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Der Oybin grüßt von der Hauswand

Fleischermeister Ehrenfried Kindscher hat seine Fassade mit dem markanten Berg verschönern lassen. Das stößt auch auf internationales Interesse.

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© SZ Thomas Eichler

Von Jan Lange

Die Zittauer Schmalspurbahn fährt seit Donnerstag am Haus von Ehrenfried Kindscher entlang. Darüber ist der Fleischermeister sehr froh, denn bei dem bimmelnden Zug handelt es sich nicht etwa um die echte Kleinbahn, sondern um ein riesiges Wandgemälde. Der Großschönauer Maler Uwe Klaus hat damit die Fassade der früheren Fleischerei an der Bahnhofstraße verschönert. Drei Tage malte er an dem vier mal drei Meter großen Bild, auf dem der Berg Oybin samt der Bimmelbahn zu sehen ist. „Die nackige Hauswand bietet sich ja dafür an“, findet Kindscher.

Wenn es die Fleischerei noch geben würde, hätte er auch Reklame anbringen können, meint der 58-Jährige. Doch die Fleischerei Kindscher wurde bereits 2007 endgültig geschlossen – nach fast 80 Jahren. 1928 hatte sie Adolf Kindscher, der Großvater des heutigen Hauseigentümers, gegründet. Zuvor war in dem Gebäude eine Schmiede untergebracht, die dem Großvater des bekannten Kinderarztes Dr. Gerhard Gruner gehörte.

Harry Kindscher übernahm später den Fleischereibetrieb von seinem Vater. Als er 1978 viel zu früh starb, führten Ehrenfried Kindscher, der drei Jahre zuvor in den Betrieb eingestiegen war, und seine Mutter Christa das Familienunternehmen weiter. Seinerzeit gehörte die Fleischerei zu den bekanntesten in der Stadt Zittau.

Mit der Wende schied Christa Kindscher dann aus und überließ die Leitung der Firma ihrem Sohn allein. Bis 1996 wurden hier auch alle Sorten von Fleisch und Wurst verkauft, ab 1997 stellte der Fleischermeister dann auf Futterfleisch um. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, berichtet Kindscher. Denn in der Stadt und auch der Umgebung gab es keine Schlachthöfe mehr, die Einrichtung auf der Chopinstraße hatte auch ihre Toren geschlossen. Zehn Jahre konnte Ehrenfried Kindscher die Fleischerei so weiter am Leben halten, 2007 war aber der Zeitpunkt gekommen, dass das Geschäft unrentabel war und deshalb für immer geschlossen wurde.

In der Wohnung über der ehemaligen Fleischerei wohnen die Kindschers aber nach wie vor. Nach mehr als 20 Jahren war es nun mal wieder Zeit, die Fassade etwas auf Vordermann zu bringen. 1983 war sie das letzte Mal erneuert worden, 1991 dann noch mal neu gestrichen. Seit vorigem Jahr wurde am Gebäude gearbeitet, nun folgte als Abschluss das riesige Fassadengemälde. „Die Idee hatte meine Frau“, sagt der Fleischermeister. Denn Petra Kindscher ist oft im Gebirge unterwegs, regelmäßig auch mit der Radeltruppe aus Radgendorf, wo sie herstammt.

Uwe Klaus schlug ihnen vor, die Lausche auf der Hauswand zu verewigen. Ein solches Panoramabild hatte er bereits auf eine Hauswand in Waltersdorf „gezaubert“. „Dann wäre es aber nur ein grüner Fleck gewesen“, findet Ehrenfried Kindscher. Wenn schon das Gebirge gezeigt werden soll, kam nur der Berg Oybin infrage. Handelt es sich doch um den schönsten Gipfel des nahen Mittelgebirges. „In der Schulzeit führten die Ausflüge immer zum Berg Oybin“, berichtet der Zittauer Fleischermeister. Und da am Oybin auch die Schmalspurbahn vorbeifährt, durfte sie natürlich nicht auf dem Bild fehlen. „Wir wohnen ja hier in der Bahnhofstraße und da muss auch eine Bahn mit drauf“, meint Petra Kindscher, die in ihrer Freizeit neben Radfahren und Wandern auch Fußball bei Rot-Weiß Olbersdorf spielt.

Für Uwe Klaus war es kein Problem, den Oybin auf der Fassade festzuhalten. „Wald und Berge sind relativ schnell gemalt“, erklärt der Großschönauer. „Gebäude mit vielen Details dauern etwas länger.“ Neben dem Lausche-Gemälde in Waltersdorf hatte er auch schon ein Panoramabild samt Birkmühle auf eine Hauswand in Niederoderwitz gemalt. Derart große Bilder, die mit einer wetterfesten Fassadenfarbe aufgebracht werden, gestaltet der gelernte Schriftenmaler aber nicht so oft. Deshalb arbeitet er beispielsweise auch Türstöcke und alte Möbel auf.

Seine jüngste Arbeit ist bereits auf internationales Interesse gestoßen. Ein Tourist aus England wollte Uwe Klaus sofort für sein eigenes Zuhause engagieren. Und auch japanische Urlauber haben schon vor dem Haus mit ihren Fotoapparaten gestanden. „Wenn die Touristen vom Bahnhof aus in die Stadt reinkommen, sehen sie das Bild schon von Weitem“, sagt Kindscher. Und letztlich ersetzt das Riesengemälde auch den durch das Haus versperrten Blick auf die Silhouette des Zittauer Gebirges.