Von Jörg Stock
Die Postillione vom Tharandter Wald gönnen sich keine Pause. Zumindest keine Winterpause. Zwar haben sie ihre Kutsche in die Remise gestellt. Dafür soll nun der Postschlitten freie Bahn haben. Das Gefährt befindet sich gerade in Polen im Bau. Am Vortag der Wintersonnenwende ist die Jungfernfahrt durch den – möglichst verschneiten – Fichtenforst angesetzt.
Doch Schnee muss nicht unbedingt sein. Das sagt André Kaiser, Chef des 1. Sächsischen Postkutschenvereins in Grillenburg. Der Schlitten ist von weißer Pracht unabhängig, dank eines unter den Kufen versteckten und bei Bedarf ausfahrbaren Räderwerks. „Damit können wir auch schon mal über ein Stück Straße rollen“, sagt Kaiser. Oder über einen Waldweg, auf dem die Förster zwecks Holzabfuhr Winterdienst betrieben haben.
Es wird tatsächlich ein modernes Gefährt. Zumindest was den Unterbau anlangt. Doch wer den Hobbyhistoriker und gelernten Postler André Kaiser kennt, der weiß, dass ohne einen gehörigen Schuss Historie nichts läuft.
Tatsächlich hat Kaiser Vorbilder in der Postvergangenheit aufgetan. Es war im Jahre 1938, als die Deutsche Reichspost Postkutschen für den touristischen Gebrauch in Kurorten bauen ließ. In Sachsen lagen diese Orte bergig, sodass die Kutschen im Winter nicht zu gebrauchen waren. Also schaffte man die „Pferdepersonenpostschlitten“ an. Nachweisbar sind solche Gespanne für Oberwiesenthal, Oberschlema, Eibenstock und Bad Elster/Bad Brambach. Bis zu acht Fahrgäste brachen damit zu Tages- und Halbtagesfahrten in die verschneite Landschaft auf.
Ganz so lange wird der Grillenburger Postschlitten – obwohl er kuschelige Felldecken haben soll – nicht unterwegs sein. Die Fahrgäste sind jetzt weniger hart im Nehmen als früher, vermutet André Kaiser. Man hat sich auf Stundentouren durch den Tharandter Wald festgelegt. Wer trotzdem friert, bekommt zwischendurch ein Tässchen Glühwein aus der Thermobox.
Stilecht dank alter Fotos
Diesen Luxus hatte man vor siebzig Jahren noch nicht an Bord. Doch sonst will André Kaiser den Schlitten so originalgetreu wie möglich aufbauen. Viel Rechercheaufwand hat der Grillenburger dafür getrieben, vor allem mithilfe eines befreundeten Kutschenfans aus München, der seltene Fotos von den nicht erhaltenen Originalschlitten besitzt. Jetzt ist alles klar: Farbe, Embleme und Schriftzüge, Sitzaufbau und Lampen. Auch was die Uniform des Postillions anbelangt, ist man bereits gut gerüstet. „Rein zufällig“ hat André Kaiser schon früher einen original Postkutschermantel beim Internetauktionator Ebay ersteigert.
Die Schlittenbaukosten schätzt Kaiser auf etwa 10000 Euro. Vom Regionen-Aktiv-Projekt „Poststraßen erleben“ gibt es dafür aber kein Fördergeld. Die Summe wird privat beglichen. Als Standort ist der Grillenburger Waldhof vorgesehen. Das Gasthaus war tatsächlich einmal Poststation, verfügt auch über eine Remise, die aber noch flott gemacht werden muss. Wird das Kufenfahrzeug pünktlich fertig, können öffentliche Touren spätestens im Januar starten. Wer mit dem Postillion mal Schlitten fahren will, soll sich im Restaurant melden.
Infos im Waldhof 035202/4277.
Der Preis pro Person beträgt 10Euro. Maximal acht Personen haben im Schlitten Platz.