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Die Bautzener putzt sich heraus

Die Straße verbindet Theatermusiker und Unternehmer: Sie investieren in die alten Häuser. Und haben Ideen für deren Nutzung.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Die Postfrau wird sich wundern. „Uhrenhandlung Bautznerstr. 60“ steht – frisch restauriert – in alten schwarzen Lettern an der schmucken Fassade. Und über der Eingangstür prangt weiß auf blau die Hausnummer: Eine 59. „Letztere ist korrekt“, sagt Eigentümer Gerhard Schoch, der hier mindestens sieben Mietwohnungen und eine Gewerbeeinheit schafft. Früher war es aber tatsächlich mal die 60. Und beim Retuschieren der Schrift habe der Denkmalschutz großen Wert darauf gelegt, dass die 60 erhalten bleibt und nicht einfach durch eine 59 übermalt wird.

Vor und nach der Sanierung: Die Bautzener Straße 59. Der Denkmalschutz hat großen Wert darauf gelegt, dass die Schrift an der Fassade restauriert wird.
Vor und nach der Sanierung: Die Bautzener Straße 59. Der Denkmalschutz hat großen Wert darauf gelegt, dass die Schrift an der Fassade restauriert wird. © Pawel Sosnowski/80studio.net
Die Bauherren von der Bautzener Straße: Theatermusiker Hartmut Schardt (l.) saniert das kleine Haus Nummer 60, Unternehmer Gerhard Schoch die benachbarte 59 mit schönem Blick vom Balkon. Fotos: Pawel Sosnowski
Die Bauherren von der Bautzener Straße: Theatermusiker Hartmut Schardt (l.) saniert das kleine Haus Nummer 60, Unternehmer Gerhard Schoch die benachbarte 59 mit schönem Blick vom Balkon. Fotos: Pawel Sosnowski © Pawel Sosnowski/80studio.net
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Doch die Postfrau wird künftig auch die echte 60 beachten müssen: Das direkte Nachbarhaus, nur halb so hoch wie die 59, wird derzeit ebenfalls saniert. Allerdings durch einen ganz anderen Bauherrn und mit einem anderen Nutzungskonzept: Hartmut Schardt, Klarinettist am Theater, baut es zum Einfamilienhaus für sich, seine Partnerin Olga Dribas und die beiden Kinder aus. Der Hesse, der seit 2001 in Görlitz lebt, mag die untere Bautzener Straße, hat vor ein paar Jahren schon die 62 saniert. „Ich denke nach wie vor, dass die Gegend unterbewertet ist“, sagt er. Die Leute wollen nah an der Altstadt sein, aber nicht ständig Feste vor der Haustür haben, erklärt er: „Da ist die Bautzener Straße ideal.“ Für ihn und seine Partnerin, die ebenfalls am Theater arbeitet, ist die Lage auch wegen des kurzen Arbeitsweges ideal.

Schoch hingegen hätte eigentlich lieber noch ein drittes Haus in der Altstadt saniert. Die anderen beiden stehen in der Fleischer- und Büttnerstraße. Dort hat er aber nichts Passendes mehr gefunden. „Und dieses Haus hier hat mir sehr gut gefallen“, sagt der Österreicher, der seit 2000 in Görlitz wohnt. Er hat sich mit seiner Firma G-S-D (Gerhard Schoch Druckgießtechnik) im Gewerbegebiet Am Flugplatz angesiedelt und beschäftigt dort inzwischen fast 30 Leute. Die drei Häuser sieht der 57-Jährige als Altersvorsorge.

Auch Schardt hat drei Häuser. Das Dritte steht gleich um die Ecke in der Brunnenstraße. Es ist ebenfalls ein Einfamilienhaus und bisher wohnt er darin. „Dort fehlt uns aber ein Zimmer“, begründet er den spätestens für April geplanten Umzug. Die Brunnenstraße 5 will er anschließend als Einfamilienhaus vermieten. Einen Mieter hat er noch nicht. „In dieser Lage wird das aber kein Problem“, ist er optimistisch.

