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„Die Epilepsie kam plötzlich und ist unberechenbar“

Milka Loff Fernandes stand als quirliges Viva-Girl vor der Kamera. Bis die Diagnose kam.

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Sie war ein Gesicht des Musiksenders Viva und moderierte dort von 1999 bis 2004 viele Formate, darunter auch die bekannte Jugendsendung „interaktiv“. Dann wurde bei Milka Loff Fernandes Epilepsie diagnostiziert. Die heute 34-Jährige lernte damit umzugehen, ist Mutter geworden und hat ein Modelabel gegründet. Im SZ-Gespräch erzählt Milka, wie sie diese drastische Wende in ihrem Leben überstand und warum die Krankheit ein Geschenk sein kann.

Milka, im Jahr 2004 hattest Du den ersten epileptischen Anfall. Was ist da mit Dir passiert?

Das war ein sehr heftiger Bruch. Ich hatte viele Anfälle in kurzer Zeit, davon aber nichts mitbekommen, weil es im Schlaf passierte. Nach dem Aufwachen, meistens erst mittags, hatte ich Muskelkater, Verspannungen und war total müde. Ich hatte keine Ahnung, was passiert ist und wie viele Anfälle es gewesen sind. Ich kannte mich bis dahin immer als einen sehr gesunden Menschen. Meine Vitalität und Unversehrtheit waren mir sehr wichtig und selbstverständlich. Wenn ich krank war, dann war das durch Stress oder zu viel Arbeit selbst verschuldet. Die Epilepsie kam aber plötzlich von außen und ist unberechenbar.

Wie hat sich die Krankheit bei Dir ausgewirkt?

Man hat es überhaupt nicht unter Kontrolle. Dieser Kontrollverlust ist furchtbar. In meinem Leben war alles durchgetaktet. Jeder Tag hatte seinen Ablauf. Auch wenn das sehr stressig ist, war diese Art von Ordnung für mich wichtig. Was ganz krass war: Ich musste plötzlich mein ganzes Leben überdenken. Vorher war irgendwie klar, dass ich bis ans Lebensende Moderatorin bin und alles cool wird. Es hat eine ganze Weile gedauert, erst einmal sacken zu lassen, dass ich jetzt diese Krankheit habe.

Das wirkt sich sicher auf den Alltag aus. Wie bist Du damit umgegangen?

Wenn ich einen Job zusagte, war da immer die Angst, ob ich am nächsten Tag noch ansprechbar bin. Ich war sehr aggressiv, unter Spannung. Abbekommen haben das vor allem meine Mama und meine Mitbewohnerin. Dann kamen die Medikamente. In einer Dosis, die viel zu hoch war. Ich habe vier riesige Pillen pro Tag geschluckt, obwohl es eine auch getan hätte. Sechs Monate dauerte es, bis ich mir die Krankheit eingestanden habe. Bis ich akzeptieren konnte, dass ich Epilepsie habe, sind vier Jahre vergangen. Ich bin nicht mehr zum Arzt gegangen, hab die Medikamente abgesetzt. Ich wollte das Zeug nicht mehr nehmen. Die Anfälle kamen wieder, weil ich meine Lebensweise nicht geändert hatte: Stress, Druck, viel Arbeit und auf eine ungesunde Art Sport machen. Das hat mich überlastet.

Gibt es etwas, das Du ändern konntest, um besser damit klarzukommen?

Irgendwann in der Klinik habe ich angefangen, mich vollwertig zu ernähren, keinen Kaffee mehr getrunken und einige andere Dinge abgeschafft. Vorher habe ich zwei Schachteln Zigaretten am Tag geraucht und ganz wenig gegessen. Meistens Chips oder Schokolade. Eigentlich ist das völlig bescheuert. Mittlerweile ernähre ich mich zu 90 Prozent von Rohkost. Manchmal gibt es ein Sandwich. Ich führe mittlerweile ein unglaublich langweiliges Leben. Ich gehe um neun, spätestens halb zehn zusammen mit meiner Tochter ins Bett, wenn ich nicht arbeiten muss, und schlafe dann bis sechs Uhr, manchmal bis halb acht.

Deine Familie ist für Dich wichtig. Wie hat sie auf die Krankheit reagiert?

Meine Mutter ist sehr christlich. In Ihren Augen habe ich jeden Tag dieses Bedauern gesehen: Womit hat meine Tochter verdient, dass Gott ihr Epilepsie gibt? Diese Haltung hat für mich ja nichts besser gemacht. Wenn Gott etwas gemacht hat, dann hat er mir die Epilepsie geschenkt.

Epilepsie ist ein Geschenk für Dich?

Ja, weil man einen anderen Blick auf das Leben bekommt. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wir leben alle mit einem relativ vagen Todesurteil. Es geht nur um eins: Wie lebe ich mein Leben. Verpenne ich es? Will ich es am Ende bedauern oder kann ich es nutzen, so wie es ist? Man kann mit allem glücklich leben. Ich bin mittlerweile praktizierende Buddhistin. Da geht es um Eigenverantwortung. Wenn ich etwas wirklich will, dann schaffe ich das. Das Wohl der anderen ist auch wichtig. Das macht glücklich. Ich finde es wichtig, das man eine sehr tiefe Überzeugung hat, egal welche. Dass man immer Hoffnung hat für sich und für andere. Dass man niemals aufgibt, es geht immer irgendwie weiter.

Gibt es Dinge, die Du wegen der Krankheit nicht mehr tun kannst?

Ein geiles Festival wäre schön, wo man drei Tage lang feiert. Ich will mir aber nicht ausmalen, was dann passieren würde. Auf jedem Junggesellenabschied bin ich der langweiligste Gast, weil ich früh nach Hause gehe und kaum etwas trinke.

Hast Du einen Ratschlag für Menschen, die die Diagnose Epilepsie bekommen?

Ich bin noch keine 70, sodass ich keine guten Ratschläge geben kann. Es gibt schlimmere Epilepsie-Schicksale als meins. Aber eines finde ich wichtig: Jeder Mensch, egal was er hat, sollte sich seines eigenen Wertes bewusst sein und niemals daran zweifeln. Auch wenn die Krankheit hart und schlimm sein kann. Es ist ganz wichtig für sich herauszufinden, wie man ein lebenswertes und lohnendes Leben führen kann.

Das Gespräch führte Tobias Wolf