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Der Ruf des weißen Goldes

Mit dem ab 2019 geplanten Lithiumabbau knüpft das Erzgebirge an alte Bergbautraditionen an. Das könnte der Start für etwas ganz Neues sein.

Von Ines Mallek-Klein
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Der Glimmer verspricht Geschäft: Armin Mueller, Chef der Deutschen Lithium GmbH, präsentiert unter Tage ein Stück Bohrkern mit Lithiumglimmer. 125.000 Tonnen des Edelmetalls will seine Firma in Altenberg und Zinnwald aus dem Berg holen.
Der Glimmer verspricht Geschäft: Armin Mueller, Chef der Deutschen Lithium GmbH, präsentiert unter Tage ein Stück Bohrkern mit Lithiumglimmer. 125.000 Tonnen des Edelmetalls will seine Firma in Altenberg und Zinnwald aus dem Berg holen. © Thomas Kretschel/kairospress

Der Lichtschein huscht über die Wand. Es glitzert wie der Sternenhimmel an einem wolkenfreien Abend. Fast schon zärtlich fährt Professor Armin Mueller mit der rechten Hand über die schroffen Felswände. „Das ist alles Lithiumglimmer“, sagt er.

Und der soll, geht es nach der Deutschen Lithum GmbH mit Sitz in Freiberg, aus dem Berg geholt werden. Eine 30 Jahre gültige Lizenz für den Erzabbau hat das Unternehmen schon. Gerade wird an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet. Sie soll im März dieses Jahres vorliegen. „Dann werden wir mit den Banken wegen der Finanzierung reden“, sagt Armin Mueller, der Geschäftsführer der Deutschen Lithium GmbH. Offenbar ist dabei auch der Gang an die Börse denkbar.

Rund 140 bis 150 Millionen Euro wird es kosten, den Berg neu zu erschließen. Eine Rampe soll, nördlich von Altenberg kommend, nach Süden in Richtung Zinnwald führen. „Wir werden den Lithiumglimmer in einer Tiefe von 400 bis 700 Metern abbauen und damit deutlich unter dem Altbergbau arbeiten“, sagt Armin Mueller, während er weiter über die dicken Holzbohlen in den Tiefen Bünau-Stollen hineingeht. Er wurde 1686 von der Adelsfamilie von Bünau aufgefahren. Seit 1992 gibt es hier ein Schaubergwerk, liebevoll instand- und offengehalten von Männern, die einst unter Tage ihr Geld verdient haben.

Die schmalen Stollengänge mit den spitz herunterragenden Felsklüften lassen nur erahnen, wie mühsam die Bergleute früherer Generationen dem Berg hier Wolfram und Zinn abgerungen haben. Es ist zugig, das Tauwasser des Schnees rauscht zwischen den Gesteinsklüften wie ein Wasserfall herunter, und die eisige Kälte der letzten Nacht hat das heruntertropfende Wasser auf den Bohlen zu Eis gefrieren lassen. Es ist rutschig, aber hell. Der Stollen wurde komplett elektrifiziert – und zur Sicherheit bekommt jeder Besucher neben dem Helm und einer Regenkutte auch ein Geleucht mit.

Armin Mueller hat die kleine LED-Lampe an seiner Jacke festgezwickt, um die Hände freizuhaben für die Grafiken. Sie zeigen, wie die Deutsche Lithium den Berg erobern will. Der Glimmer, der seinen Ursprung vor 300 Millionen Jahren in einem Lavaerguss hat, soll in sechs Sohlen unterschiedlicher Tiefe abgebaut werden. Zwischen den Sohlen werden jeweils 60 Meter Gestein belassen. Ob man von oben nach unten arbeitet oder umgekehrt, wird gerade berechnet. Es geht auch bei dem weißen Gold, wie Lithium oft bezeichnet wird, um Effizenz.

