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Der wahre Krabat

Johann von Schadowitz kam 1660 als Leibwächter für den Kurfürsten nach Sachsen. Im Gespräch ist er bis heute.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Mit erhobenem Kinn sitzt der Reiter stolz im roten Paraderock mit dunkelblauer Filzhose und Stulpenmütze auf dem Schimmel. Die dunklen Haare wallen unter der Kopfbedeckung hervor. Über seinen Schultern trägt er einen Umhang auf Leopardenfell, einem künstlichen selbstverständlich. Denn die Figur des Johann von Schadowitz ließ das Sorbische Museum in Bautzen extra für die neue Sonderausstellung „Krabat - Mensch. Mythos. Marke“ von einem Stuckateur fertigen. Die Schau macht sich auf die Spurensuche nach dem historischen Vorbild des sagenhaften Zaubermeisters.

Die Sonderausstellung zeigt auch historische Schriften aus Krabats Zeit, etwa das „Reiterrecht“.
Die Sonderausstellung zeigt auch historische Schriften aus Krabats Zeit, etwa das „Reiterrecht“. © Uwe Soeder
Typische Waffen im 17. Jahrhundert. Die Säbel sind eine Leihgabe der Kunstsammlungen Dresden.
Typische Waffen im 17. Jahrhundert. Die Säbel sind eine Leihgabe der Kunstsammlungen Dresden. © Uwe Soeder
Kurfürst Johann Georg III. förderte die Karierre von Johann von Schadowitz.
Kurfürst Johann Georg III. förderte die Karierre von Johann von Schadowitz. © Uwe Soeder

Die wahre Geschichte der wohl bekanntesten Lausitzer Sagengestalt beginnt nach den Forschungen des Wittichenauer Chronisten Hans- Jürgen Schröter im gut 600 Kilometer entfernten Žumberak. Die schroffen Felsen der Samodor-Berge bilden zusammen mit den Flüssen Sava, Krka und Kupa im heutigen kroatisch-slowenischen Grenzgebiet einen atemberaubenden Naturpark. In dieser Gegend kommt Janko Šajatovi? - deutsch Johann von Schadowitz - 1624 zur Welt. Genau 80 Jahre später wird er in Särchen sterben und in der Wittichenauer Kirche beigesetzt. In der Ortschronik wird im Jahr 1848 zu lesen sein: „Dieser Croat Schadowitz ist derselbe, der in unserer Gegend unter dem Namen Krabat bekannt ist...Der Croat war reich ... und stand im Rufe eines Schwarzkünstlers...“

Doch wie kommt überhaupt der Sohn einer Adelsfamilie aus Kroatien in Sorbenland? Johann von Schadowitz genießt in seiner Heimat eine sehr gute Schul- und Militärausbildung. Es sind unruhige Zeiten. Seit 1618 tobt Dreißigjährige Krieg. Es geht um Religion, vor allem aber um Vormacht in Europa zwischen den Herrscher in Nordeuropa und dem habsburgischen Kaiser. Unter dessen Befehl kämpfen auch 20 000 sogenannte kroatische Reiter. Sie stürmen zuerst die Dörfer, plündernd, brandschatzend, meuchelnd. Die Menschen fürchten sich vor den stolzen Soldaten.

Musterung am kurfürstlichen Hof

Workshop & Zauberei

14. Oktober, 10 bis 17 Uhr - Helden aus Filz-Workshop zum Gestalten von Handpuppen mit Regina Herrmann / Angebot für Kinder und Erwachsene (Materialkosten 5 Euro zzgl. Eintritt)

15. Oktober,15 Uhr - Erlebnisführung mit Krabat (Wolfgang Kraus) und Hans-Jürgen Schröter als Schreiber

15. November, 18 Uhr - Führung durch die Sonderausstellung „KRABAT. Mensch. Mythos. Marke.“, 19 Uhr Vortrag von Martin Nowakowski, Doberschau „Anzeige, Folter, Feuertod: Die Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit in der Oberlausitz.“