Sein neues, um 1830 erbautes Haus war früher eine Bäckerei, zuletzt aber wohl nur noch ein Wohnhaus – und als Schardt es gekauft hat, eine Ruine. Hinten stand nur noch die Außenwand. Jetzt baut der 42-Jährige es wieder in seiner ursprünglichen Form auf – inklusive Anbau im Hof. Das Haus wirkt von vorn recht klein, doch das täuscht: Es geht sehr tief nach hinten und hat über 200 Quadratmeter Wohnfläche – plus riesiger Dachterrasse. Letztere ist nur eine von vier (!) Terrassen, die sich alle auf unterschiedlichen Höhen befinden: Auf dem Dach des Haupthauses, auf dem Dach des Anbaus, als Garten am Erdgeschoss, und, noch eine Ebene tiefer, als Garten an der Brunnenstraße, wo es einen zweiten Zugang und Parkplätze geben soll.

Von Letzteren kann Schoch nur träumen. Sein großes Haus hat nur einen winzigen Garten. Die sechs Wohnungen im ersten bis dritten Stock sind je 55 bis 62 Quadratmeter groß, haben Balkone zum Hof und sind alle noch zu haben. Die Kaltmieten werden bei etwa fünf Euro pro Quadratmeter liegen. Spätestens Ende des Jahres sollen sie fertig sein. Der Clou aber ist die 102-Quadratmeter-Wohnung im Dachgeschoss, für die es schon zwei Interessenten gibt. Schochs Bauingenieur Matthias Roch hätte sich nie getraut, hier einen Balkon zu planen. Dafür hätte es ohnehin keine Genehmigung gegeben. „Doch dann war es ausgerechnet der Denkmalschutz, der für dort oben einen Balkon vorgeschlagen hat“, sagt Roch. Und Schoch fügt hinzu, dass die Zusammenarbeit mit den Ämtern auch insgesamt sehr gut war: „Wir haben schnell eine Baugenehmigung bekommen und auch bei Punkten, an denen wir unterschiedliche Meinungen hatten, einen Konsens gefunden.“ Die Schrift an der Fassade hätte er nicht unbedingt erhalten. Der Denkmalschutz wollte das – hat aber auch genug Geld dafür zur Verfügung gestellt.

Noch offen ist, was aus dem Parterre wird. Nach vorn ist Platz für einen Laden oder ein Büro. Nach hinten gibt es zwei Einheiten. „Das eine könnte eine ganz kleine Wohnung werden, das andere ein Lager“, erklärt Roch. In dieser Frage sind die beiden Theatermusiker schon weiter: Im Parterre des kleinen Hauses entsteht vorn ein Arbeitsraum für den Klarinettisten und die Pianistin, hinten eine kleine Einlieger-Gästewohnung, die die Schwiegereltern nutzen können, wenn sie in Görlitz sind.

Und noch etwas verbindet Schoch und Schardt: Beide freuen sich, dass jetzt auch an der Bautzener Straße 55 etwas passieren soll. Das ist das letzte ruinöse Gebäude im gesamten Straßenzug zwischen Call-Center und Brunnenstraße. Um es zu erhalten, hat der Technische Ausschuss kürzlich einstimmig eine Förderung von 145 000 Euro für die Sicherung beschlossen. Die ist dringend nötig: Das Dach ist kaputt, im hinteren Teil sind alle Decken zerstört, so dass das Haus dort einsturzgefährdet ist. Auch echter Hausschwamm breitet sich aus. Mit der 100-Prozent-Förderung von Bund und Land ist eine Auflage verbunden: Das Haus muss binnen fünf Jahren umfassend modernisiert und instand gesetzt werden. Dann wäre die Nordseite der unteren Bautzener Straße tatsächlich komplett fertig.