Die Vorkommen zwischen Altenberg und Zinnwald sind groß, größer als zunächst angenommen. Auf 125 000 Tonnen Lithium schätzt Armin Mueller das Potenzial. Die doppelte Menge lagert jenseits der tschechischen Grenze. Dort hat sich die australische Firma European Metals Holdings (EMP) die vorläufige Abbaulizenz mit einem Memorandum gesichert. Doch dessen Gültigkeit stellt der tschechische Premier Babiš gerade infrage, nicht zuletzt, weil Konten des australischen Unternehmens auf den Cayman-Inseln bekannt geworden sind. Zweifel an der Seriosität von EMP wurden laut. Zu Unrecht, meint Armin Mueller. Solche Konten seien im internationalen Rohstoffgeschäft nicht unüblich. Babiš versuche nun offenbar, das Geschäft mit dem Lithium dem Staatsunternehmen Diamo zuzuschieben. Kein Wunder: Es geht um viel Geld. Der Preis für eine Tonne Lithiumcarbonat hat sich binnen zweier Jahre auf rund 14 500 Dollar verdoppelt.

Es waren die Akkus von Handys und Tablets, die Lithium plötzlich für den Weltmarkt interessant machten. Die Lithium-Ionen-Zellen sind den traditionellen Batterien deutlich überlegen. Sie verfügen über eine höhere Energiedichte und tolerieren eine große Zahl von Ent- und Aufladezyklen, ohne dabei sogenannte Memoryeffekte zu entwickeln. Außerdem lassen sich die Lithium-Ionen-Batterien binnen einer Stunde wieder laden. Eine vergleichbare Blei-Säure-Batterie braucht dafür die neunfache Zeit. Das macht die Technologie auch für die Elektromobilität interessant. Sie ist der Grund, warum sich die Deutsche Lithium in Zinnwald engagiert, sagt Mueller.

© Valery Voennyy

Dem Unternehmen schwebt eine sehr regionale Wertschöpfungskette vor. Das Leichtmetall soll in Sachsen gewonnen werden. Es wird als Erz in groben Gesteinsklumpen aus der Erde geholt und im Backenbrecher zerkleinert. Von dort kommen die Steine mit maximal zehn Zentimetern Kantenlänge in den Kegelbrecher, der das Erz in Kieselsteingröße bricht, bevor gemahlen und gewalzt wird. Das Erz, das mit einer Korngröße von unter einem Millimeter an Spielkastensand erinnert, kommt dann auf einen Magnetscheider. Der Eisengehalt sorgt dafür, dass sich das Zinnwalditerz von dem restlichen Quarzsand trennen lässt. Nur das Erz soll schließlich auf Lkws verladen und nach Brandenburg gefahren werden. Mit der BASF Schwarzheide GmbH gibt es bereits Gespräche über die Errichtung einer Chemiefabrik durch die Deutsche Lithium auf dem Gelände des BASF-Chemieparks zur Weiterverarbeitung des Erzes. Läuft alles nach Plan, sollen ein bis zwei Lkws pro Stunde das Bergbaugelände verlassen. Der Quarzsand indes wird genutzt werden, um die Stollen wieder zu verfüllen. Ziel sei, so Armin Mueller, die Lagerstätte komplett zu nutzen, sodass Gesteinssäulen, die man aus Statikgründen zunächst im Berg stehen lässt, später durch Beton ersetzt und dann ebenfalls noch abgebaut werden können. Experten prüfen gerade, wie stabil das Bergwerk gesichert werden muss. Die Tatsache, dass man dabei unter einem bestehenden Bergbau arbeitet, ist Vor- und Nachteil zugleich. „Die vorhandenen Stollen erleichtern uns die Erkundung, auf der anderen Seite bergen sie statische Risiken, wenn man in den Altbergbau eindringt“, sagt Armin Mueller.