18. November, 16 Uhr - „Abrakdabra“ mit Zauberer Gerhard Robel, Schmerlitz (Zaubern für Kinder), 17 Uhr „Sedmy rapak“ (2011) Kino im Museum (Film in Obersorbisch)

3.Dezember, 15 Uhr Erlebnisführung mit Krabat, Schwarzem Müller und Schreiber, 16.30 Uhr Kino im Museum „Die Schwarze Mühle“

www.sorbisches-museum.de

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Der Adel schätzt dagegen die gutausgebildeten Militärs aufgrund ihrer Treue und Ergebenheit. So heuert sich Johann Georg II. von Sachsen mit seinem Regierungsantritt eine Leibgarde aus jenen treuen Kriegern und mit ihnen Johann von Schadowitz an. Mit 36 Jahren erlebt er 1660 seine erste Musterung am kürfürstlichen Hof. Einen großen Karrieresprung erlebt er 1672 unter seinem Förderer Johann Georg III. Er macht den Offizier zu seinem Leibgardisten und Kammerjunker, ist mit ihm wohl zuweilen in seiner Zeit als Landvogt der Oberlausitz wohl auf der Bautzener Ortenburg. Im aktuellen Katalog zur Ausstellung schreibt Hans-Jürgen Schröter: „Johann von Schadowitz lernte an der Seite des ...Landvogts die Oberlausitz und ihre Menschen kennen, die ihn in ihrer Geografie, auch in der Sprache der Sorbenwenden, in ihren Traditionen, ihrer Lebensweise stark an seine Heimat erinnert haben wird...“ Den Herrscher und seinen ständiger Begleiter verbindet tiefe Verbundenheit. Selbst als Johann Georg III. die kroatische Leibgarde seines Vaters wieder in die Heimat zurückschickt, bleibt Schadowitz enger Vertrauter des Kurfürsten.

Der „Krabat Schadowitz“ wird zum privaten Bodyguard seiner Hoheit wie zum Berater. Bei den Ausflügen über Land in der Oberlausitz greift er wohl auch auf seine Sprachkenntnisse zurück, um sich mit dem Sorben zu verständigen. Diese bereits bestehenden Verbindungen veranlassen seine Hoheit wohl, den kurfürstlichen Räten den Auftrag zu erteilen, nach einem Altersruhesitz zwischen Hoyerswerda und Kamenz Ausschau zu halten. Am 8. März 1691 erhält Johann von Schadowitz für seine treuen Dienste das Vorwerk Särchen. Heute ist das Dorf auf Großsärchen bekannt. Den großgewachsenen, stolzen Fremdling nehmen die Einheimischen mit Neugier und Argwohn auf. Schließlich steht das Vorwerk lichterloh in Flammen, als es der neue Besitzer aufsucht. Sogar ein Schuster aus Hoyerswerda kommt beim Brand ums Leben. Der König ordnet an, die Gebäude neu zu errichten. Aufgrund der majestätischen Unterstützung kann so schnell wie sonst nicht gewohnt gebaut werden. Doch nicht nur dies lässt die Särchener an übernatürliche Kräfte glauben. Der neue Herr schafft es, neuen Schwung in den schlecht laufenden Betrieb zu bringen. Er ist ein Macher.

Abends sitzt der neue Meister dann wahrscheinlich im Kretscham-Gasthof und erzählt von seinen Abenteuern. Vielleicht mischen sich Phantasie und Wirklichkeit. Für Menschen aus dem Dorf redet ihr Meister von fremden Welten. Dazu kommen Aberglaube, Frömmigkeit und die Furcht vor schwarzer Magie. Gerüchte und Klatsch machen so aus dem Fremden nach dessen Tod 1704 den Zauberer Krabat, der bis heute auf jeden Fall als Sagenfigur durch die sorbische Oberlausitz streift.