In einer alten Kiste liegen Dutzende Zöllstöcke. Viele Exemplare sind abgegriffen, die Gelenke teils angerostet. Kein Problem für Julia Mai und ihre Kollegin Bianka Lohse. Die beiden Frauen sind in Oskarshausen für die Dekoration zuständig. Alte Sachen, aus denen Neues entstehen soll, sind ihre Spezialität.
Bianka Lohse klappt einen Zollstock auf und dreht die einzelnen Glieder so, dass daraus ein fünfzackiger Stern entsteht. „Ist ja bald Weihnachten, da müssen wir uns etwas einfallen lassen“, begründet sie. Kreativität ist ihr Geschäft. Die Freitaler Entdeckerwelt von Oskarshausen ist nicht nur eine Spielelandschaft mit Shoppingangebot. Sie ist auch ein Paradebeispiel für einen Trend, der Upcycling genannt wird. Im Gegensatz zum Recycling werden dabei gebrauchte Gegenstände und Materialien nicht geschreddert oder eingeschmolzen, sondern aufgehübscht und neu verbaut.
Julia Mai führt ins Restaurant und zeigt auf den Schriftzug über der Ausgabetheke, hinter der ein Koch gerade Crepes bäckt. „Spachtelwerkstatt“ steht in großen Buchstaben über der Küchenzeile. Jeder einzelne Buchstabe ist aus alten Werkzeugen – zum Beispiel Wasserwaagen, Winkeln, Sägeblättern – zusammengesetzt. Ein paar Meter weiter über einem Gang hängen zu Lampenschirmen umgewidmete Waschmaschinentrommeln.
In der Bildergalerie gibt es ein paar schöne Beispiele zu sehen:
Wie kommt man auf solche Ideen? Julia Mai zuckt mit den Schultern, als wäre Kreativität ein Handwerk, das man lernen könnte. „Wir haben ein Lager, schauen uns da um, stellen uns Dinge zusammen.“ Märchen, Geschichten und viel Fantasie führen dann zu den Dekorationsideen. Mai, 25 Jahre alt, hat Schauwerbegestalterin gelernt. Ihre Kollegin Lohse ist von Haus aus Porzellanmalerin und hat zuletzt als Dekorateurin in einem Möbelhaus gearbeitet. Als sie von Oskarshausen hörten, bewarben sie sich und können nun die verrücktesten Ideen umsetzen. Die entstehen im Team, in Besprechungen oder auch mal zu Hause, spätabends, kurz vorm Einschlafen.
So wurden alte Holzschränke zu Sitznischen umgebaut. Oder deutlich benutzte Farbeimer unter die Decke gehängt. Mitten in der Halle hängt eine ganze Galerie alter Stofflampenschirme, wie sie früher Wohnzimmer schmückten. „Viele Besucher erinnern sich an das eine oder andere Modell sogar noch“, berichtet Julia Mai. Sie zog den ganzen Sommer über Flohmärkte, oft in Dresden und Leipzig. Ausgestattet mit einem Budget, erwarb sie alte Emailletöpfe und Küchengeräte, Bücherregale und Stühle, Gießkannen und Gartenwerkzeug, Besteck aus Uromas Zeiten und alte Kaffeemühlen. „Manche Verkäufer waren froh, das Zeug endlich los zu sein“, erzählt Mai. Im Oskarshausen kommt es gerade recht.
Die beiden Dekorateurinnen sind nicht nur für die Ideen zuständig, sondern auch für die Umsetzung. Sie nehmen Bohrer und Akkuschrauber in die Hand, klettern auf Leitern und tüfteln, bis alles sitzt. „Dabei kann man die Gedanken schweifen lassen, und oft entstehen dabei neue Ideen“, berichtet Bianka Lohse. Was sie alles noch in Petto haben, verraten die beiden nicht. Nur so viel: Im Lager liegt noch mehr alter Kram. Lohse: „Wir sind längst nicht fertig.“