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Der entscheidende Tag im Oktober 1989

Am 19. Oktober vor 25 Jahren versammelten sich über 10 000 Zittauer in den Kirchen. Es war der Anfang von etwas Großem.

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Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt ist der Ansicht, dass es vor 25 Jahren einen Zeitpunkt gab, wo die Angst die Seiten gewechselt hat. In Zittau war dieser Zeitpunkt der 19. Oktober 1989. Davon ist Peter Dierich überzeugt. Der spätere Rektor der Hochschule Zittau/Görlitz war in der Zeit der friedlichen Revolution einer der wichtigsten Akteure. So bereitete er auch jene Veranstaltung am 19. Oktober mit vor, die als Beginn des Umbruchs in der Oberlausitz gilt. Während in Großstädten wie Berlin und Leipzig schon Tage zuvor Tausende auf die Straßen gegangen waren, wurde nun auch erstmals in einer Kleinstadt für Veränderungen eingetreten. Mehr als 10 000 Menschen waren zur Johanniskirche gekommen. In dem Gotteshaus hatten aber nur 2 000 Leute Platz. Deshalb entschieden die Kirchenverantwortlichen ganz spontan, auch die Klosterkirche sowie die katholische Marienkirche zu öffnen.

Zwischen Pfarrer Lothar Alisch, in dessen Wohnung die Initiativgruppe Neues Forum Oberlausitz diesen Abend vorbereitet hatte, und dem Rat des Kreises gab es im Vorfeld Absprachen. Eine Art Sicherheitspartnerschaft. Die Polizei sollte sich demnach im öffentlichen Erscheinungsbild zurückhalten. Was sie auch tat: Auf Zittaus Straßen war an jenem, bewegenden Abend kaum ein Polizist zu sehen. Im Gegenzug musste die Kirche versprechen, dass es im Anschluss an den Gemeindeabend – wie die Veranstaltung offiziell bezeichnet wurde – keine Demonstration gibt. Angesichts des riesigen Andrangs – die Johanniskirche war bereits eineinhalb Stunden vor Beginn der Veranstaltung rappelvoll – stellte sich die Frage, ob sich alle der über 10 000 Teilnehmer daran halten würden. „Die Stimmung war nicht so, dass jemand gewalttätig wird“, blickt Thomas Pilz auf den Abend des 19. Oktober 1989 zurück.

Allerdings blieb die Unsicherheit, wie sich die Offiziershochschule verhalten würde. Sie war in Alarmbereitschaft versetzt und hätte bei einem entsprechenden Befehl von oben sofort eingegriffen. „Die Offiziersschüler waren von der Wahrheit abgeschottet, ihnen wurde erzählt, dass das Neue Forum tätlich gegen Staatsorgane vorgeht, obwohl wir überall keine Gewalt angezeigt hatten“, berichtet Andreas Schönfelder, einer der wichtigsten Protagonisten jener Zeit. Unter den zukünftigen Offizieren habe es einige gegeben, die heiß darauf waren, loszulegen, andere fürchteten sich davor, eigene Verwandte festnehmen zu müssen. Letztlich mussten sie dies nicht tun, der Befehl von oben kam nicht. Pläne, die Hauptakteure festzunehmen, gab es aber durchaus. Das wurde durch Dokumente deutlich, die Wochen später bei der Besetzung der Stasi-Zentrale an der Zittauer Bahnhofstraße gefunden wurden.

„Mich erinnert der Herbst 1989 immer wieder daran, welch verändernde Kraft wir Menschen entwickeln können, wenn wir uns freimachen von Angst und Fremdbestimmung“, sagt Thomas Pilz.Seite 9

Am Sonntag um 16 Uhr findet in der Klosterkirche Zittau eine Festveranstaltung und ein Konzert zu „25 Jahre Friedliche Revolution in der Oberlausitz statt“.