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Der besonders Begabte

Erich Berko spielte für die deutsche Nachwuchsauswahl. Jetzt ist die Nationalelf von Ghana ein Ziel für den Dynamo-Profi.

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© Robert Michael

Von Sven Geisler

Seine Augen blitzen, seine Lippen formen sich zu einem sanften Lächeln. Erich Berko ist keiner, der ausschweifend erzählt, und dieser Satz steht sowieso für sich. „Doch eher sehr deutsch“, antwortet der Mittelfeldspieler von Dynamo Dresden auf die Frage, wie er Weihnachten feiert – also mit Baum und allem Drum und Dran. Er wird bei der Familie in Ostfildern sein, dort also, wo er geboren wurde. Seine Wurzeln aber liegen in Afrika, in Ghana. Vater Josef kam vor etwa 35, Mutter Esther vor 30 Jahren nach Deutschland, erst hier haben sie sich kennengelernt.

„Ich habe eine entspanntere Ader in mir, manche meinen, das ist lethargisch“, meint Berko über seine ghanaische Seite. Sein Vater, der am Flughafen in Stuttgart arbeitet, sei dagegen „komplett eingebürgert und sagt: Komm, schaffen, nicht so rumtrödeln. Das mag er nicht. Er ist immer auf zack.“ Ist Berko junior natürlich auch, und das am liebsten auf dem Fußballplatz. Deshalb war es für ihn eine schwierige Situation, als er plötzlich nicht mehr von Anfang an spielen durfte.

Dabei hatte er eine starke Vorsaison und galt bereits als Ersatz für den nach Wolfsburg gewechselten Marvin Stefaniak. Damit, betont Berko, habe er sich weniger beschäftigt. Das Problem, weshalb er nach der Sommerpause lange brauchte, um zu seiner Bestform zu finden, sieht er eher in den kleineren Blessuren und einem Infekt. „Wenn du nicht fit bist, spielt ein anderer, und wenn der es gut macht, musst du dich hinten anstellen.“

Genauso erklärt das auch der Trainer. „Erich hatte ein kleines Tief“, sagt Uwe Neuhaus. „Man muss reagieren auf Formschwankungen und -schwächen.“ Zumal die Mannschaft zu wenig Torgefahr ausgestrahlt habe. „Da war Erich mittendrin.“ Also hat er sich für einen entschieden, „der im Training Tore macht und einem die Hoffnung gibt, dass es im Spiel auch klappt.“ Hat ja funktioniert und Patrick Möschl beim 1:1 gegen Braunschweig getroffen. Abgeschrieben aber war Berko zu keiner Zeit. „Wenn man jemandem eine kleine Pause gönnt, heißt das ja nicht, dass man ihm das Vertrauen entzieht oder ihn nicht wertschätzt. Das ist völliger Blödsinn“, meint Neuhaus.

Schließlich gab er Berko die neue Chance, auf die der 23-Jährige hingearbeitet hatte. Doch ausgerechnet jetzt war Dynamo an einem Tiefpunkt oder wie er es ausdrückt: „Da herrschte hier mal kurz Endzeitstimmung.“ Die Erfolgsformel ist einfach: Seit Berko wieder in der Startelf steht, hat Dynamo dreimal gewonnen. Das sei ein für ihn glücklicher Zufall, wiegelt er ab und sagt, was sich gehört und wohl auch eher der Grund ist: „Wir haben als Mannschaft durch Gespräche und im Training an den Stellschrauben gedreht.“

Berkos persönliche Krise lag möglicherweise mit daran, dass er andere Sorgen hatte. Im April war er bei einer Verkehrskontrolle mit einem zu hohen Blutalkoholwert aufgefallen, musste den Führerschein abgeben. Über das Thema will er eigentlich nicht sprechen. „Das ist in meinem Privatleben passiert und dafür habe ich gebüßt.“ Den Journalisten, der Berko nach seiner Mitfahrgelegenheit fragt, fordert er jedoch grinsend auf: „Wenn Sie Zeit haben, können Sie mich ja abholen kommen.“

Bei allem Humor, er habe seine Lehren gezogen, sagt er. „In meinem Alter kann ich nicht behaupten, dass ich ausgelernt hätte.“ Der Verein hat ihm eine Geldstrafe aufgebrummt, aber die Angelegenheit erst zurück- und dann kleingehalten, um einen jungen Spieler zu schützen. Berko zählt zu den besonders Begabten. Mit der deutschen U17-Auswahl wurde er 2011 Vize-Europameister, wer weiß, wo er jetzt spielen würde, wenn er sich in seinen ersten Profi-Jahren nicht in beiden Knien das Kreuzband gerissen hätte. Die deutsche Nationalelf scheint ihm inzwischen unerreichbar zu sein. „Da rückt ein Talent nach dem anderen nach, da sehe ich meine Chancen eher in Ghana“, meint er. „Das wäre eine große Sache für mich.“

Er war erst einmal in der Heimat seiner Eltern. „Das ist schwierig für mich als Fußballer. Im Winter für zwei Wochen lohnt es sich nicht, und finde im Sommer mal einen Freund, der mit nach Afrika fliegt“, meint er. Berko spricht Twi, obwohl seine Muttersprache unüberhörbar Schwäbisch ist. „Früher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, aber jetzt finde ich es wichtig, die Sprache meiner Wurzeln zu beherrschen.“ Die ghanaischen Gerichte mit ihren scharfen Soßen zu kochen, bekommt er dagegen nicht gut hin. „Mein Vater war sauer, weil ich nicht die richtigen Gewürze hatte, als er zu Besuch in Dresden war.“

Mit einer möglichen Länderspiel-Karriere für Ghana beschäftigt sich Berko vorerst jedoch nicht. „Ich muss erst mal hier zu Potte kommen.“ Also bei Dynamo konstant überzeugen. Am besten auch am Sonntag zum Jahresabschluss in Duisburg, denn: „Das wird wieder eine harte Nuss.“ Erst recht ohne Kapitän Marco Hartmann (Muskelfaserriss) und dessen eigentlichen Ersatzmann Manuel Konrad (Infekt).

Nach der Partie darf auch Berko nach Hause. Sein Bruder, seine vier Schwestern, deren Kinder, und weitere Verwandte kommen zu Besuch. „Das wird lustig.“