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Der Stasi-Aufklärer

Horst Hofmann war nach der Wende beauftragt, in der Kreisverwaltung Spitzel zu enttarnen. Wer gehen musste.

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Von Jens Ostrowski

Unangenehmer Job, der bitter nötig war: Horst Hofmann ist auch heute noch davon überzeugt, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter – egal ob hauptamtlich oder inoffiziell – in politischen Gremien und deutschen Verwaltungen nichts zu suchen haben. Der heute 70-Jährige gehörte nach der Wende dem „Ausschuss zur Aufarbeitung und Bewältigung der Vergangenheit“ an. Der war unter der Leitung von Roswitha Mildner damit beauftragt, die Mitarbeiter des Kreistags und der Kreisverwaltung auf eine mögliche Stasi-Vergangenheit zu überprüfen. „Ich habe mich um den Job nicht gerissen, aber als SPD-Fraktionsvorsitzender blieb mir nichts anderes übrig, als ihn auszuführen“, sagt er – und war doch genau der richtige Mann. Horst Hofmann hatte zu DDR-Zeiten nie einer Partei angehört und sich erfolgreich den Anwerbungsversuchen der Staatssicherheit widersetzt.

Denn Hofmann war als Lehrer in der Karl-Marx-Schule und langjähriger Chef der Feuerwehr Riesa-Stadt ein begehrter Kandidat für das MfS. Ein Stasi-Offizier, den Hofmann aus der gemeinsamen Schulzeit kannte, versuchte daher mehrfach, ihn anzuwerben. „Ich wollte das aber nicht mitmachen und habe das unverblümt gesagt“, erinnert sich Hofmann. Danach habe er Repressalien zu spüren bekommen. Als Feuerwehrmann hatte er ein Telefon. „Es war mir nicht erlaubt, ins nichtsozialistische Ausland zu telefonieren – also habe ich mich von meiner Westverwandtschaft anrufen lassen. Und da ich offenbar abgehört wurde, musste ich deshalb zu einer Aussprache zum Rat der Stadt“, weiß Hofmann. Und: „Ich habe denen einfach gesagt: Wenn es klingelt, weiß ich nicht, ob der Westen oder die DDR am Apparat ist. Danach war Gott sei Dank Ruhe.“

Erst nach der Wende muss sich Hofmann als Stasi-Aufklärer wieder mit dem DDR-Geheimdienst befassen. Besonders unangenehm war ihm damals: Auch in seiner eigenen Partei musste er aufräumen.

„Die Verwaltungsmitarbeiter aus DDR-Zeiten sind damals größtenteils ja in die neue Verwaltung übergegangen. Bei einer Selbstauskunft, die jeder unterzeichnen musste, hat aber kaum jemand seine Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit eingeräumt“, erinnert sich Hofmann.

Bei der anschließenden Überprüfung aller betroffenen Personen dann aber kam die Wahrheit ans Tageslicht. 15 Mitarbeiter in der Kreisverwaltung mussten ihre Arbeitsplätze räumen, weil sie mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hatten, darunter auch hohe Funktionäre der Neuzeit: Der erste Beigeordnete des Kreises, Gerhard Aßmus (SPD) – Dezernent für Inneres – wurde mehrheitlich aus dem Amt gewählt, obwohl er trotz belastender Beweise aus der damaligen Gauck-Behörde seine aktive Mitarbeit vehement bestritt. Auch ein von ihm in Auftrag gegebenes graphologisches Gutachten, dass beweisen sollte, dass die Verpflichtungserklärung als IM Udo Schön unterzeichneten Berichte nicht von ihm verfasst worden seien, lief ins Leere.

„Ich hatte mit Gerhard Aßmus zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Partei ein sehr gutes Verhältnis. Es fiel mir schwer, ihn mit den Vorwürfen zu konfrontieren“, erinnert sich Horst Hofmann. „Aber es konnte keine Ausnahmen geben.“

Mit Werner Kunze (CDU) stolperte ein weiterer Dezernent im Landkreis über seine Vergangenheit. „Er arbeitete danach noch eine Zeit lang als Autoverkäufer und starb einige Jahre später“, erinnert sich Horst Hofmann.

Ins Fadenkreuz der Stasi-Aufklärer geriet auch der spätere Nünchritzer Bürgermeister Udo Schmidt (SPD), dem aus der Bevölkerung eine Nähe zur Staatssicherheit nachgesagt wurde. „Die Verdachtsmomente haben sich allerdings nicht bestätigt. Herr Schmidt hatte demnach keine Berührungspunkte mit der Stasi“, bestätigte damals eine Stasi-Kommission der Gemeinde und legte das als üble Nachrede ab.

Auch drei Mitgliedern des Kreistags wurde im Oktober 1992 nahegelegt, ihre Mandate niederzulegen, um einer Abwahl zuvorzukommen: Volker Thomas und Helmut Kühne, zu DDR-Zeiten Bürgermeister von Strehla, von der PDS und Rainer Möhlis von den Grünen.

Anfeindungen war Horst Hofmann in seiner Funktion nicht ausgesetzt: „Ich glaube, die Betroffenen wussten schon ganz genau, was sie getan haben. Und jeder ist für sein Handeln selbstverantwortlich. Deshalb war es völlig klar, dass es Konsequenzen für Stasi-Mitarbeiter geben musste.“

Lesen Sie morgen im letzten Teil unserer Serie: Das Ende der Stasi in Riesa – was wir lernen können, was Leser sagen.