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Der Mülljäger

Maik Zimmer setzte einer illegalen Müllentsorgung im Dorf ein Ende – mit Nachbarschaftshilfe und detektivischem Einsatz.

Von Verena Schulenburg
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Maik Zimmer ärgerte sich nicht nur darüber, sondern zeigte Initiative. Mithilfe anderer legte er sich nachts auf die Lauer, um dem Verursacher auf die Schliche zu kommen – mit Erfolg.
Maik Zimmer ärgerte sich nicht nur darüber, sondern zeigte Initiative. Mithilfe anderer legte er sich nachts auf die Lauer, um dem Verursacher auf die Schliche zu kommen – mit Erfolg. © Karl-Ludwig Oberthür

Wenn Maik Zimmer mit Fiffy spazieren geht, fällt sein Blick unwillkürlich nach unten. Verpackungsreste, verbeulte Blechdosen, Papier und Kippen: Was andere fallen lassen, hebt der Goppelner wieder auf. 

Mit Beutel und Kneifzange in der einen und der Hundeleine in der anderen Hand dreht er täglich Runden durch seinen Wohnort und darüber hinaus. Maik Zimmer macht das nicht etwa aus Langeweile. Der 52-Jährige ist Familienvater und berufstätig, arbeitet im Schichtsystem eines Heizkraftwerks. Seine Freizeit könnte er anders nutzen.

Doch die Achtlosigkeit, mit der andere ihren Müll entsorgen, stört ihn extrem. Maik Zimmer mag nicht mehr wegschauen. „Irgendwann hat man die Nase voll“, sagt er entschlossen. Mit dieser Entschlossenheit und mit Unterstützung aus der Nachbarschaft gelang ihm, was so oft nicht gelingt: Einen Müllsünder, der regelmäßig sein Unwesen treibt, zu ertappen und in die Verantwortung zu nehmen.

Aber von vorn: Vor einigen Monaten fiel dem Goppelner auf seinen Runden mit Fiffy vermehrt Müll auf. Nicht etwa nur vereinzelt hier und da. Ganze Straßenzüge des Bannewitzer Ortsteils waren von Papierschnipseln übersät. Maik Zimmer sammelte den Dreck ein, so gut es ging. Doch ständig lag neuer Müll auf Asphalt und Wiesen. Der 52-Jährige schaute genauer hin. „Es waren oft Eisverpackungen dabei und immer dieselbe Sorte Feuchttücher“, erzählt er. Hinzu kam, dass der Dreck regelmäßig freitags an den Straßenrändern im Ort abgekippt wurde. Ganz schlimm sei es entlang der Leubnitzer Straße gewesen, direkt am Ortseingang.

Wild herumliegender Müll verdreckte regelmäßig die Straßen von Goppeln.
Wild herumliegender Müll verdreckte regelmäßig die Straßen von Goppeln. © Maik Zimmer

Maik Zimmer überlegte nicht lange. Mehrfach hockte er sich früh morgens um 4 Uhr auf die Böschung an der Straße. „Ich vermutete erst, es müsse irgendwann in den Morgenstunden passieren“, erzählt er. Doch der Müllsünder tauchte nicht auf. Dann versuchte er es abends. Mit einem Verbündeten aus dem Ort wollte er sich nach der Dämmerung auf die Lauer legen. An jenem Abend ging der Kollege schon vor, setzte sich ins Gebüsch – und hatte Glück. Nach 22 Uhr stoppte ein Auto an der Leubnitzer Straße, Müll flog heraus. Zimmers Mitstreiter rannte hin, stellte den Täter zur Rede und rief die Polizei. Hinterm Steuer saß eine Frau. Ihr habe sofort alles leidgetan und sie versicherte, es nie wieder zu machen, erzählt Maik Zimmer, der an jenem Abend nur wenige Minuten später in die Situation platzte. Wie sich herausstellte, wohnt die Frau am Stadtrand in Dresden. Ihr droht nun ein hohes Bußgeld. Der Spuk aber um die müllbedeckten Straßenzüge ist seitdem vorbei.

Darüber sind nicht nur Maik Zimmer und andere Anwohner erleichtert. Im Bannewitzer Rathaus ist man für das Engagement in Goppeln dankbar. „Ohne die Hilfe der Anwohner wäre die Verschmutzung immer weiter gegangen und wir hätten nie den Verantwortlichen herausgefunden“, sagt Sylvia Stiller. Für die Bannewitzer Ordnungsamtschefin sind Müllsünder stets ein Ärgernis. Vom Hausrat über Autoreifen bis hin zu Kühlschränken hole der kommunale Bauhof so manchen Unrat von Straßen und aus Büschen. Dass die Verursacher zur Rechenschaft gezogen werden können, gelinge nur im Glücksfall, meint Stiller.

Auch auf der Wiese findet sich Müll.
Auch auf der Wiese findet sich Müll. © Maik Zimmer

Seit dem Triumph gegen die Müllsünderin ist es zwar ruhiger geworden in Goppeln. Gänzlich vom Müll befreit ist der Ort dennoch nicht. Maik Zimmer dreht weiter seine Runden mit Fiffy. Dass er hin und wieder dabei von der Seite angeschaut wird, stört ihn nicht. „Darüber bin ich hinweg“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. 22 große Müllsäcke hat der Goppelner schon seit April gefüllt, eben seitdem er der Sünderin auf der Spur ist. Die Säcke nimmt ihm der Bauhof der Gemeinde dankbar ab. Er will weitermachen. Nur warum will er das noch?

Die vergangenen Monate haben sein Bewusstsein gestärkt. Zimmer sieht sich nicht als Umweltaktivist, nicht als Grüner. Aber er ist ein kritischer Zeitgeist, vielleicht kein Weltretter, aber ein Weltverbesserer. Sein Umfeld ist ihm jedenfalls nicht gleichgültig. Diese Sichtweise wünscht sich der Familienvater auch von anderen. Jeder könne etwas für sein Lebensumfeld tun, auch über den eigenen Gartenzaun hinaus Müll aufheben oder gar nicht erst in der Landschaft entsorgen. Mit seinem Engagement will Maik Zimmer auch andere zum Nachdenken anregen, so wie mit dem Spruch auf seinem schwarzen Shirt, das an den Trickfilmhelden Wall-E erinnern soll: „Der Letzte räumt die Erde auf.“