SZ +
Merken

Der Brummi im Wohnzimmer

Jochen Richter wohnt in Feldschlößchen direkt an der S 177. Die vereinbarte nächtliche Tempodrosselung geht ihm nicht weit genug.

Teilen
Folgen
NEU!
© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Feldschlößchen. Der Lkw, der auf der Radeberger Straße heranrollt, ist schon von weitem zu hören. Die Unebenheiten auf der Straße erzeugen ein Donnern, das hohe Gewicht des Brummis lässt den Boden zittern. Jochen Richter wohnt fünf, sechs Meter von der Fahrbahnkante entfernt im Erdgeschoss. Der Verkehr rauscht quasi vor seinem Küchentisch vorbei.

Er weiß genau, wann die meisten Lkw vorbeirollen, wann es eher ruhig ist. „Kommen Sie so gegen 15 Uhr vorbei, dann ist immer am meisten los“, sagte er der SZ. Und wirklich am frühen Nachmittag donnert ein Fahrzeug nach dem anderen durch Feldschlößchen. Deshalb kann er sich auch nicht über die Zusage des Landratsamtes Bautzen freuen, nachts eine Tempobeschränkung für Lkw zu verhängen. „Zwischen 22 und 6 Uhr sind ohnehin kaum große Lkw unterwegs. Die Regelung müsste tagsüber gelten. So ist der Effekt fast null. Die jetzt getroffene Vereinbarung ist für mich nur eine Beruhigungspille“, sagt er. Tempo 30 auch tagsüber würde das Lärmproblem mindern, ist Jochen Richter überzeugt. Und gleich eine Reihe anderer Probleme auch, beispielsweise die Verkehrssicherheit erhöhen. „Meine beiden Söhne betreiben in Feldschlößchen den Elektronikmarkt EP Richter. Da ist viel Publikumsverkehr. Wenn ein Kunde Pech hat, dann wartet er eine gefühlte Ewigkeit, bis er von unserem Parkplatz auf die Radeberger Straße fahren kann. Mitunter reißt der Verkehrsstrom nicht ab.“ Außerdem fahren nach dem Eindruck von Jochen Richter die meisten Autos schneller als die erlaubten 50 Kilometer pro Stunde. „Da ist es gefährlich, auf die Straße zu fahren.“

Die Gemeinde Wachau hatte bereits vor einigen Wochen eine Tempoanzeige an der Straße in Feldschlößchen installiert. Sie zeigt jedem Fahrer die Geschwindigkeit an, verbunden mit einem lachenden oder einem schmollenden Gesicht, je nachdem ob er die Geschwindigkeit einhält oder nicht. „Sehen die Autofahrer die Tafel, dann reduzieren sie nur kurz die Geschwindigkeit“, sagt er. Für ihn würde daher nur die Reduzierung auf Tempo 30 tagsüber einen wirklichen Gewinn bringen.

Ähnlich argumentieren die Autoren des Lärmaktionsplanes, den die Gemeinde Wachau in Auftrag gegeben hatte. Das Ingenieurbüro Dr. Brenner schlägt eine Verminderung auf Tempo 30 in den Ortsdurchfahrten Leppersdorf, Seifersdorf und Feldschlößchen vor. Nach ihren Berechnungen würden dadurch rund 80 Anwohner weniger von starkem Lärm betroffen sein. „Die Anordnung von Tempo 30 tagsüber hätte außerdem den Vorteil, dass der Schulweg sicherer würde“, sagte Dr. Uwe Frost, einer der Autoren.

Verkehrsbehörden lehnen das mit der Begründung ab, eine solche Geschwindigkeitseinschränkung auf einer Staatsstraße ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn es Engstellen gibt. Neben der nächtlichen Temporeduzierung hatten Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv), Gemeinde und Einwohner von Seifersdorf und Feldschlößchen ein ganzes Paket zur Lärmreduzierung ausgehandelt. So ist geplant, die Hauptverkehrsstraße durch beide Orte zu erneuern. Nach Angaben von Lasuv-Mitarbeiterin Isabel Siebert wird eine lärmoptimierte Asphaltschicht verlegt. Bei Geschwindigkeiten von 30 bis 50 Kilometer pro Stunde werden dadurch die Geräuschimmissionen dauerhaft um zwei Dezibel reduziert. Außerdem soll in Seifersdorf ein durchgängiger Fußweg angelegt werden.

Das jetzt vereinbarte Tempolimit von 22 bis 6 Uhr für Lkws soll bis zur Fahrbahnsanierung bestehen bleiben. Diese Arbeiten können nach Angaben der Lasuv-Mitarbeiterin allerdings erst beginnen, wenn die neue S 177 zwischen Radeberg und der A 4 bei Leppersdorf fertiggestellt ist. Das wird voraussichtlich erst ab dem Jahr 2021 der Fall sein. Außerdem müssten zum geplanten Baubeginn die nötigen Haushaltsmittel bereitliegen. Die Gesamtkosten für die Sanierung beider Ortsdurchfahrten liegen laut Lasuv bei insgesamt knapp 450 000 Euro für die Deck- und Binderschicht. „Die Mehrkosten für den lärm-optimierten Asphalt betragen nach aktueller Berechnung 58 000 Euro“, sagt Isabel Siebert.

Einwohner von Feldschlößchen und Seifersdorf kämpfen seit Jahren gegen den Verkehrslärm. Tausende Autos rollen täglich durch die beiden Orte.