmalverein, Gutachter und Makler Jens Beck sowie Bauhauf-Geschäftsführer Helge Harzdorf. Moderiert wird die Veranstaltung vom Leiter der Radebeuler SZ-Redaktion, Peter Redlich. Die wichtigsten Fragen des Abends:
Was stört die Bürger an der aktuellen Bauentwicklung in der Stadt?
„Wir wollen, dass die maximal zulässige Grundfläche eingehalten, noch besser unterschritten wird, damit Platz für Bäume und Sträucher bleibt“, erklärt Lutz Schmiedchen von der Bürgerinitiative „Rettet unsere Gartenstadt“.
Neue Häuser sollten sich außerdem in das Umfeld und die Straßenflucht einfügen und Wohnungen bezahlbar sein, auch für Leute, die beispielsweise im Gaststättengewerbe oder in der Pflege arbeiten. Der Radebeuler fasst damit zusammen, was auch viele andere Bürger stört.
Die im Bau befindlichen Neubauten am Augustusweg werden genannt, das Haus an der Ecke zur Wettinstraße als „Schande für Radebeul“ tituliert, Pläne für einen großen Neubau auf der Weinbergstraße kritisiert.
Wieso lässt die Stadt das zu und könnte sie nicht mehr eingreifen?
Viele Bürger treibt die Frage um, ob sich Investoren eigentlich alles erlauben können, ohne dass jemand eingreift. Doch so laufe es nicht ab, erläutert Stadtplaner Sixten Menger: „Wir nicken nicht alles ab und wünschen den Investoren dann viel Spaß beim Bauen. Wir haben auch schon viel sterben lassen, was sich nicht eingefügt hat.“
Für die Neubauten am Augustusweg beispielsweise habe es eine anderthalbjährige Planungsphase mit Verhandlungen zwischen Stadt und den Bauherren gegeben. Laute, teilweise auch sehr unangenehme Gespräche seien das gewesen. „Die Vorstellungen der Investoren waren komplett anders“, so Menger.
Sie hätten ursprünglich noch deutlich größer bauen wollen. Ab einem gewissen Punkt – dann, wenn laut Baugesetzbuch alle Auflagen eingehalten werden – müsse die Stadt jedoch zustimmen. „Es gibt Baurecht de facto per Gesetz“, sagt Bauamtsleiter Jan Pötschke. „Wir können als Verwaltung nicht frei entscheiden, sondern müssen das Recht anwenden, das wir haben.“

Beim Neubau an der Wettinstraße sei er selbst auch der Ansicht, das Gebäude passe dort nicht hin, erklärt Stadtplaner Menger. Persönliche Meinungen spielten aber beim Gesetz keine Rolle. „Es war zulässig.“
Ebenso ein Bauvorhaben in der Weinbergstraße 20 b, gegen das Nachbarn geklagt hatten, weil sie das Haus zu groß finden. Das Gericht entschied jedoch, dass der Investor so bauen darf. „Hätten wir das trotzdem abgelehnt, sind wir als Stadt schadensersatzpflichtig“, sagt Menger.
Grundsätzlich gebe es keine mathematische Formel, wie hoch ein Neubau sein darf. Wenn es in Sichtweite bereits ähnlich hohe Häuser gebe, müsse das Gebäude genehmigt werden. „Wir können nicht verhindern, dass kleine Häuser abgerissen und durch größere ersetzt werden, wenn es auf der Straße auch schon andere große Häuser gibt“, erklärt der Stadtplaner.
Werden die Bürger zu wenig eingebunden?
Unter den Radebeulern macht sich das Gefühl breit, gar nicht gehört zu werden und sich nicht einbringen zu können. Bauamtsleiter Pötschke merkt dazu an, dass es in der Stadt ein umfangreiches System der Bürgerbeteiligung gebe. „Wir merken aber, dass unsere Bemühungen nicht immer fruchten.“
Bei Planungen für einen Teilabschnitt der Meißner Straße hätten sich kürzlich ausschließlich Anwohner zu Wort gemeldet. „Wir wissen aber nicht, was die anderen denken, die tagtäglich dort entlang fahren.“
Aus dem Zuschauerraum kommt der Einwurf, dass vieles als unumgänglich dargestellt werde, zum Beispiel bei der Vorstellung der Wasapark-Pläne. Sixten Menger bietet an, allen Interessierten das Baurecht bei einer gesonderten Veranstaltung im Detail zu erklären.
Auch der Denkmalverein müsse mehr Druck machen, sagt dessen Vorsitzender Baumann. Nur positive Beispiele mit dem Bauherrenpreis auszuzeichnen, reiche nicht mehr. Er bietet an, dass sich Verein und Protestler der Bürgerinitiative vernetzen sollten.
Warum sind die neuen Wohnungen so teuer?
„Die hohen Preise kommen durch Marktmechanismen zustande“, sagt Makler Jens Beck. Die reinen Baukosten lägen bei rund 2.500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Hinzu kämen die Grundstückskosten und eine Spanne von mindestens 15 Prozent, sonst würden die Banken nicht mitmachen.
Für Makler sei es aber gar nicht unbedingt gut, wenn die Preise derart ansteigen. „Es verkauft nur noch, wer unbedingt muss, und dadurch passiert viel weniger auf dem Markt“, so Beck.
Braucht Radebeul wieder einen Denkmalschützer vor Ort?
„Wenn der Denkmalschutz sein Einverständnis nicht gibt, dann darf die Stadt keine Genehmigung erteilen“, merkt ein Bürger an und erntete Applaus. Wie früher wieder einen Denkmalschützer vor Ort zu haben, der Radebeul gut kennt, wünschen sich viele und sehen die Behörde in Großenhain in der Pflicht.
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