Er kennt die Deutsche Lithium GmbH seit ihren Gründungstagen. Da nannte sie sich noch Solarworld Solicium GmbH und war eine 100-prozentige Tochter des Technologieunternehmens Solarworld AG. Später stiegt das kanadische Bergbauunternehmen Bacanora Minerals ein, ihm gehören auch heute noch 50 Prozent der Unternehmensanteile. Die andere Hälfte liegt bei dem deutschen Solarzellenhersteller Solarworld, der pleite ist. Bacanora hat ein Vorkaufsrecht, der Insolvenzverwalter ist in Kontakt mit den Kanadiern. Ob sie die Option tatsächlich ziehen oder ein neuer Anteilseigner einsteigen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offen. Armin Mueller ist jedoch zuversichtlich, dass die Erschließung der Lithiumvorkommen davon unberührt bleiben. Er vertraut darauf, dass im Herbst dieses Jahres mit dem Bau der Rampe begonnen werden kann. Bis zu 150 Menschen sollen in dem Zinnwalder Bergwerk und der Erzaufbereitung eine neue Arbeit finden, weitere 100 Jobs werden rund um die Weiterverarbeitung des Erzes in Schwarzheide entstehen. Während die Bergleute früher ihre Stollen kaum mehr als zehn Meter im Jahr vorgetrieben haben, geht das heute deutlich schneller und auch großräumiger. Fünf mal fünf Meter soll der Stollen messen, der in den Berg führen wird. Da können selbst Lkws problemlos fahren.

Dass das Erzgebirge eine sehr vielseitige Großlagerstätte ist, weiß auch der sächsische Oberberghauptmann Professor Bernhard Cramer. Er erklärte unlängst auf einer Veranstaltung in Freiberg, dass seit 2005 exakt 61 Genehmigungen zur Erkundung von Erzlagerstätten erteilt worden sind, allein fünf davon stammen aus dem Jahr 2018. Bis jetzt kenne man nur, was in nicht allzu großer Tiefe gefördert wurde. Die Vorkommen in tieferen Schichten dürften noch viel größer sein, so die Vermutung des Oberberghauptmanns.

Die Bohrungen rund um Zinnwald haben diese Vermutung bestätigt. 300 Meter haben sich die Bohrer in die Tiefe gefressen und dabei Bohrkerne mit fünf Zentimeter Durchmesser herausgeholt. Armin Mueller weiß, die Grube in Zinnwald konkurriert bei der Lithiumgewinnung mit den Salzseen in Chile und den Bergwerken in Australien. Dort liegen die Erzeugerkosten für eine Tonne Lithiumcarbonat zwischen 4 000 und 6 000 Dollar. Womit die Deutsche Lithium in Zinnwald kalkuliert, bleibt ihr Geheimnis. Aber da das Interesse am dritten Element des Periodensystems eher zu- als abnehmen wird, ist Armin Mueller sicher, Finanziers zu finden.

Das weiße Gold lockt. Und viele werden seinem Ruf folgen. Um fehlende Fachkräfte braucht sich das Unternehmen nicht zu sorgen. Die ersten Bewerbungen liegen schon im Briefkasten.

Wissenswertes zum Thema Lithium:

Entdeckt wurde das Metall 1817 durch den schwedischen Chemiker Johan August Arfwedson. Er hatte sich von der schwedischen Insel Utö Steine mitgebracht, die die Mineralien Spodumen und Lepidolith enthielten.

Arfwedson addierte die Bestandteile und entdeckte durch den Fehlbetrag, dass ein weiteres, an der Luft offenbar flüchtiges Mineral enthalten sein müsse. Er gab dem Metall, das Natrium und Kalium ähnlich war, den Namen Lithium, abgeleitet „Steinmetall“.

Fast ein Jahrhundert schenkte man dem leichtesten aller Metalle keine Beachtung. Lithium kam allenfalls in Laboratorien als stärkstes bekanntes Reduktionsmittel zum Einsatz.

Lithium wird für die Herstellung von Batterien benötigt. Es kommt auch in den Ceranfeldern moderner Küchenherde und in geringen Mengen in Antidepressiva vor.