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Bushidos gefährlicher Pakt mit Arafat Abou-Chaker

Es geht um Millionen, Gewalt und das Ende der Allianz aus Showbusiness und Clan-Milieu. Zum Prozessauftakt begegnen sich die ehemaligen Freunde als Feinde.

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Anis Mohamed Youssef Ferchichi, bekannt als Rapper Bushido, sitzt zu Beginn des Prozesses gegen den Chef einer bekannten arabischstämmigen Großfamilie in einem Gerichtssaal des Landgerichts Berlin.
Anis Mohamed Youssef Ferchichi, bekannt als Rapper Bushido, sitzt zu Beginn des Prozesses gegen den Chef einer bekannten arabischstämmigen Großfamilie in einem Gerichtssaal des Landgerichts Berlin. © Paul Zinken/dpa

Von Kerstin Gehrke und Pascal Bartosz

Fotografen rennen über die Gänge des Kriminalgerichts, es werden Kameras aufgebaut. Bloß die Sekunde nicht verpassen, in der die Hauptfiguren zum Hochsicherheitssaal 500 schreiten werden.

Keine Laptops, keine Telefone, überall Beamte. Ein, wohl notwendiges, Spektakel für einen Mann, der als Boss eines berüchtigten Clans gilt: Arafat „Ari“ Abou-Chaker, 44 Jahre, einst Manager eines millionenschweren Rappers, ist als mutmaßlicher Täter angeklagt. Zum Nachteil jenes Musikers, seinem früheren Schützling, Freund, Geschäftspartner: Anis „Bushido“ Ferchichi, 41.

Ari und Bushido würdigen sich keines Blickes

10.21 Uhr, passiert Abou-Chaker die Sicherheitsschleuse. Schwarzes T-Shit, Drei-Tage-Bart, das Kinn erhoben. Die Arme schwingen locker, die Ellenbogen nach außen gespreizt. Ein Lächeln, volle Präsenz.

Bushido, weißes T-Shirt, der Kopf gesenkt, als er 10.31 Uhr in den Saal kommt. Fünf Personenschützer des Landeskriminalamtes schirmen ihn ab, vermummt, bewaffnet. Bushido ist nicht nur Zeuge, sondern Nebenkläger

Ari und Bushido – ihre Blicke treffen sich am ersten Prozesstag nicht.

Angeklagt: Arafat Abou-Chaker (rechts) mit einem Anwalt im Landgericht Berlin.
Angeklagt: Arafat Abou-Chaker (rechts) mit einem Anwalt im Landgericht Berlin. © Paul Zinken/dpa

Neben Arafat Abou-Chaker sitzen seine Brüder Rommel und Nasser, 42 und 49. Der vierte Angeklagte ist ihr Bruder Yasser, 39. Er wird aus der Untersuchungshaft vorgeführt.

Er wurde bislang noch nie rechtskräftig verurteilt. Zu seiner beruflichen Tätigkeit gibt der Clan-Chef – ein fünffacher Vater mit deutscher Staatsangehörigkeit – zu Protokoll: „Selbständig in Vermietung und Verpachtung.“

Ein Vermögen vom Rapper verlangt?

Oberstaatsanwältin Petra Leister erhebt sich. Die Anklage gegen die vier Brüder lautet auf versuchte schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, Untreue.

Arafat Abou-Chaker habe die von Ferchichi, „bekannt als Sprachgesangskünstler Bushido“, 2017 erklärte private und geschäftliche Trennung nicht akzeptieren wollen. Ein Vermögen habe er von dem Rapper verlangt; eine Abfindung.

Am 25. Dezember 2017 habe Arafat Abou-Chaker seinen Ex-Partner im gemeinsamen Büro einbestellt. Der Clan-Boss soll die Tür verschlossen, den Schlüssel in die Hosentasche gesteckt haben. Laut Anklage schimpfte er: „Hüte deine Zunge, du Stück Scheiße, bevor ich sie dir abschneide.“ Als „Hund“ und „Bastard“ habe er Bushido betitelt und gedroht: „Du wirst schon sehen, was ich mit dir mache.“

Hohe Sicherheitsvorkehrungen: Polizisten stehen in einem Gang des des Landgerichts.
Hohe Sicherheitsvorkehrungen: Polizisten stehen in einem Gang des des Landgerichts. © Paul Zinken/dpa

Drei Wochen später seien bei einem ähnlichen Treffen neben Arafat auch Yasser und Nasser Abou-Chakers anwesend gewesen. Wieder Tür verschlossen, wieder Wut, wieder Ablöseverhandlungen.

„Anis Ferchichi sollte einen Betrag nennen – zwischen zwei bis drei Millionen Euro, den Arafat Abou-Chaker erhalten sollte“, sagt die Staatsanwältin. Handgreiflich sei es geworden, da sind die Ermittler sicher. Mit Wucht habe der Clan-Chef eine „mindestens halb volle 0,5 Liter-Wasserflasche aus Hartplastik dem Ferchichi in das Gesicht geschlagen“.

Auch Yasser und Nasser Abou-Chaker hätten auf den Rapper eingeredet. Ein Stuhl sei geflogen. Viereinhalb Stunden sei er in dem Büro seines eigenen Plattenlabels eingesperrt gewesen. Bald sei Bushido verreist, im Anklagedeutsch: „Er verließ für zehn bis elf Tage das Land nach Kenia und Thailand, um sich weiteren Einwirkungen zu entziehen.“

Während des Prozesses findet eine Drogenrazzia statt

Gangster-Image und echte Gewalt, kokette Clan-Attitüde und reale Familienbande – ist nicht eigentlich schon 16 Jahre zuvor klar, wohin die biografische Reise mit den Abou-Chakers führen würde?

Ständig von Personenschützern umgeben, selbst – oder gerade – wenn er mit Frau und Kindern ein paar Minuten in den Park, an einen See oder Essen gehen will. Das Mobile Einsatzkommando, das MEK, ist immer dabei, wenn Bushido seine Wohnung in Mitte verlässt.

Als parallel zum Prozessauftakt eine Drogenrazzia an den Treffs einer anderen, stadtbekannten Familie durchgeführt wird, fehlen deshalb ein paar MEK-Leute. Die Zeugen am Landgericht zu schützen, hatte Priorität.

Anis Ferchichi suchte sich das insoweit aus, als dass er früh auf die falschen, jedenfalls nur anfangs richtigen Freunde setzte. Und indem er erst nach Jahren des Duldens aus dem Dunstkreis der Familie ausbricht.

Es ist die bekannteste Verbindung einer Familie, die ihre arabischen Wurzeln stolz zur Schau trägt, in die Welt des Showbusiness und zugleich der ernsteste Kampf in der deutschen Rap-Szene. Erst wird offen mit dem mafiösen Image des Neuköllner Clans kokettiert, dann geht es schnell um viel Geld und realen Zwang – immer mit dabei: Clan-Ermittler des Landeskriminalamtes, Razzien mit Spezialeinsatzkommando, teure Anwälte und viel, viel Publicity.