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Der letzte Industrieriese auf der Leipziger

Im Pharmawerk Menarini-Von Heyden werden rund um die Uhr Pillen gepresst. Der Standort ist ein besonders denkwürdiger.

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© Sven Ellger

Von Ulrike Kirsten

Elke Edelmanns Arbeitsstätte könnte problemlos als Kulisse für einen Science-Fiction-Film herhalten. Es wirkt futuristisch, fast utopisch, was sich hinter den historischen Mauern in der Leipziger Straße 7 tut. Vermummte laufen die Korridore auf und ab, manche sitzen hinter Glasscheiben, in speziell gesicherten Räumen. Im früheren Arzneimittelwerk Dresden (AWD) arbeiten moderne Anlagen zur Herstellung und Verpackung fester Arzneimittel. Das italienische Unternehmen Menarini mit Hauptsitz in Florenz hat das Werk 2006 gekauft. Die Menarini-Gruppe operiert weltweit, beschäftigt 16 000 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von etwa drei Milliarden Euro. Der Dresdner Standort ist dabei ein äußerst revolutionärer. Hier entwickelte der Chemiker Friedrich von Heyden 1874 erstmals ein Verfahren, um Salicylsäure, den Ausgangsstoff für Aspirin, chemisch rein im industriellen Rahmen herstellen zu können. Das Werk wird deshalb als Menarini-Von Heyden GmbH geführt.

Auf der Leipziger Straße ist das Pharma-Werk die letzte große Produktionsstätte. Reinheit ist hier oberstes Gebot, weiße Hygienekleidung ist Pflicht. Ihre Haare hat Elke Edelmann deshalb unter eine weiße Haube geschoben, sie trägt blaue Einweg-Handschuhe und einen Mundschutz. Schmuck ist ebenso wenig erlaubt, wie die Ärmel der Arbeitskleidung während der Produktion hochzukrempeln. Haare und Hautschuppen könnten sonst in die Produkte fallen. „Die Qualität wird bei uns ständig kontrolliert, mehrmals in den einzelnen Produktionsbereichen“, sagt die Leiterin der Verpackungsabteilung.

Zu ihren Aufgaben gehört es beispielsweise zu überprüfen, dass keine zerbrochenen Tabletten in den Blistern landen. Bevor die Dragees und Tabletten bei Elke Edelmann auf der Verpackungslinie ankommen, werden die Einsatzstoffe abgewogen, anschließend gemischt, granuliert und zu Tabletten gepresst. Ein Atemschutz ist in einigen Bereichen ein Muss. Sonst könnten sich die Partikel mancher Pulver in den Schleimhäuten der Mitarbeiter festsetzen. Ohne Feinstaubmaske wäre das eine gesundheitsgefährdende Angelegenheit.

Rund 300 Mitarbeiter sind am Standort beschäftigt. Unter anderem als Pharmakanten, Chemielaboranten, Mechatroniker, Mechaniker und Apotheker. „Hinzu kommen etwa 50 bis 60 Zeitarbeitskräfte“, sagt Werksleiter Jürgen Langer. Zudem gibt es derzeit 16 Auszubildende. Die Mitarbeiter produzieren an der Leipziger Straße Tabletten, Dragees und Filmtabletten. „Der Vertrieb läuft über das Mutterunternehmen und Tochterfirmen. Zu denen gehört auch die Berlin-Chemie“, sagt Langer. „Wir erreichen bis zu 1 800 Tonnen jährlich.“

Hergestellt werden in Dresden Medikamente gegen Diabetes und Gicht, Tabletten gegen Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen, Schmerz- und Potenzmittel. Die Produkte sind für verschiedene Märkte wie Südamerika, Osteuropa, Australien und Neuseeland.

Nun soll die Produktion sogar noch ausgebaut werden. „Wir arbeiten derzeit im Dreischichtsystem, rund um die Uhr, auch an Samstagen“, sagt Langer, der Verfahrenstechnik studiert und 1978 beim AWD angefangen hat. Erhebliche Probleme hatte das Werk jedoch im vergangenen Jahr durch das Hochwasser im Juni. Die Herstellung musste sogar unterbrochen werden, erzählt der 62-Jährige. „Auf Dauer kann man sich das nicht leisten. Um das künftig bei möglichen Flutereignissen zu vermeiden, bauen wir derzeit an, um dort wichtige Versorgungseinrichtungen in höherer Lage unterzubringen“,