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Der digitale Tankbetrug

Eine rumänische Bande soll Diesel für 3,5 Millionen Euro erbeutet haben – mit gefälschten Zahlungskarten.

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© dpa

Von Alexander Schneider

Eine einsame Tankanlage im Gewerbegebiet von Klipphausen, gleich an der Autobahn 4. Brummifahrer versorgen sich hier mit Diesel. Sie zahlen bargeldlos an Automaten, die Tankstelle läuft ganz ohne Personal. Nachts ist es hier besonders ruhig. Es ist nur das Rauschen der nahen Autobahn zu hören. Die Anschlussstelle Wilsdruff ist ein Kilometer entfernt. Nur selten fährt ein Auto durch die Dresdner Straße. Ideale Bedingungen für Gauner, die im Schutz der Dunkelheit den Tankautomaten manipulieren, um an sensible Informationen zu kommen – die Daten der Tankkarten samt der Pin-Nummern, die von den Truckerfahrern beim Bezahlen an dem Terminal eingetippt werden müssen.

Doch am frühen Morgen des 8. Mai vergangenen Jahres waren zwei mutmaßliche Täter nicht allein, als sie an der Dachkonstruktion der Tankstelle eine in einer Verteilerdose versteckte Kamera abmontierten. Kripobeamte aus Meißen observierten den Tatort, weil die kleine Kamera dem Betreiber aufgefallen war. Um 4.45 Uhr nahmen sie die beiden Verdächtigen fest. Die 27 und 29 Jahre alten Rumänen sitzen seit dem in Untersuchungshaft und müssen sich derzeit vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Die Staatsanwaltschaft rechnet sie einer Fälscherbande zu, die im großen Stil Kraftstoff erbeutet – mittels gefälschter Tankkarten.

Der unter dem Begriff „Skimming“ bekannte Trick ist Jahre alt, die Masche jedoch neu. Während früher Daten von Kunden an Geldautomaten ausgespäht wurden, um später mit kopierten EC- und Kreditkarten die Konten zu plündern, konzentrieren sich die Täter nun auf Lkw-Fahrer und Tankkarten. Auch von diesen Karten lassen sich Dubletten erstellen, anstelle von Bargeld erbeuten die Täter Kraftstoff.

Das kann sich lohnen. Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) hat die Fälscherbande europaweit einen Schaden von 3,5 Millionen Euro verursacht. Seit Anfang 2014 ermittelt das BKA – die Abteilung für schwere und organisierte Kriminalität – gegen die Täter. Es ist ein internationaler Fall. Neben Deutschland wurden Tankstellen in Luxemburg, Belgien, Frankreich, Österreich, Ungarn und der Schweiz ausgespäht. Nachdem das BKA Ende 2014 bereits fünf weitere Verdächtige festgenommen hat, wurden erst Ende Februar im hessischen Hanau zwei weitere Männer verhaftet. Sie alle stammen aus Rumänien – und sollen zur selben Gruppierung zählen wie die Dresdner Angeklagten.

„Der Schlag gegen den Fälscherring ist ein Erfolg bei der Bekämpfung der internationalen Zahlungskartenkriminalität“, sagt BKA-Präsident Holger Münch. Die Ermittlungen belegten, wie schnell Täter auf technische Veränderungen reagieren. Nachdem Kreditwirtschaft und Banken Skimming an Geldautomaten erschwert haben, wenden sich die Täter neuen Zielen zu, wie etwa Tankkartendaten. Münch: „Selbst Tankbetrug ist heute digital.“

Eines der geschädigten Unternehmen ist „Tankpool24“, ein Zusammenschluss zahlreicher Tankstellenbestreiber mit europaweit mehr als 700 Standorten. „Diese neue Masche ist uns erst seit einem Dreivierteljahr bekannt“, sagt Geschäftsführer Rüdiger Schuma. Auf knapp 700 000 Euro beziffert er den Schaden seiner Mitgliedstankunternehmen. Alles Dieselkraftstoff. Andere Firmen seien weit stärker betroffen. Schuma staunt über die Logistik, mit der die Bande zurechtkommen muss. „Diesel ist ein unangenehmes Produkt“, sagt Schuma. Man brauche Tanks. Schuma glaubt, die Bande verkauft den Sprit billig weiter, um schnell an Bargeld zu kommen.

Es könnte jedoch noch mehr dazukommen. Es gibt Tankkarten mit Kreditkartenfunktion, mit denen auch Bargeld abgehoben oder Einkäufe bezahlt werden kann. Bei den Verdächtigen aus Klipphausen wurden solche Karten gefunden.

Alle Ermittlungsverfahren führt nun Staatsanwaltschaft Dresden. Dort kennt man sich auch mit klassischem Skimming gut aus. Im aktuellen Prozess jedoch gibt es ein Problem. Bei den Angeklagten wurde zwar eine Kamera gefunden, aber keine Skimming-Technik, mit der die Daten von Tankkarten ausgelesen werden können. Die braucht es jedoch für den Betrug.