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Die erste Tagesmutter

Antje Schönfels betreut jetzt in Radeburg zwei kleine Mädchen. Bald kommt noch ein Junge dazu. Und es gibt weitere Anfragen.

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Von Ines Scholze-Luft

Der Blick aus dem großen Wohnzimmerfenster geht ins Grüne. Auf die Terrasse mit der weiten Wiese dahinter. Da lässt sich’s bestimmt richtig gut spielen. Doch daran denken Hanna und Amelie im Augenblick eher nicht. Die beiden Mädchen, acht und 15 Monate jung, sind seit dem 1. September bei Tagesmutter Antje Schönfels. Der ersten Tagesmutter von Radeburg überhaupt.

Hanna und Amelie haben hier in der hellen, freundlichen Wohnung viele Spielsachen zur Verfügung. An dem kräftigen gelben Pferd zum Draufsetzen findet Amelie gerade Gefallen. Hanna beobachtet ganz konzentriert den Besuch. Und Antje Schönfels? Die hat ihre Augen offensichtlich gleichzeitig bei allem, was um sie herum passiert. Plötzlich ist Hanna kurz vorm Weinen. Ohne ersichtlichen Grund. Bevor der Kummer zu groß wird, findet sie sich auf dem Arm der Tagesmutter wieder. Das tut gut. Und wird gleich mit einem zarten Lächeln belohnt. Hannas Welt ist wieder in Ordnung.

Die von Antje Schönfels auch. Denn mit der Tagesmutterstelle hat sich die 54-Jährige einen Traum erfüllt. Nämlich den, sich noch intensiver als bisher um jedes ihr anvertraute Kind kümmern zu können. Immerhin ist sie seit über 30 Jahren Erzieherin für Mädchen und Jungen bis sechs Jahre. Das wurde sie einst, weil es der Berufswunsch ihrer Mutter war. Der bald auch zu ihrem Eigenen wurde. Ein zauberhafter, schöner Beruf, sagt sie heute. Existenzängste habe sie nie gespürt. Auch nicht nach der Wende, als die Kinderzahlen zurückgingen. Die lebhafte schlanke Frau mit den dunklen Locken spricht von sicheren Arbeitsbedingungen in der Kita in der Dresdner Neustadt. Mit einer 32-Stunden-Woche, angenehmem Gehalt, ausreichend Urlaub. Sie hat gut und zufrieden gelebt. Und sich dann doch davon getrennt. Warum?

Da ist zum einen der Wunsch, weniger Kinder gleichzeitig betreuen zu können. Und zum anderen ihr Enkelsohn. Der einjährige Mylo. Er wohnt in Radeburg und wird ab Oktober als drittes Kind in die kleine Gruppe zu Antje Schönfels kommen. Wegen der Familie wollte sie von Anfang an nach Radeburg, wollte sich dort die Zukunft als Tagesmutter aufbauen. Weil neben Sohn, Schwiegertochter und Enkel auch ihre Eltern hier leben. Allerdings sei der frühere Bürgermeister nicht offen für das Thema Tagespflege gewesen.

Deshalb hatte sie es erst in Dresden versucht. Hat die nötigen Abschlüsse gemacht, alle Bescheinigungen unter anderem vom Gesundheitsamt besorgt. Doch die Suche nach einer Wohnung für die Kinderbetreuung gestaltete sich schwierig. Im Internet stieß sie dabei im vorigen Herbst auf ihr heutiges Radeburger Zuhause. Dessen Vermieter, die Diakonie, gab das Einverständnis zur Kindertagespflege in den Räumen. Der Stadtrat stimmte der neuen Betreuungsform zu und nahm eine Kindertagespflegestelle mit drei Plätzen in die städtische Bedarfsplanung auf. Die im vergangenen Jahr neu gewählte Bürgermeisterin Michaela Ritter (parteilos) war ebenfalls angetan von dem Vorhaben. Sie spricht von einem wichtigen Angebot.

Für Antje Schönfels bringt das neue Arbeitsleben einen weiteren Vorteil. Mit dem Domizil auf der Hospitalstraße neben dem Pflegeheim der Diakonie hat die Neu-Radeburgerin noch ein Ziel erreicht. Sie wollte immer gern zu Hause arbeiten und nicht weit fahren oder laufen müssen. Ihre neue Wohnung auf dem Berg hoch über den Dächern der Stadt bietet das alles. Die Kinder leben in ihrer Wohnung. Sie wohnt sozusagen in der Tagespflegestelle. Und obwohl Antje Schönfels erst seit reichlich zwei Wochen in Radeburg als Tagesmutter tätig ist, hat sich das wohl schon herumgesprochen. Zwei Muttis haben bereits angerufen und sich über ihre Arbeit erkundigt.