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Der Frust der Bauern

Um auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen, protestierten Landwirte in Bischofswerda. Sie planen weitere Aktionen.

Von Ingolf Reinsch
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Landwirt Christian Ahrens steht in Schmiedefeld vor dem Traktor, mit dem er in Berlin war, um mit Tausenden anderen Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu protestieren.
Landwirt Christian Ahrens steht in Schmiedefeld vor dem Traktor, mit dem er in Berlin war, um mit Tausenden anderen Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu protestieren. © Steffen Unger

Großharthau. Es gibt viele Möglichkeiten, besser nach Berlin zu fahren als auf einem Traktor. Landwirt Christian Ahrens aus dem Großharthauer Ortsteil Schmiedefeld nahm im November letzten Jahres den weiten Weg trotzdem auf sich. So wie viele andere Bauern aus der Region. Als sie in Schwarzadler bei Bautzen abfuhren, waren es rund 100 Traktoren, berichtet der 45-Jährige. Bis zur sächsisch-brandenburgischen Grenze war der Tross schon auf 300 Schlepper angewachsen. In Berlin waren es schließlich 8.600 Landwirte aus ganz Deutschland, die gegenüber der Bundesregierung ihrem Ärger über die aus ihrer Sicht verfehlte Agrarpolitik Deutschlands und der Europäischen Union Luft machten. Neun Stunden mit Pause sind sie, begleitet von der Polizei, eine Strecke gefahren. Christian Ahrens ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Landwirte sauber in die Bundeshauptstadt hineingefahren sind und diese wieder verlassen haben, ohne Müll zu hinterlassen oder einen Unfall zu verursachen. „Wir wollen uns nicht radikalisieren. Unser Protest zielt auf friedliche Aktionen“, sagt er.

Im Dezember erreichte der Protest auch sächsische Städte. Unter anderem in Bischofswerda, Kamenz und Zittau kam es zu spontanen Zusammenkünften, sogenannten Flashmobs. Für Januar sind weitere Aktionen geplant, sagt Christian Ahrens, der sich mit anderen Landwirten – im Bischofswerdaer Raum unter anderem Mike Krause aus Großdrebnitz – in der Initiative „Land schafft Verbindung“ engagiert.

Christian Ahrens war 21 Jahre alt, als er mit seinem Vater in Schmiedefeld den Betrieb für die Ferkelzucht gründete. Es ist nach wie vor ein Familienbetrieb, in dem der Landwirt mit seiner Frau, einem vollbeschäftigten Mitarbeiter sowie einem Beschäftigten in Teilzeit arbeitet. In den Ställen gibt es 450 Zuchtsauen. Zum Hof gehören 200 Hektar Land. Im Jahr 2013 wurde der Betrieb modernisiert. Das vergangene Jahr lief bei ihm durchschnittlich, berichtet er. Die Preise schwanken. Nach vier Jahren mit sehr niedrigen Preisen gibt es jetzt wieder ein leichtes Hoch. Doch es werde nicht einfacher durch immer wieder neue Verordnungen und steigende Auflagen, erwartet der Schmiedefelder.

Diskussion an Landwirten vorbei

Schwer auf den Magen schlägt ihm vor allem die neue Düngemittelverordnung, die voraussichtlich in diesem Frühjahr in Kraft treten wird. Deutschland soll auf Grundlage der EU-Nitratrichtlinie fürs Grundwasser die Bestimmungen ein weiteres Mal verschärfen. Erst im Jahr 2017 war die Düngemittelverordnung neu gefasst worden. Das stößt bei Landwirten deutschlandweit auf Unverständnis, zumal die Diskussion bisher weitgehend an ihnen vorbei lief. Eine belastbare Datengrundlage gibt es nicht, sagen sie. Deutschlandweit existieren rund 11.000 Messstellen, die nicht nach einheitlichen Standards arbeiten. Viele dieser Messstellen befinden sich im städtischen Bereich. Repräsentativ könnten die gemessenen Werte da nicht sein. Hinzu komme, dass die Bundesregierung nur die sieben schlechtesten Werte nach Brüssel meldete. Es sei vor allem diese Auswahl, die dazu geführt habe, dass Deutschland sich nun bei der EU für Grenzwertüberschreitungen bei der Nitratbelastung verantworten müsse. „Niemand weiß, wie viel Nitrat wirklich aus der Landwirtschaft kommt und wie viel aus Klärwerken, und trotzdem überzieht man die Bauern mit Auflagen, die in vielen Fällen existenzbedrohend sind“, sagt Christian Ahrens. Er fordert eine Gleichbehandlung. Landwirte, sagt er, dürften nicht der Buhmann sein.

Hinzu kommt: Die nach Brüssel gemeldeten Werte wurden bereits im Jahr 2012 gemessen. Inzwischen gab es Veränderungen, die sich auf das aktuelle Messergebnis auswirken würden. Landwirte, wie der Schmiedefelder, betonen, schon jetzt sparsam mit Dünger umzugehen. Doch ganz lässt er sich in der konventionellen Landwirtschaft nicht umgehen. Tritt die geplante Verschärfung in Kraft, sei die Produktion von Brotgetreide in Deutschland nicht mehr garantiert, macht „Land schafft Verbindung“ geltend. „Neben vielen anderen undurchdachten und nicht praktikabeln Vorschriften kann auch eine ausreichende Nährstoffversorgung für die Pflanze nicht mehr gewährleistet werden, dies ist wissenschaftlich belegbar und wird von der Politik negiert“, schrieb die Vereinigung anlässlich des Flashmobs Mitte Dezember.

Sorgen um Zukunft des Berufsstandes

„Wir wollen den Dialog mit Politikern und Verbrauchern darüber, was Landwirtschaft heute bedeutet und wie Umweltbelastung insgesamt reduziert werden kann“, sagt Christian Ahrens. Im Herbst stellte er als einer der ersten im Raum Bischofswerda am „Dürren Fuchs“ an der B 6 ein Grünes Kreuz auf. Weitere folgten, zum Beispiel gegenüber der Tankstelle in Putzkau. Marco Birnstengel, Chef der Landbewirtschaftung Wesenitztal, hat es dort aufgestellt und seine Sorgen aufgeschrieben. Es geht um den Preisverfall für landwirtschaftliche Erzeugnisse weltweit und das Preisdiktat der Nahrungsmittelkonzerne, um die Zukunft des Berufsstandes – „Busfahrer streiken für 15,66 Euro Stundenlohn, der Malertarif liegt bei 12,60 Euro, der Mindestlohn in der Landwirtschaft beträgt 2020 9,35 Euro“ – sowie um die Wertschätzung der Arbeit der Bauern sowohl durch Politiker als auch durch die Bevölkerung. Bitter konstatiert der Unternehmer: „Die Politiker beachten uns kaum noch, weil das Wählerpotenzial zu gering ist.“

Immer höhere Auflagen haben für die Betriebe wachsende Kosten zur Folge, ohne dass sich deren Produktivität dadurch erhöht, sagt Christian Ahrens. Dabei arbeite Deutschland schon jetzt nach den strengsten Normen im Bereich der EU. Auch er macht auf einen Widerspruch aufmerksam: Immer mehr Menschen wünschen sich eine „grüne“ Landwirtschaft. Doch nur wenige sind bereit, fürs Essen auch mehr Geld auszugeben. Regionalität gehe so verloren. Das jüngste Beispiel sei der Schlachthof in Altenburg, der im ersten Quartal das Schlachten von Schweinen einstellen wird. Es ist der letzte große Schlachthof für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

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