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Die Abtrünnigen

Die Stadt-CDU zerfleischt sich weiter. Drei Räte verlassen die Fraktion. Und das ist noch nicht die einzige Hiobsbotschaft.

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© Marko Förster

Von Alexander Müller

Die Fraktion der Pirnaer CDU fällt noch vor der ersten offiziellen Stadtratssitzung auseinander. Hatte die Union mit zehn Sitzen gegenüber acht in der vorangegangenen Legislatur noch ein überraschend gutes Ergebnis bei den Kommunalwahlen Ende Mai eingefahren, kommt es nun zum offiziellen Bruch. Der Stadtverband ist schon lange zerstritten und auch vor der Wahl hatte es innerhalb der Kandidaten erhebliche Differenzen gegeben. So hatten drei von ihnen, die sich als „ihre Nachbarn“ bezeichnen, einen zum Teil eigenständigen Wahlkampf gemacht und damit parteiinterne Kritik eingesteckt.

Katrin Lässig, Tim Lochner und Thomas Gischke – das sind die „Nachbarn“ – war dann trotz hinterer Listenplätze der Einzug in den Stadtrat gelungen. Die Abteilungsleiterin beim Dresdner Flughafen, der Wirtschaftsprüfer und der Tischlermeister wurden dabei von der Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT) unterstützt. Als es nun an diesem Wochenende um die internen Posten innerhalb der Fraktion ging, muss es zum Eklat gekommen sein. Die drei „Nachbarn“ fühlen sich bei der Besetzung nicht ausreichend berücksichtigt.

„Die Ergebnisse der konstituierenden Sitzung der CDU-Fraktion haben den Willen der CDU-Fraktion deutlich gemacht, die von der MIT unterstützten, und mit beachtlichen Stimmen-Zahlen in den Stadtrat Pirnas gewählten Kandidaten auszugrenzen“, erklären die Drei in einer gemeinsamen Stellungnahme nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung des Kreisverbandes der MIT.

Hintergrund ist, dass Thomas Gischke sich um das Amt des Fraktionsvorsitzenden beworben hatte, der Versicherungsmakler und Ex-OB-Kandidat Frank Ludwig aber zum Chef gewählt wurde. Auch bei der Position des Stellvertreters und des Beigeordneten taucht kein „Nachbar“ auf. Damit sei es für Katrin Lässig, Thomas Gischke und Tim Lochner derzeit unmöglich, in der CDU-Fraktion die von ihnen vor der Wahl genannten Ziele und Anliegen insbesondere des Pirnaer Mittelstandes im neuen Stadtrat effektiv zu vertreten. Sie hätten sich daher entschlossen, unter dem von ihnen während des Wahlkampfes vertretenen Slogan „MIT – Ihre Nachbarn im Stadtrat“ eine eigenständige Fraktion zu bilden. Die genannten Stadträte bedauerten diesen Schritt, würden aber keine andere Möglichkeit sehen, den Interessen und Wünschen ihrer Wähler zu entsprechen. Sie seien gewillt, konstruktiv mit allen im Pirnaer Stadtrat vertretenen Abgeordneten zusammenzuarbeiten, die auf demokratischer Basis stünden und das weitere Vorankommen Pirnas zum Ziel hätten.

Eigene Mehrheit fehlt

Für die CDU Pirna bedeutet das einen schweren Schlag. Zwar wäre sie mit sieben Abgeordneten immer noch die stärkste Fraktion im Rat, aber in dem insgesamt 26 Mitglieder zählenden Gremium weit von einer Mehrheit entfernt. Und die städtische Union muss noch eine weitere Hiobsbotschaft verkraften. Matthias Hentschel legte nach Information der Partei aufgrund einer schweren Krankheit sein Stadtratsmandat nieder. Er war der Spitzenkandidat der Union und hatte mit 2 669 Stimmen die meisten Kreuze für die CDU geholt. Die gesundheitlichen Probleme waren schon vor der Wahl bekannt, man hatte aber wohl auf eine schnelle Genesung gehofft. Ein Comeback schloss deshalb Oliver Wehner auch nicht aus. Der hiesige CDU-Landtagsabgeordnete leitete die Fraktionsversammlung und gilt als enger Vertrauter von Matthias Hentschel. Dem soll nun der Fitnesswirt Thomas Mache als Nachrücker in den Stadtrat folgen.

Wie sich die Spaltung der Fraktion auf die Ratsarbeit insgesamt auswirkt, muss sich noch zeigen. „Ich bin gespannt, wofür die ‚Nachbarn‘ stehen und welche Politik sie machen“, erklärt Ralf Wätzig von der SPD. Ralf Wätzig wird mit seinem SPD-Kollegen Ulrich Kimmel und der Grünen-Abgeordneten Franziska Kuhne erneut eine Fraktion bilden, der er vorsteht. Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke, der schon vor der Wahl keine eigene Mehrheit im Stadtrat hatte, wird jedenfalls noch mehr Abstimmungsgeschick beweisen müssen als zuvor. Wenn ihm das gelingt, dürfte ihn das im Endeffekt aber stärken, vor allem in Hinsicht auf eine mögliche Wiederwahl in knapp drei Jahren.