Von Susan Ehrlich
Johanna Schwarz aus Lawalde würde es jederzeit wieder tun. Sie hat ihre beiden Töchter im Löbauer Geburtshaus „Storchennest“ zur Welt gebracht und schwärmt noch heute von der ruhigen und angenehmen Atmosphäre vor, während und nach der Geburt. „Ich würde diese Art von Entbindung jeder Frau empfehlen, für die das infrage kommen kann“, sagt die Mittzwanzigerin. Sie erinnert sich an ein Gefühl der Geborgenheit. Außerdem habe man schon im Vorfeld ein Vertrauensverhältnis zu den Hebammen aufgebaut. „Es ist, als bekäme man das Kind gemeinsam“, sagt Frau Schwarz. Das Thema Kinderwunsch sei bei ihr noch nicht endgültig abgehakt, so die zweifache Mutter. Doch im „Storchennest“ wird möglicher weiterer Nachwuchs der Familie nicht mehr das Licht der Welt erblicken.
Das Löbauer Geburtshaus schließt zum 1. Juli seine Pforten. Und das hat seine Gründe. Allen voran steht die Frage der Finanzierung. „Waren es im Jahr 2002 noch 453 Euro, die jede Hebamme pro Jahr für die Haftpflichtversicherung berappen musste, werden es ab 1. Juli 5 100 Euro sein“, erklärt Katrin Hahn. Die Hebamme betreibt seit etlichen Jahren eine eigene Praxis in Pließkowitz bei Bautzen und ist zudem seit 2010 Inhaberin des Löbauer Geburtshauses. Und das wiederum besteht inzwischen seit fast 16 Jahren.
Bisher habe sie gemeinsam mit den Kolleginnen immer eine Lösung gefunden, die enorm steigenden Versicherungssummen stemmen zu können. Doch nun komme man an die Grenzen des Möglichen. „Hinzu kommt, dass wir im Herbst wieder eine Zertifizierungsrunde anstehen hätten, die ebenfalls mit erheblichen Kosten verbunden ist“, so Frau Hahn. Wenn sich nun aber, wie angekündigt, weitere der wenigen Versicherer für Hebammen aus dem Geschäft zurückziehen, komme eins zum anderen. „In Summe kann das nur das Aus für das ,Storchennest‘, aber auch für die Arbeit vieler Hebammen bedeuten“, sagt Frau Hahn. Und sie wird noch konkreter: „In Zukunft müssten alle Kinder per Kaiserschnitt geholt werden.“ Warum? Per Gesetz sei das über den Berufsstand der Hebamme geregelt. „Ärzte greifen in der Regel nur dann ein, wenn die Notwendigkeit besteht und beispielsweise operativ geholfen werden muss“, so Frau Hahn.
Sie gehe zwar davon aus, dass für die in etlichen Krankenhäusern in Teilzeit angestellten Hebammen eine Lösung in Sachen Versicherung gefunden wird. „Doch freiberufliche Hebammen haben das Nachsehen.“ Wer sich die Haftpflicht nicht leisten kann, wird auch das Risiko nicht mehr eingehen können, das eine Geburt nun mal hin und wieder birgt. Für die Geburtshelferinnen bleibt dann nur noch, die Vor- und Nachsorge zu übernehmen. Und Katrin Hahn hofft, dass auf diesem Gebiet auch ihre beiden derzeit noch im „Storchennest“ aktiven Kolleginnen Joanna Fuchs und Carola Mühlbach künftig bestehen können. „Sie üben beide mit Leib und Seele ihren Beruf aus“, sagt Frau Hahn. Frau Fuchs aus Melaune werde sich eventuell mit einer eigenen Praxis in der Region niederlassen, die Nieder Neundorferin Frau Mühlbach betreut werdende und junge Mütter in einer Nieskyer Praxis weiter.
Für die Schließung des Löbauer Geburtshauses nennt sie aber noch einen anderen Grund: zurückgehende Geburtenzahlen. Waren es noch bis vor etwa zwei Jahren um die 100 Geburten pro Jahr, die im „Storchennest“ betreut wurden, so liege die Zahl nun bei nur noch etwa 60. „Über all die Jahre haben die zwölf Hebammen die insgesamt hier tätig waren, unsere besondere, intensive und kompetente Form der Betreuung den Eltern nahegebracht“, so Frau Hahn. Doch leider sei es in den vergangenen Jahren dazu gekommen, dass sich ehemalige Kolleginnen dem Haus nicht mehr verbunden fühlten. „Sie sprachen keine Empfehlungen mehr für uns aus, was zum Anmelderückgang führte“, bedauert die Geburtshaus-Betreiberin.
Frauen wie Johanna Schwarz, die gerne in der angenehmen Ruhe eines Geburtshauses entbinden wollen, können das in Löbau nur noch bis Ende Juni. Die nächste Einrichtung dieser Art gibt es dann erst wieder in Dresden.