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Der „Motor in Sachen Kultur“ läuft noch rund

Das hat sie allen schon im Vorfeld verkündet: „Keine Abschiedsgeschenke: Ich bleibe. Ich werde doch erst 60.“ Seit Donnerstag steht nun die Sechs vor der Null. Carmen Funke – Musiklehrerin am Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium,...

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Von Annett Preuß

Das hat sie allen schon im Vorfeld verkündet: „Keine Abschiedsgeschenke: Ich bleibe. Ich werde doch erst 60.“

Seit Donnerstag steht nun die Sechs vor der Null. Carmen Funke – Musiklehrerin am Friedrich-Schleiermacher-Gymnasium, Leiterin der Regionalstelle Niesky der Kreismusikschule und 35 Jahre Chorleiterin – feierte ihren Geburtstag so, wie man sie kennt: im Kreise vieler Menschen, mit Humor und natürlich mit Musik. Musikalische Glückwünsche gehörten deshalb auch zum Repertoire ihrer Gäste.

Hastig stürzt eine Frau in den Saal. Ihr Schlüsselbund fliegt klirrend auf den Tisch, die Aktentasche in die Ecke – und los geht es mit einer imaginären Probe des Frauenchores. „Mum, mum, mum . . .“ 20 Frauen stimmen eine Tonleiter, singen dann ein Lied nach dem anderen. Da gelingt mal ein Einsatz nicht richtig oder ist ein Ton nicht sauber getroffen. Die Texte sind sowieso umgedichtet. In die Rolle der Chorleiterin ist Roswitha Kretschmer geschlüpft. Die schwingt vor und zurück, lobt, rügt und dirigiert natürlich – eben wie das Geburtstagskind im wirklichen Leben und in einer richtigen Probe.

Carmen Funke lacht, staunt, klatscht und ist selbst auf dem Stuhl immer in Bewegung – so verfolgt sie das Ständchen, das ihr „ihre Frauen“ an diesem Abend bringen. Seit 1968 leitet sie den Frauenchor der Polizei und wird an diesem Abend für ihre 35-jährige Chorleiter-Tätigkeit auch ausgezeichnet. „Ich kenne sie mehr als 40 Jahre“, sagt Gretel Ackermann, mit 67 Lenzen eine der langjährigen singenden Wegbegleiterinnen. „Sie ist mit ihren Ideen ein Motor in Sachen Kultur in Niesky.“ Gretel Ackermann schätzt außerdem ihr Gespür für Menschen und: „Ihr gelingt es sehr gut, unseren Chor immer wieder zu motivieren.“ Vereinschefin Renate Voigt formuliert, was die mehr als 20 Frauen denken: „Wir hoffen, dass sie weitermacht.“

Darauf bauen auch die Musiker-Kollegen, die an der Regionalstelle Niesky der Kreismusikschule unterrichten und am Abend zu den Gästen gehören. Carmen Funke hob 1990 die Musikschule „Johann Brussig“ in Niesky aus der Taufe, die 1995 Regionalstelle der Kreismusikschule wurde. „Frau Funke ist ein sehr freundlicher Mensch und deshalb eine besondere Chefin“, sagt Irina Tomaschwili, die seit acht Jahren an der Musikschule Klavier unterrichtet. Ihre freundliche Art strahle auf die Atmosphäre an der Schule aus. Ob Schüler oder Lehrer – mit ihr könne man über alles reden. „Sie findet immer Zeit.“

Musikbegeistert sei sie, doch keine super Musikerin, sagte Carmen Funke anlässlich ihres 30-jährigen Chorleiter-Jubiläums 1998 über sich selbst. Ihre Mutter achtete darauf, dass jedes der sechs Kinder ein Instrument erlernte. Carmen Funke begann am Klavier. Tanz, Theater, auch Sport – da lagen eigentlich ihre Interessen in Kinder- und auch noch in Jugendjahren. „Ursprünglich wollte ich Biologie- und Sportlehrerin werden.“ 1955 zog die Familie von Weimar nach Niesky. Eine Schwester nahm sie mit in eine „Stunde der Musik“. Carmen Funke sattelte um, studierte in Löbau und Berlin: Die Musik wurde zum Mittelpunkt ihres Lebens.

Ihre große Liebe gehört der Klassik. Das wissen ganze Schülergenerationen. Das wissen „ihre Frauen“. Als der Frauenchor 1998 die Möglichkeit bekam, bei einem Orchesterfest in Hoyerswerda an Beethovens 9. Sinfonie mitzuwirken, nahmen sie und die Sängerinnen das als Herausforderung an: „Einmal im Leben muss man Beethoven gesungen haben“, sagte sie, mal nicht Dirigentin, sondern Sängerin. Doch Carmen Funke ist auch moderner Musik gegenüber aufgeschlossen, kümmert sich um Nachwuchs, ist bemüht, Projekte anzuschieben und zusammenzuführen, zwischen Schule und Musikschule, zwischen Vereinen und zwischen verschiedenen Bereichen wie Instrumentalausbildung, Theater, Rhythmik, Tanz, Laienspiel.

„Wir würden uns freuen, so wie früher wieder einmal gemeinsam ein Programm zu gestalten“, sagen Gundram und Heidi Hübner, die Leiter des Nieskyer Akrobatikteams. Mädchen und Jungen gratulieren mit schweißtreibenden Kostproben ihres Könnens. Hübners kennen die couragierte Musikschul-Leiterin gut 20 Jahre: „Carmen ist ein Pfundskerl. Mit ihr kann man durch Dick und Dünn gehen.“

Sie möge sich ihren Humor bewahren, sagt einer der Gratulanten. Carmen Funke stellt ihn auch an ihrem Geburtstag unter Beweis: „Zu unseren Chorwochenenden im Herbst gönne ich den Frauen mal was und besorge ihnen einen Mann“, sagt sie lachend. Der einzige Mann, den der Frauenchor „duldet“, ist Klaus-Dieter Backert, selbst Leiter mehrerer Chöre, Stimmbildungsspezialist, Sprecherzieher und seit acht Jahren als Leiter der Regionalstelle Weißwasser auch Berufskollege von Carmen Funke. Die Zusammenarbeit mit dem Frauenchor habe sich zu einer schönen Tradition entwickelt, sagt er. „Ich wünsche ihr und mir, dass wir weiter gemeinsam Musik machen.“

Genau das möchte Carmen Funke: „Mit 105 höre ich auf.“